26.10.2001
Einen Einblick in den ursprünglich niederdeutschen (plattdeutschen) Charakter Bremens gibt eine Ausstellung mit dem Titel „Bremer Platt und das Werk von Georg Droste“, die am kommenden Donnerstag, 1. November, um 19 Uhr in der Stadtbibliothek Neustadt (Friedrich-Ebert-Straße 101/105) eröffnet wird. Zur Einführung spricht der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Wildgen von der Uni Bremen, Jürgen Ludwigs liest Passagen aus dem Werk Drostes. - Anhand von Straßennamen und Bremer Urkunden und am Werk Georg Drostes (1866-1935) wird die Situation und Entwicklung der plattdeutschen Kultur und Sprache in Bremen dargestellt. Darüber hinaus soll der Autor, Georg Droste, in dessen Werk diese Sprache und Kultur am besten repräsentiert ist, in Erinnerung gebracht werden. In einzelnen Themen-komplexen beschäftigt sich die Ausstellung mit “Plattdeutsch im Bremer Stadtbild” bei Straßennamen und Inschriften, dem “Bürgereid der Stadt Bremen”. Leben und Werk Georg Drostes werden dargestellt und - basierend auf dessen Romantrilogie “Ottjen Alldag” - die Kindheit im Ostertor, die Welt der Handelskontore in der Langenstraße und die soziale Kluft zwischen Stadt- und Landbevölkerung am Beispiel des Teufelsmoores gezeigt.
Obwohl der Roman nicht sozialkritisch ist, verschafft er gute Einblicke in die Sozialstruktur Bremens und des Umlandes vor dem ersten Weltkrieg. Für den Sprachwissenschaftler Wildgen ist das Werk der letzte und einzige Anhaltspunkt für das Bremer Platt, das in der eigenständigen Form, wie der Autor es präsentiert, wahrscheinlich ausgestorben ist.
Sprachbiographische Interviews, die Wolfgang Wildgen zwischen 1982 und 1990 durchführte, ergaben, dass der Sprachwechsel Plattdeutsch-Hochdeutsch in Bremen erst seit 1850 einsetzte, wobei Teile der bereits an die hochdeutsche Schriftsprache gewohnten Oberschicht führend waren (manche traditionsbewusste Familien widersetzten sich aber diesem Trend). In der Zeit nach dem Eintritt Bremens in das Deutsche Reich bis zum Ersten Weltkrieg wurde die Stadt durch die Entwicklung der Vorstädte, die Eingliederung von Randgemeinden und den Zuzug aus dem Deutschen Reich tiefgreifend verändert. Dadurch kam es zu einer sozial markierten Zweisprachigkeit, bei der in den Randbezirken und im Umland Plattdeutsch, in den neu gegliederten Vierteln Hochdeutsch; in der Arbeiterschaft Plattdeutsch, im Mittelstand (teilweise) Hochdeutsch; in den Freischulen (außerhalb des Unterrichts) Plattdeutsch, in den Geldschulen wiederum Hochdeutsch gesprochen wurde. In vielen Familien herrschte Mehrsprachigkeit, z.B. der Art, dass Eltern untereinander und besonders mit den Großeltern noch Plattdeutsch sprachen; immer häufiger entschieden sich aber Mütter im Interesse des Schulerfolges ihrer Kinder, mit diesen Hochdeutsch (so gut sie es konnten) zu sprechen.
Die Ausstellung ist das Ergebnis einer Projekt-Arbeit von Lehrenden und Studierenden im Schwerpunkt: "Niederdeutsch. Regionalsprache und Regionalkultur" im Studiengang Deutsch/Germanistik der Universität Bremen. Idee und Konzeption der Ausstellung stammen von Prof. Wolfgang Wildgen; das vorbereitende Seminar wurde von ihm und Jürgen Ludwigs im Sommersemester 2001 durchgeführt. Die Ausstellungstafeln gestalteten die beteiligten Lehrenden und die Studierenden Nadine Alvandi, Jobst Walter Bauer, Kristina Korsmeier, Manuel Müller, Karin Stangenberg, Ernst von Weyhe, Sabine Zimmermann.