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Der Senator für Finanzen

Bremer Steuerfahnder wirkte beim Aufbau der Zoll- und Steuerverwaltung mit

09.03.2006

Finanzsenator dankte Werner Graßmann für engagierten Einsatz auf dem Balkan

Fast fünf Jahre lang hatte der Bremer Steuerbeamte die Aufgabe, im Rahmen einer EU-Mission beim Aufbau der Zoll- und Steuerverwaltung in Bosnien und Herzegowina mitzuhelfen. Dabei konnte Werner Graßmann sein Expertenwissen aus mehreren Jahrzehnten vermitteln, aber dort gleichzeitig auch selbst neue Erfahrungen sammeln. Während seines Aufenthalts im ehemaligen Jugoslawien begleitete ihn seine Frau durchgehend zwei Jahre. Aus familiären Gründen ist für den Aufbauhelfer jetzt Schluss mit den Aktivitäten auf dem Balkan. Familie und Freunde in Bremerhaven traten nämlich in all den Jahren in den Hintergrund.



Dank und Anerkennung für geleistete Aufbauarbeit: Senator Dr. Ulrich Nußbaum überreichte Steuerfahnder Werner Graßmann ein Buch über das „Haus des Reichs“.

Nach der Rückkehr aus Sarajevo berichtete der Steuer-Fachmann heute Morgen (9.3.2006) Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum über seine in Bosnien und Herzegowina gesammelten Erfahrungen und Eindrücke. Der Finanzsenator sprach dem Steuerfahnder dabei mit einem Buch über das „Haus des Reichs“ Dank und Anerkennung für die geleistete Aufbauarbeit aus: „Sie haben mit dem Einsatz auf dem Balkan wichtige Kenntnisse aus der Praxis im Lande Bremen vermitteln können und so einen wichtigen Beitrag für den Aufbau der Zoll- und Steuerverwaltung geleistet. Dabei mussten Sie viele Entbehrungen hinnehmen, aber sie konnten sicherlich auch Erkenntnisse für die Arbeit hier sammeln. Zum Aufbau eines demokratischen Staates gehören auch geordnete öffentliche Verwaltungs- und Vollzugsstrukturen. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich dieser persönlichen Herausforderung gestellt und Verzicht in Kauf genommen haben“.


Es ging sehr schnell, dass Werner Graßmann nach 25 Jahren Fahndungstätigkeit im Finanzamt Bremerhaven die Möglichkeit hatte, im Rahmen der EU-Mission in Sarajevo und z. B. auch in Mostar Aufbauarbeit zu leisten: 2000 kam zufällig die europaweite Ausschreibung für den „Job“ auf seinen Schreibtisch. Brüssel kontaktierte ihn im Januar 2001 und schon am 5. März des Jahres trat er seinen Dienst bei EU-CAFAO (Customs and Fiscal Assistance Office) an. Er mietete sich eine Wohnung im Zentrum von Sarajevo und die offizielle Sprache war von nun an Englisch. Seine neuen Kollegen im Team kamen aus dem Vereinigten Königreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Spanien, Griechenland, Italien und Österreich.


Die erste Steuerfahndungsstelle in Mostar eingerichtet

EU-CAFAO war in Bosnien und Herzegowina seit 1996 zunächst mit dem Aufbau der Zollämter und Zollverwaltung beschäftigt und begann 2000 mit dem Aufbau der Steuerverwaltungen. Graßmann hatte die Aufgabe, Steuerfahndungsstellen einzurichten, die erste übrigens in Mostar. Bis dahin war diese Stadt noch verwaltungsmäßig in einen kroatischen und muslimischen Teil getrennt. Insgesamt ist Bosnien und Herzegowina aufgeteilt in eine Föderation mit zehn Kantonen (Bevölkerungsanteil überwiegend Kroaten und Muslime) und die Republik Srpska (überwiegend serbische Bevölkerung).


Graßmanns Einsatzgebiet war in den vergangenen fünf Jahren überwiegend die Föderation. In dieser Zeit musste er in einem Land, in dem es nur ca. 20 Autobahn-Kilometer gibt, viele tausend Kilometer zurücklegen: „Meine Kollegen in der Föderation hatte ich nicht nur fachlich auf ihre Aufgaben vorzubereiten, wichtig war auch die steuerlich-technische Unterstützung. Zudem musste ich ihnen oft Hilfestellung beim Abbau von Vorurteilen geben“. Um eine reibungslose Kommunikation sicherzustellen, war der Steuerbeamte aus der Seestadt ständig in Begleitung einer Übersetzerin oder eines Übersetzers.


Bei Vernehmungen offen die Unterstützung von Kriegsverbrechern eingeräumt

Nach wie vor sperren sich die drei ethnischen Führungsgruppen gegen eine Einheit des Staates. Die Nationalisten profitieren hierbei von der schlechten wirtschaftlichen Situation. Mit den Mitteln der Korruption, der Geldwäsche und der Hinterziehung von Steuern in Millionenhöhe verschaffen sie sich Einfluss in allen Bereichen der Verwaltung. Werner Graßmann: „Es wurden Netzwerke und Strukturen genutzt, um den jeweiligen nationalen Interessen unter die Arme zu greifen – egal ob es sich um bosnische Muslime, Kroaten aus der Herzegowina oder um Serben handelte. So kam es vor, dass bei Vernehmungen offen eingeräumt wurde, dass die hinterzogenen Beträge der Unterstützung des gesuchten Kriegsverbrechers Karadzic dienen würden“. Insoweit sieht es Graßmann schon als einen Erfolg an, dass es ihm gelang, Serben, Kroaten und Muslime in einer Arbeitsgruppe zu vereinigen und gemeinsame Aktionen gut durchzuführen.


In den letzten zwei Jahren seiner Aufbautätigkeit assistierte Werner Graßmann einem internationalen Staatsanwalt in Sarajevo. Dabei waren Durchsuchungen, Festnahmen und Beschlagnahmungen mit den örtlichen Steuerfahndungsstellen, der Polizei und des Zolls zu koordinieren. Weil die EU-Mission seit einiger Zeit mit der Einführung der Mehrwertsteuer ab 2006 beschäftigt war, hatte der Bremerhavener Experte am Ende die Schulungen seiner bosnischen Beamten-Kollegen zu koordinieren. Übrigens: Nicht nur Werner Graßmann war auf dem Balkan tätig; es leisten gegenwärtig noch zwei weitere Bremer Steuerbeamte dort Aufbauhilfe. Nach einer ersten Beurteilung wird die Schulung und die zügige technische Einführung der Mehrwertsteuer als Erfolg angesehen. Für diesen Einsatz der Steuerbeamten aus der Hansestadt hat die deutsche Botschaft in Sarajevo jetzt dem Land Bremen gedankt.


Nach fünfjährigem Balkan-Aufenthalt freut sich der Steuerbeamte, wieder in der Familie und unter Freunden zu sein und im Finanzamt hat er sich auch wieder „in den normalen Arbeitsalltag eingelebt“. In Bremerhaven ist eben doch alles wohl geordnet.


Foto: Denise Joachim, Senator für Finanzen