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Die Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung

Umgang mit verwahrlosten Grundstücken in Bremerhaven / Bund legt Gutachten vor

11.03.2009

Staatsrat Wolfgang Golasowski: „Alle Handlungsmöglichkeiten prüfen“

In Bremerhaven gibt es insbesondere in den innerstädtischen Stadtteilen Lehe und Geestemünde eine nicht unerhebliche Zahl von Gebäuden, die verwahrlosen. Das beruht darauf, dass Eigentümer, die nicht in Bremerhaven ansässig sind, sich aus den verschiedensten Gründen nicht um die Gebäude kümmern, sondern sie ihrem Schicksal überlassen. Der Magistrat der Stadt Bremerhaven hat in Zusammenarbeit mit dem Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa und der Wohnungswirtschaft Strategien entwickelt, um eine Verwahrlosung ganzer Quartiere zu verhindern.

In diesem Rahmen sind der Magistrat und der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herangetreten, um die Möglichkeit von Änderungen des Bundesrechts zu prüfen. Das Ministerium hat das Anliegen aufgegriffen und zwei Gutachten in Auftrag gegeben. Die zunächst noch im Entwurfsstadium vorliegenden Entwürfe der beiden Gutachten zeigen zum einen Handlungsmöglichkeiten nach der geltenden Rechtslage auf. Zum anderen werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, für die noch eine Gesetzesänderung nötig wäre.

Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa und der Magistrat der Stadt Bremerhaven begrüßen die Ergebnisse der beiden Gutachten. Sie werden die für Bremerhaven relevanten Möglichkeiten des geltenden Rechts nutzen und sich an dem weiteren Verfahren z.B. auch zu erforderlichen Gesetzesänderungen beteiligen.


Hintergründe
In Bremerhaven wurden im Jahr 2007 9 Prozent aller grundstücksbezogenen Eigentumswechsel über Zwangsversteigerungen abgewickelt. Dies ist bundesweit „Spitze“. Die Wechsel konzentrieren sich in den Altbauquartieren der Bremerhavener Stadtteile Lehe und Geestemünde.

Die Eigentümer der zwangsversteigerter Immobilien sind in aller Regel nicht in Bremerhaven ortsansässig und teilweise „unbekannt verzogen“. Die betroffenen Wohnhäuser leiden unter einem erheblichen Instandhaltungs- und Modernisierungsstau. Viele können als verwahrlost bezeichnet werden. Die stetige Zunahme von verwahrlosten Immobilien ist zwar auch in Bremerhaven ein lokales Phänomen, aber eines mit Sprengstoff für die mitunter labile Nachbarschaft, deren Modernisierungs- und Instandsetzungsbereitschaft dann auch gegen Null sinkt.

Unter der Leitung von Staatsrat Golasowski ist am Runden Tisch Stadtumbau Bremerhaven die Strategie des Aufkaufens von Problemimmobilien, die durch eine nachhaltige Sanierung oder in Ausnahmefällen auch durch Abriss mit anschließendem Neubau zu „Leuchttürmen“ für das betreffende Altbauquartier werden, entwickelt worden. Daran sind alle Akteure der ehemaligen gemeinnützigen Wohnungswirtschaft sowie des Bau-, Umwelt- und Sozialdezernats beteiligt.

Diese Strategie war bisher nicht erfolgreich. Nur in einem einzigen Fall und außerhalb von Altbaubereichen ist es gelungen, aus der Zwangsversteigerung heraus zu erwerben („Krause-Immobilien“ in Leherheide-West). In allen anderen Fällen haben sogenannte „Aufkäufergruppen“ obsiegt, die nach einer oberflächlichen Sanierung und einer „Auffüllung“ des Gebäudes mit Mietern aus der Problem beladenen Nachbarschaft gewinnbringend nach außerhalb verkaufen. Da auswärtige Käufer die Bremerhavener Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt nicht oder nicht ausreichend kennen (jährliche Bewohnerfluktuation im Ortsteil Lehe-Goethestraße: 22 Prozent bei rund 800 leerstehenden Wohnungen) sind die frisch gekauften Wohnungen schnell wieder leer und der nicht nachhaltig sanierte Altbau alsbald wieder eine Problemimmobilie.

Das Baudezernat in Bremerhaven (Leitung Stadtrat Holm) hat auch versucht, auf dem Wege von Verhandlungen zum Erwerb von verwahrlosten Grundstücken zu kommen. Dies hat ebenfalls nur in Einzelfällen geklappt.

Bremerhaven hat sich deshalb Ende 2007 an das Land Bremen mit der Bitte gewandt, die Installierung eines Vorkaufsrechts innerhalb von Zwangsversteigerungsverfahren zugunsten von Gemeinden durch eine bundesgesetzliche Änderung zu unterstützen und gegenüber dem Bund zu vertreten. SUBVE (Abt. 7) hat diesen Vorstoß unmittelbar aufgegriffen und bereits am 11. Februar 2008 fand in Berlin im Hause des BMVBS eine umfassende Erörterung des Themas statt, an der neben Vertretern von SUBVE und aus Bremerhaven auch Vertreter aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie des Deutschen Städtetages teilgenommen haben. Das BMVBS war in dieser Sitzung sehr interessiert und hat eine Bereitschaft gezeigt, Lösungen für die auch in anderen Bundesländern gegebene Problematik zu finden.

Aufgrund dieser Erörterungen hat das BMVBS zwei Gutachten in Auftrag gegeben. Das erste Gutachten befasst sich mit der angeregten Änderung Bremerhavens zum Zwangsversteigungsgesetz und nennt mögliche bundesgesetzliche Alternativen. Das zweite untersucht bundesweit die Praxis im Umgang mit verwahrlosten Immobilien. Diese beiden Gutachten wurden in der Entwurfsfassung am 20.02.09 in Berlin einer erweiterten Besprechungsrunde vorgestellt (zusätzlich: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, BBR, und Deutsches Institut für Urbanistik, DIFU). Das Ergebnis ist aus bremischer Sicht als positiv zu bewerten, wenn auch die Umsetzung – u.a. wegen voraussichtlich noch erforderlicher Gesetzesänderungen frühestens mittelfristig zu erwarten ist.


Gutachten zur Praxis des Umgangs mit verwahrlosten Immobilien
Das Gutachten zur Praxis im Umgang mit verwahrlosten Immobilien wurde von den Technischen Universitäten Berlin und Cottbus vorgelegt. Es wird aufgrund der Ergebnisse der Diskussion am 20.02.2009 noch einmal überarbeitet. Dabei werden auf Anregung aus Bremen und Bremerhaven Aussagen zur Wirtschaftlichkeit, Zeitdauer, Einfachheit der Handhabung, Ersatz von Mitwirkungsbereitschaft für die untersuchten einzelnen Instrumente des BauGB ergänzt.

Die Gutachter haben mit Hilfe der Bundesländer Kontakte zu Städten und Gemeinden hergestellt, die sich mit unterschiedlichen rechtlichen Instrumenten (Bundes-, Landes- und Fachrecht) mit und ohne Erfolg mit dem Thema verwahrloste Immobilien auseinander gesetzt haben. Einige besonders betroffene Städte wurden bereist (u. a. Bremerhaven). Der in Berlin vorgestellte Gutachtenentwurf gliedert sich in eine instrumentenbezogene Erfahrungsdarstellung und eine angehängte Beispieldokumentation.

Dieses Gutachten ist aus Sicht Bremens/Bremerhavens positiv zu bewerten. Es liefert eine Fülle von Informationen zum Thema und ist in der angelegten Breite etwas völlig Neues. Es wird eine wertvolle Handlungshilfe bei der Bewertung von Einzelfällen sein. Ein Beispiel für die Umsetzung der Empfehlungen dieses Gutachtens wird voraussichtlich die Regelung des § 207 des Baugesetzbuchs sein, wonach es unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, über das Vormundschaftsgericht für „herrenlose“ Grundstücke einen von Amts wegen bestellten Vertreter z.B. zu benennen. Der Magistrat wird exemplarisch prüfen, für welche Grundstücke diese Regelung zu einer Verbesserung der Situation führen wird.

Bei dieser kurzfristig umsetzbaren Aufgabe wird es hilfreich sein, dass es in Bremerhaven bereits eine umfassende Dokumentation von verwahrlosten Immobilien gibt, das es der Verwaltung ermöglicht, die geeigneten Immobilien ohne weitere umfangreiche Prüfungen auszuwählen und die nötigen Maßnahmen einzuleiten.


Rechtsgutachten
Hinsichtlich der von SUBVE und dem Magistrat angestrebten Verbesserung der Rechtsposition der Kommunen im Zwangsversteigerungsverfahren (z.B. Einräumung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts) kommen die Gutachter aus Berlin zu dem Ergebnis, dass der Ausschluss des Vorkaufsrechts in der Zwangsversteigerung nach einhelliger Auffassung zwingenden Charakter hat.

Darüber hinaus haben die den §§ 177 ff des Baugesetzbuchs (insb. Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot) auf ihre Umsetzbarkeit in der Praxis hin und auch im Hinblick auf ggf. erforderliche Änderungen geprüft. Die Prüfungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa und der Magistrat der Stadt Bremerhaven werden sich weiterhin aktiv daran beteiligen. Denn sinnvolle Gesetzesänderungen wären geeignet, die Situation in Bremerhaven zu entschärfen.


Fazit
Die Seestadt Bremerhaven hat mit Unterstützung des Landes Bremen eine Diskussion angestoßen, die derzeit erst auf Fachebene ausgetragen wird, jedoch mit zunehmendem demografischen Wandel weitere Kreise ziehen wird. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat eine Starthilfe für die erste Diskussionsphase geliefert, die die Erwartungen des Landes übertroffen hat. Nunmehr kommt es darauf an, das weitere Verfahren in Berlin aktiv zu begleiten, um für Bremen und Bremerhaven praktikable Regelungen zu erreichen. Darüber hinaus wird der Magistrat als Sofortmaßnahme in Fällen, in denen sich Eigentümer jeglicher Kommunikation verweigern, den § 207 BauGB anwenden und beim Vormundschaftsgericht veranlassen, einen von Amts wegen bestellten Vertreter z.B. für „herrenlose“ Grundstücke zu benennen. Die Erfahrungen mit dieser Maßnahme wird in das weitere Verfahren beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eingebracht werden.