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Die Senatorin für Kinder und Bildung

PISA-E 2006: Bremen findet Anschluss an andere Bundesländer

18.11.2008

Für PISA-E, den inzwischen dritten Vergleich der Länder in Deutschland, wurden 2006 in Bremen 2625 Schülerinnen und Schüler aus 49 Schulen – 38 in Bremen und 11 in Bremerhaven - getestet. Im Mittelpunkt standen bei dieser Erhebung die naturwissenschaftlichen Kompetenzen. Getestet wurden aber auch wieder die Kompetenzen in den Bereichen Mathematik und Leseverständnis.




Ergebnisse PISA-E 2006


  1. Bremen liegt auch bei PISA 2006 in allen drei Domänen bundesweit leider immer noch auf dem 16. Platz, findet aber zunehmend Anschluss an die anderen Bundesländer. Im Lesen ist der Anschluss inzwischen gelungen (nur noch 2 Punkte hinter Hamburg), in Mathematik fast gelungen (10 Punkte Abstand), beide Unterschiede sind statistisch nicht bedeutsam. In den Naturwissenschaften ist der Abstand nach wie vor erheblich.
    Immerhin gehört Bremen in eine Gruppe von 6 Bundesländern, die seit 2000 in allen drei Domänen deutliche Zuwächse erzielt haben. Professor Dr. Olaf Köller, Direktor des Institutes zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), verweist in seiner fachlichen Stellungnahme zu den Befunden der PISA-E-Studie darauf, „dass das bislang leistungsschwächste Land Bremen zunehmend den Anschluss findet". Mit den Ergebnissen kann Bremen selbstverständlich nicht zufrieden sein, aber die insgesamt positive Entwicklung ist ein Ansporn für weitere Anstrengungen.


    Insbesondere die im Bundesvergleich deutlichen Zuwächse in Lesen seit 2000 zeigen, dass die Maßnahmen seit PISA 2000 Erfolge erzielt haben. Im Vergleich zu PISA 2000 ist der Abstand zu den anderen Bundesländern hier geschmolzen: Lag er im Jahr 2000 noch bei 62 Punkten zum Spitzenland Bayern, so beträgt die Differenz bei PISA 2006 nur noch 38 Punkte zum neuen Spitzenland Sachsen (512 Punkte). Auch in Mathematik hat sich der Abstand zu den Spitzenländern verringert.


  2. Der Anteil der Risikoschüler und Risikoschülerinnen (Kompetenzstufe I und darunter) hat sich in Lesen und Mathematik seit PISA 2000 deutlich verringert. Im Lesen liegt der Anteil dieser sehr schwachen Schüler und Schülerinnen aber immer noch mit etwa 27 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt und ist leicht geringer als in Hamburg. Im Jahr 2000 lag er noch bei rund 36 Prozent.





    In Mathematik zeigt sich eine ähnliche Tendenz. Auch in den Naturwissenschaften hat sich der Anteil der so genannten "Risikoschüler" verringert, auch wenn hier die Zahlen der verschiedenen PISA-Erhebungen wegen unterschiedlicher Kompetenzmodelle nicht genau zu quantifizieren sind.





    Insbesondere der Befund, dass in Bremen vor allem junge türkische Schüler immer noch nicht ausreichend den Anschluss gefunden haben, ist besorgniserregend. Hier sind die Integrationsbemühungen der Vergangenheit weiter zu intensivieren und die Fördermaßnahmen deutlich auszubauen.
    Umgekehrt ist die Gruppe der leistungsstarken Schüler/innen - insbesondere im Lesen - in Bremen von 2000 über 2003 bis 2006 größer geworden, wenn auch nur leicht: Sie ist mit einem Anteil von gut 8 Prozent an der gesamten Schülerschaft nur geringfügig kleiner als im OECD-Durchschnitt, allerdings immer noch unter dem bundesdeutschen Mittelwert von knapp 10 Prozent.


  3. Die Koppelung zwischen sozialer Herkunft und schulischen Leistungen ist in Deutschland bekanntlich besonders hoch. In Bremen liegt diese Kopplung im Bundesdurchschnitt, in den beiden anderen Stadtstaaten liegt sie statistisch bedeutsam über dem Bundesdurchschnitt.
    Prof. Köller betont in seiner Stellungnahme, dass Bremen zu den vier Ländern gehört, in denen sich sozial bedingte Leistungsunterschiede deutlich verringert haben. Er führt das „primär auf Anstiege der Leistungen bei Schülerinnen und Schülern aus Arbeiterfamilien" zurück.


  4. Die Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen zeigen die bekannten Muster. Im Lesen haben die Mädchen in Bremen einen Vorsprung von 43 Punkten, sie liegen damit über dem OECD-Mittelwert und auf Bundesniveau. Erfreulich ist, dass in keinem Bundesland der Anteil der Mädchen, die täglich Bücher lesen, so hoch ist wie in Bremen.
    In Mathematik liegen die Unterschiede ebenfalls im Bundesdurchschnitt. Die Kompetenzen der Jungen liegen statistisch bedeutsam über denen der Mädchen.
    In Naturwissenschaften sind die Geschlechterdifferenzen sehr gering und statistisch nicht bedeutsam.


  5. Der Schulformvergleich ergibt, dass die Bremer Gesamtschulen eine insgesamt positive Leistungsentwicklung zeigen und ihren Integrationsauftrag erfüllen. Die Kompetenzen liegen in allen drei Fächern leicht oberhalb der Realschule, die Leistungsspitze reicht deutlich in den Gymnasialbereich hinein.


    Die Leistungen der Gymnasien liegen im Schulvergleich in allen drei Domänen an der Spitze. Im Vergleich der Bundesländer zeigt sich aber, dass die Bremer Gymnasien deutlich hinter den Spitzenländern wie Sachsen oder Bayern zurückliegen. Der Abstand beträgt in Naturwissenschaften 47, in Mathematik 42 und im Lesen 29 Punkte.



  6. Sorgen bereiten insbesondere die Naturwissenschaften. Bremen ist das einzige Bundesland, das signifikant unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Auch hier haben sich die Leistungen der Bremer Schüler und Schülerinnen gegenüber 2003 zwar verbessert, aber in weitaus geringerem Maße als in zahlreichen anderen Bundesländern und im Bundesdurchschnitt.




    Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper: „Die Schulen arbeiten seit den ersten PISA-Ergebnissen hart an Veränderungen, gerade auch, weil wir in Bremen einen so hohen Anteil an Risikogruppen haben. Mein Dank gilt den Lehrerinnen und Lehrern, ihre Arbeit zeigt Wirkung. Wir müssen nun weitere Anstrengungen unternehmen, um den aktuellen Reformprozess voranzutreiben. Ich freue mich, dass zahlreiche Kollegien in den Schulen sich dafür hochmotiviert bereits auf den Weg machen.“



Risikogruppen

Dass Bremen immer noch auf dem letzten Platz im Ländervergleich liegt, ist auch dem hohen Anteil von so genannten Risikogruppen geschuldet. „Bildung in Deutschland 2008“ unterscheidet drei elternbezogene Risikolagen: Die soziale Risikolage beziffert dabei den Anteil der Kinder, die in Haushalten groß werden, in denen kein Elternteil erwerbstätig ist. Als kulturelle Risikolage sieht man den Anteil der Kinder an, die in einem Haushalt groß werden, in denen die Eltern über keinen oder nur einen niedrigen Schulabschluss, insbesondere über keine Berufsausbildung verfügen. Schließlich wird in der ökonomischen Risikolage der Anteil an Kindern abgebildet, die in einer Familie aufwachsen, deren Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze (weniger als 60 Prozent des Familienäquivalenzeinkommens) liegt.

Für Bremen ergibt sich bei Auswertung dieser Risikolagen folgendes Bild:
27 Prozent der Bremer Kinder werden in Haushalten groß, in denen kein Elternteil erwerbstätig ist. 27,9 Prozent der Kinder kommen aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungsstand, das heißt, deren Eltern haben nicht einmal eine Berufsausbildung. Bei der sozialen und kulturellen Risikolage der Schülerinnen und Schüler ist Bremen mit diesen Anteilen am höchsten betroffen und damit auf dem 16. Platz. 31,7 Prozent der Kinder unter 18 Jahren leben zudem in Armut. Dies ist der 12. Platz im Bundesländervergleich. Für nahezu 10 Prozent der Kinder ist die Ausgangslage noch schwieriger. Sie wachsen in Haushalten auf, in denen alle drei genannten Risikolagen aufeinander treffen, und damit Platz 16 im Vergleich der Länder. Auch beim Anteil der Migranten in der Schülerschaft hält Bremen den höchsten Wert aller Bundesländer. 35,8 Prozent aller Kinder haben Eltern, die im Ausland geboren sind und bei denen zu Hause kein Deutsch gesprochen wird.




Maßnahmen seit dem vorausgegangenen Ländervergleich 2003

2005 wurden die Ergebnisse des PISA - Ländervergleichs 2003 veröffentlicht. Rund 6 Millionen Euro wurden danach allein in der Stadtgemeinde Bremen eingesetzt, um in der Grundschule und in der Sekundarstufe I die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler zu verbessern.


Mehr Qualität und Vergleichbarkeit von Lernergebnissen:

Zur Sicherung der Unterrichtsqualität und der Transparenz der Lernergebnisse wurden in den vergangenen Jahren nach Pisa 2003 zahlreiche Maßnahmen ergriffen.

  • Bundesweite Bildungsstandards wurden in den Grundschulen für Deutsch und Mathematik verbindlich eingeführt. Auch in der Sekundarstufe I wird nach einheitlichen Standards gearbeitet.
  • Die Standards werden in Vergleichsarbeiten überprüft. Dies geschieht in der Grundschule in Klasse 3 in Deutsch und Mathematik. Im Jahrgang 8 wird Mathematik in einer Vergleichsarbeit mit anderen Bundesländern überprüft.
  • Zentral gestellte Aufgaben für den mittleren Schulabschluss und das Abitur sichern bremenweit dieselben Anforderungen an Absolventen.
  • Externe Gutachter haben alle allgemeinbildenden Schulen in Bremen inzwischen besucht und bewertet. Die Schulen arbeiten mit den Auswertungen, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern.


Maßnahmen in den Grundschulen:

Verlängerung der Lernzeit: In der Grundschule wurden in den Jahrgängen 1 und 2 die Fächer Deutsch und Mathematik um je eine Stunde aufgestockt. In den Jahrgängen 3 und 4 kam je eine zusätzliche Englischstunde hinzu. Insgesamt wurden die Schülerstundentafeln der Grundschulen um 8 Stunden erweitert.


Leseintensivkurse und Leseclubs: Flächendeckend an 14 Standorten wurden Schülerinnen und Schüler des zweiten Jahrgangs zusammengefasst, die Förderbedarf im Lesen hatten. Sie werden seither zehn Wochen lang ausschließlich in dieser Schlüsselkompetenz gefördert. Mit Bücherpaketen an den Schulen wurden zudem Leseclubs eingerichtet, die den Schülern eigenverantwortlichen Zugang zum Lesen ermöglichen und die Freude an der Lektüre fördern sollen.


Deutschkurse für Migranten: Quereinsteiger, das heißt neu hinzugezogene Schülerinnen und Schüler, die ohne Deutschkenntnisse eine Schule besuchen, erhalten eine intensive Förderung, um grundlegende Sprachkenntnisse zu erwerben.


Lese - Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche: In kleinen Schulverbünden von Grundschulen wurden Schüler mit diesen Problemen zusammengefaßt und so lange gefördert, bis sie erneut die Chance hatten, die Lernziele in den Regelklassen zu erreichen.


Maßnahmen in der Sekundarstufe I:

Leseclubs, gezielte Fördermaßnahmen bei Lese - Rechtschreib- und Rechenschwäche sowie Deutschkurse für Migranten gehörten auch in der Sekundarstufe I zum Maßnahmenpaket nach PISA - E 2003. Dazu kamen zielgenaue Förderangebote, um rechtzeitig Wiederholer - und Abbrecherquoten zu senken. Die Ostercamps besuchen Schülerinnen und Schüler, die Gefahr laufen, das Lernziel in Mathematik und Englisch nicht zu erreichen. Die Wiederholerquote in der Sekundarstufe I konnte durch diese Maßnahmen halbiert werden (von 5,6 Prozent auf 2,8 Prozent im Schuljahr 2007/2008). Sommercamps, in denen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gezielte Sprachförderung erhalten, wurden bundesweit als Erfolgsmodell gelobt. Durch die Arbeit des Zentrums für schülerbezogene Beratung wurde das Problem der Schulvermeidung verstärkt in den Blick genommen. Schulvermeider werden dort gemeldet und individuell beraten und betreut. Sie erhalten vorübergehend andere Angebote mit dem Ziel, sie wieder in die Regelschule zu integrieren. 2005 wurden zudem Lehrerinnen und Lehrer insbesondere der Klassen 5 und 6 in Fragen des Umgangs mit Heterogenität fortgebildet.


Strategie der Bildungssenatorin nach PISA - E 2006

Frühe Sprachförderung: In enger Kooperation mit der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales setzt die Sprachförderung künftig mit dem fünften Lebensjahr des Kindes ein und wird kontinuierlich in der Grundschule und der Sekundarstufe I fortgeführt. Dazu wird ein verpflichtender Test an den Computern der Grundschulen absolviert. Am Ende des Tests steht die Diagnostik, die Aussage darüber gibt, welche Sprachförderung das Kind braucht. Diese beginnt sofort. Auch Kinder, die nicht den Kindergarten besuchen, werden bei Bedarf ein Jahr vor der Einschulung täglich zwei Stunden lang in den Grundschulen gefördert. Für die miteinander verzahnte Sprachförderung werden Erzieherinnen/Erzieher und Grundschullehrerinnen und – Lehrer gemeinsam fortgebildet. Um das Testverfahren, die Beratung der Eltern und die Koordination der Sprachförderung zu regeln, werden in der Bildungsbehörde drei Stellen geschaffen. Sowohl an den Kindertagesstätten, als auch an Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I werden Sprachbeauftragte ernannt. Sie erhalten zwei Entlastungsstunden pro Woche und werden am Landesinstitut für Schule gezielt auf ihre Aufgaben vorbereitet.


Lernzeit ausweiten: Prof. Jürgen Baumert hat bei einem Vortrag in Bremen zum Jahresbeginn die Empfehlung gegeben, die Lernzeit für bremische Schülerinnen und Schüler auszuweiten. Bei der Entwicklung von Ganztagsschulen soll deshalb die Beteiligungsquote im Sekundarbereich I auf 50 Prozent aller Schülerinnen und Schüler bereits zum Schuljahr 2009/2010 vorgezogen werden. Auch die Oster- und Sommer - Camps sollen ausgeweitet werden. Ihre Wirksamkeit ist gemessen worden. Es sind Erfolgsmodelle, die zum Beispiel um Mathe - Camps erweitert werden sollen. Auch die Zusammenarbeit mit der Freiwilligenagentur, die sich bereits bei der Gewinnung von Lesehelfern bewährt hat, soll aufgestockt werden. Geplant ist der Einsatz von Mathematikhelferinnen und – Helfern. In der Sekundarstufe I soll die Lernzeit in Naturwissenschaften/Mathematik in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 ausgeweitet werden.

Stärkung der MINT - Fächer: MINT - Fächer werden die Schulfächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik genannt. Insbesondere durch Beteiligung außerschulischer Partner und durch die Ausweitung der Lernzeit an anderen Orten sollen Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenzen in diesen Fächern verbessern können. So werden von der Universität Projekte angeboten, die die Senatorin für Bildung und Wissenschaft unterstützt. Es sind Schülerlabore mit Experimentiermöglichkeiten, die Einrichtung eines Mathematik - Ateliers und Arbeitsgemeinschaften. Durch Kooperation mit der Wirtschaft soll zudem die Ausstattung der Schulen im naturwissenschaftlich - technischen Bereich verbessert werden. Es ist geplant, die naturwissenschaftlichen Sammlungen der Schulen vorrangig zu sanieren. Sie sollen besser mit Verbrauchsmaterialien und Kleingeräten ausgestattet werden.


Länger gemeinsam lernen: PISA – Ergebnisse haben immer wieder gezeigt, dass die Leistungsstreuung, also der Abstand zwischen den leistungsstärksten und den leistungsschwächsten Schülerinnen und Schülern in Bremen sehr groß ist. Die im Schulentwicklungsplan aktuell beschlossenen strukturellen Maßnahmen werden das stark zergliederte bremische Schulsystem verändern. Die „Oberschule“ soll eine attraktive zweite Schulart neben dem Gymnasium werden. In der Oberschule wird das Abitur nach 13 Jahren wieder eingeführt und damit mehr Lernzeit zur Verfügung gestellt. Sie bietet zudem mehr gemeinsames Lernen an, um Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern und anregungsarme Lernumgebungen und das Entstehen so genannter Restschulen zu vermeiden.

Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper: „Die Reform der Schulstruktur ist mit allen Parteien geeint. Sie soll dauerhaft und verlässlich sein. Ich werde mich in den anstehenden Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass die strategischen Maßnahmen nach dem jüngsten Pisa-Test eingeleitet werden können“.