26.05.2000
Höhepunkte einer tausendjährigen Beziehung
Das Staatsarchiv Bremen teilt mit:
Zwei Jahrtausendjubiläen in Island
Das Jahr 2000 ist für Island ein ganz besonderes Jahr. Zwei herausragende Ereignisse seiner Geschichte jähren sich zum tausendsten Mal. Das eine ist die Entdeckung Amerikas, das die Isländer Winland nannten, durch den Isländer Leif Eriksen im Jahre 1000, den Sohn Eriks des Roten, der sich in Grönland niedergelassen hatte. Das andere ist die Entscheidung der Isländer im Jahre 1000, Christen zu werden. Sie markieren einen Höhepunkt in der Zeit des mittelalterlichen Freistaates Island.
Seit 874 wurde die Insel von verdrängten Wikingern aus Norwegen besiedelt. 930 gaben sich die Bewohner eine einzigartige Repräsentativverfassung, nach der ihre Vertreter auf dem jährlichen Althing Gesetze für die ganze Insel beschlossen und Gericht hielten. Auf dem Althing wurde im Jahre 1000 zur Vermeidung von weiteren Religionskämpfen auch die Annahme des Christentums beschlossen.
Der Beschluss brachte einen Modernisierungsschub in das bis dahin noch großenteils heidnische Land: Es öffnete sich dem europäischen Kontinent. Isländer erhielten in Deutschland und England eine christliche Bildung. Sie brachten mit der christlichen Lehre auch die lateinische Schrift in ihr Land, mit der die großartige altnordische Überlieferung aufgezeichnet wurde. Die gebildeten Bischöfe gewannen besondere Autorität. Das Christentum wirkte auf einen friedlichen Austrag der Streitigkeiten innerhalb des Landes hin.
Island im Erzbistum Bremen
An der Christianisierung hat Bremen besonderen Anteil, denn im frühen 9. Jahrhundert war dem Erzbischof in Hamburg vom Papst die Mission der nordischen Völker übertragen worden. Erzbischof Ansgar übernahm nach der Zerstörung Hamburgs durch die Wikinger im Jahre 845 das benachbarte Bistum Bremen und setzte von hier aus die Mission fort.
Als im Jahre 981 der Missionsbischof Friedrich aus „Sachsen“ Island betrat, tat er das vermutlich mit Wissen Erzbischof Adaldags von Bremen. Der Missionar Thangbrand, den 997 der norwegische König nach Island schickte, scheint Bremer Herkunft gewesen zu sein.
Im 11. Jahrhundert nahm sich Erzbischof Adalbert der Christianisierung in Island besonders an. Er ließ sich 1053 von Papst Leo IX. die Oberhoheit über Island und Grönland ausdrücklich bestätigen, die erste echte urkundliche Erwähnung beider Länder. 1056 bat der Isländer Isleif, der in Herford die Klosterschule besucht hatte, den Papst in Rom um die Bischofsweihe. Der schickte ihn zu Adalbert von Bremen, der ihn freundlich aufnahm und weihte. Isleif war der erste für Island geweihte Bischof, er gründete das Bistum Skalholt.
Auf Drängen des Dänenkönigs errichtete der Papst 1104 in Lund ein eigenes Erzbistum für die nordischen Völker, damit endete Bremens Zuständigkeit für Island. Zumindest auf Pilgerreisen nach Rom, Santiago oder Jerusalem haben Isländer Bremen aber weiterhin aufgesucht.
Bremer Kaufleute auf Island
Der Mangel an eigenen Schiffen und innere Machtkämpfe veranlassten die Isländer 1262 sich unter norwegische Oberhoheit zu stellen. Allerdings konnten auf die Dauer weder die Norweger noch - seit der Personalunion Norwegens mit Dänemark 1380 - die Dänen die Versorgung der Insel sicher stellen. In diese Lücke stießen seit 1412 englische und bald darauf auch hansische Kaufleute. Obwohl das Hansekontor im norwegischen Bergen den direkten Handel der Hansestädte mit Island zu verhindern suchte, fuhren im 15. Jahrhundert Schiffe aus mehreren Hansestädten, darunter auch aus Bremen, nach Island, um Fisch einzutauschen.
Seit Ende des 15. Jahrhunderts unterstützte besonders Hamburg die Islandfahrt. Hier bildete sich eine Gesellschaft der Islandfahrer, die im Jahre 1500 die St.-Annen-Brüderschaft der Islandfahrer in Hamburg gründete. Die Hamburger errichteten 1534 an ihrem Haupthandelsplatz auf Island „Hanefjord“ (Hafnarfjördur) sogar eine Kirche für deutsche Kaufleute.
Neben den Hamburgern besuchten im 16. Jahrhundert besonders Bremer Kaufleute die isländischen Handelsplätze. Ihre wichtigsten Häfen waren Grindewik (Grindavik) und Oereback (Eyrarbakki) in Südisland, Bodenstede (Budir), Grundefjord (Grundarfjördur) und Nessewage (bei Stykkisholmur) in Westisland und Papie (Papey) und Hornefjord (Hornafjördur) in Ostisland. Der Bremer Handel kann besonders gut dokumentiert werden durch ein neuestens aufgefundenes Schuldbuch eines Bremer Islandkaufmanns, das die Kunden, die Waren und die Preise (ausgedrückt in Fischmengen) in den Jahren 1557 und 1558 in Westisland enthält.
Die Lizenzen für den Handel vergab der dänische König. Er benutzte sie nicht nur als Einnahmequelle, sondern auch als Druckmittel gegen die Hansestädte und bevorzugte dänische Unternehmer. 1602 beendete König Christian IV. den Handel der deutschen Kaufleute auf Island ganz und übertrug ihn einer dänischen Monopolgesellschaft.
Fischdampfer aus Bremerhaven in den Gewässern um Island
Die Zeit des dänischen Handelsmonopols gilt in Island als schreckliche Zeit, da die Bevölkerung wegen der fehlenden Konkurrenz den Monopolkaufleuten ausgeliefert war. Erst Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer Lockerung und 1854 zur Aufhebung des Monopolhandels. Gleichzeitig strebten die Isländer nach möglichst weitgehender Autonomie.
Das Interesse bremischer Kaufleute am Handel mit Island blieb zunächst gering. Anders verhielt es sich mit der Fischerei. Mit der Technisierung des Fischfangs begann die Hochseefischerei in Deutschland. Der Unternehmer Friedrich Busse im damals preußischen Geestemünde beschloss, Fischdampfer in die fischreichen Gewässer um Island zu schicken. Nach einer Probefahrt 1891 folgten ergiebige Fangfahrten. Ohne Stationen auf Island zur Versorgung und zur Rettung aus Seenot kam die deutsche Hochseefischerei bald nicht mehr aus.
Auch die Isländer stellten sich von der Küstenfischerei auf die Hochseefischerei um. Die Fischdampfer ließen sie zunächst in England, seit 1914 auch in Geestemünde und Bremerhaven bauen.
1944 erklärte sich Island zur Republik und löste sich damit völlig von Dänemark. Seine besondere Sorge galt den Fischbeständen, seit Jahrhunderten das wichtigste Exportgut des Landes. Um eine Überfischung durch Hochseefischer fremder Nationen zu verhindern, dehnte Island seine Hoheitszone 1952 von drei auf vier Seemeilen, 1958 von vier auf zwölf Meilen, 1972 von zwölf auf fünfzig Meilen und 1975 schließlich von 50 auf 200 Seemeilen aus. In mehreren „Kabeljaukriegen“ setzte sich Island besonders gegen englischen Widerstand durch. Auch deutsche Hochseefischer, allen voran aus Bremerhaven, verloren einen großen Teil ihrer Fanggründe. Doch die Verbindung Islands mit Bremerhaven hielt. Für die Vermarktung und Verteilung des isländischen Fisches auf dem Kontinent hat Bremerhaven nach wie vor große Bedeutung.
Eine Bremer Ausstellung zur Islandfahrt in Reykjavik
Das Jubiläumsjahr in Island brachte die Deutsch-Isländische Gesellschaft Bremerhaven/Bremen auf die Idee, das Jahrtausend bremisch-isländischer Beziehungen in einer Ausstellung in Erinnerung zu bringen. Sie gewann den Senat der Hansestadt und die deutsche Botschaft in Reykjavik für den Gedanken und veranlasste vier Museen in Bremen und Bremerhaven und das Staatsarchiv Bremen zur Zusammenarbeit. Nach zwei Jahren Vorbereitung konnten hochwertige Exponate im Containertransport, der von einer isländischen Reederei gesponsert wurde, nach Reykjavik geschafft und in der Nationalbibliothek nach modernem Konzept präsentiert werden. Am 5. Mai wurde die Ausstellung „Kirche - Kaufmann - Kabeljau: 1000 Jahre Bremer Islandfahrt“ vom isländischen Kultusminister Björn Bjarnason eröffnet. Vor der Nationalbibliothek wehten die Fahnen von Island, Deutschland, Bremen und Reykjavik.
Die Ausstellung zeigt unter anderem ein Modell des mittelalterlichen Ostchors des Bremer Domes, die Grabbeigaben des Bremer Erzbischofs Liemar aus dem Focke-Museum, das Schuldbuch des Bremer Islandkaufmanns von 1557/58 aus dem Staatsarchiv und darin erwähnte Handwerksprodukte der Zeit aus dem Focke-Museum, Modelle der Bremerhavener Fischdampfer „Elsfleth“ und „Mainz“ aus dem Deutschen Schifffahrtsmuseum und aus Privatbesitz und das Halbmodell eines in Geestemünde für Island gebauten Fischdampfers aus dem Historischen Museum Bremerhaven. Beteiligt ist auch das Dommuseum Bremen.
Die Ausstellung wird noch bis zum 4. Juni in Reykjavik gezeigt und ab 27. Juni auch in Bremen im Haus der Bürgerschaft zu sehen sein. Ein Begleitbuch zur Ausstellung „Kirche - Kaufmann - Kabeljau“ mit Abbildungen der meisten Exponate und wissenschaftlichen Texten in Deutsch und Isländisch ist auch über das Staatsarchiv Bremen erhältlich.