Die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, ist am 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft getreten. Sie verpflichtet Bund, Bundesländer und Kommunen Gewalt im Sinne der Konvention vorzubeugen und effektiv zu bekämpfen, die Strafverfolgung zu gewährleisten und von Gewalt Betroffene umfassend zu schützen.
Sie steht in einer Reihe mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW), der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und dem Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention). "In Bremen haben wir in den vergangenen Jahren schon sehr viel geleistet, um die Istanbul-Konvention in unserem Land umzusetzen und Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen. Wir haben eine Landeskoordinierungsstelle IK eingerichtet, einen Bremer Landesaktionsplan mit 75 Maßnahmen vorgelegt, die darauf abzielen, Frauen und Kinder besser vor Gewalt zu schützen. Außerdem haben wir als erstes und bisher einziges Bundesland überhaupt einen Bremer Betroffenenbeirat eingesetzt, um die Perspektive und Erfahrungen der Betroffenen in die Umsetzung der Maßnahmen einzubeziehen, damit die Hilfe auch dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Dafür wurden wir im vergangenen Jahr auch von GREVIO (Gremium des Europarats) lobend in dem Bericht über die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland erwähnt", so Frauensenatorin Claudia Bernhard.
Bremen hat sich auch auf der letzten Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister der Länder (GFMK) im Juni 2022 dafür eingesetzt, die Umsetzung der Istanbul-Konvention als prioritäres Vorhaben der Gleichstellungspolitik zu benennen und eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene zu schaffen. "Wir brauchen auf Bundesebene dringend eine staatliche Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, die für die Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung der Gesamtstrategie zuständig ist. Wichtig ist, dass diese auch mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet wird, wie wir sie auf Landesebene in Bremen bereits haben", sagt Claudia Bernhard.
Die gemeinsame Steuerung und Federführung der Erstellung des Landesaktionsplans lagen bei der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF). Zudem stimmte eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe Istanbul-Konvention kontinuierlich den Arbeitsprozess inhaltlich ab. Neun interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppen mit Fachleuten aus Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nahmen Anfang 2021 zu spezifischen Gewaltformen ihre Arbeit auf. Im Verlauf des Jahres analysierten die Arbeitsgruppen den Ist-Zustand im Land Bremen, identifizierten Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung des Hilfe- sowie des Strafverfolgungs- und Rechtssystems, bewerteten diese nach ihrer Wirksamkeit und sprachen konkrete Empfehlungen für den Bremer Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention aus.
"Als wir 2018 das Thema Istanbul-Konvention mit der Forderung nach einem Landesaktionsplan und einer Koordinierungsstelle auf die politische Agenda gesetzt haben, hatten wir nicht zu hoffen gewagt, dass es gelingen würde, ein so starkes zivilgesellschaftliches und ressortübergreifendes Bündnis zu bilden, das bundesweite Anerkennung erfährt. Dies war nur möglich, weil wir in Bremen auf gute Netzwerke und Grundlagenarbeit im Bereich Gewalt gegen Frauen zurückgreifen konnten und das Thema von einer bemerkenswert breiten politischen Mehrheit getragen wurde. Nun braucht es ausreichende Mittel für die Ausfinanzierung der beschlossenen Maßnahmen. Denn mit der Entwicklung des Landesaktionsplans ist es nicht getan, wir müssen jetzt geschlossen für eine ebenso erfolgreiche Umsetzung sorgen", so Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm.
Im März 2022 legte der Bremer Senat dann den Bremer Landesaktionsplan vor. Darin enthalten sind 75 Maßnahmen, die bis 2025 umgesetzt werden sollen. Dazu gehören unter anderem präventive Maßnahmen schon in Kitas und Schulen, aber auch Schulungen für Multiplikatoren, wie Lehrerinnen und Lehrern, Gesundheitsfachkräfte oder der Polizei. Außerdem soll am Klinikum Bremen-Mitte (KBM) eine zentrale Gewaltschutzambulanz entstehen und bestehende Hilfsangebote, wie Frauenhäuser oder Schutzmöglichkeiten für vulnerable Betroffenengruppen ausgeweitet werden.
Zudem wurde im Mai 2021 erstmalig ein Runder Tisch Istanbul-Konvention einberufen. Am Runden Tisch kamen Vertreterinnen und Vertretern von Frauen- und Beratungseinrichtungen, der Spitzen- und Berufsverbände, der Fraktionen in der Bremischen Bürgerschaft und der Ressorts der Landesregierung zusammen. Die Runden Tische werden regelmäßig ressort- und institutionsübergreifend abgehalten, um die Fortschritte der Umsetzung des Landesaktionsplans zu sichten, zu diskutieren und zu bewerten. Im Oktober 2021 berief die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz einen Bremer Betroffenenbeirat Istanbul-Konvention (B*BIK) ein. Der Betroffenenbeirat bewertet in einem Kommentar im Anhang die im Landesaktionsplan festgeschriebenen Ziele und Maßnahmen aus der Betroffenenperspektive. Darüber hinaus spricht der B*BIK auf Fachtagen und bei Runden Tischen zu Schwerpunktthemen des Landesaktionsplans. Anfang dieses Jahres fand darüber hinaus ein Auftaktworkshop zur Entwicklung eines zukunftsfähigen Gesamtkonzepts für die Bremer Frauenhäuser statt.
Um effektivere Abläufe, das Setzen von Arbeitsschwerpunkten, eine Erweiterung der Angebote, insbesondere auch für vulnerable Gruppen, und Absicherung der Finanzierung zu etablieren, finden in diesem und im kommenden Jahr weitere moderierte Workshops statt, um gemeinsam mit den Frauenhäusern und der Stabsstelle Frauen bei der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz die im Landesaktionsplan festgestellten Bedarfe zu analysieren und die konkreten Umsetzungsschritte zu erarbeiten.
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