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Der Senator für Inneres und Sport

Innensenator Mäurer warnt vor fanatisierten Einzeltätern und Kleinstgruppen

Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2014

19.05.2015

Innensenator Ulrich Mäurer hat heute (19. Mai 2015) gemeinsam mit dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Joachim von Wachter, den Verfassungsschutzbericht 2014 vorgestellt. Wie auch im Vorjahr bildeten die Gefahren, die vom Salafismus für Bremen und Deutschland ausgehen können, wieder einen Schwerpunkt im Verfassungsschutzbericht. "Salafismus und Rechtsextremismus sind die Vorstufen zum Terrorismus", so Mäurer.

Die aktuelle Gefährdungssituation sei untrennbar mit den kriegerischen Auseinandersetzungen im Irak und Syrien verknüpft. Sowohl der "Islamische Staat" wie auch "Al-Qaida" und ihre Regionalorganisationen seien weiterhin bestrebt, terroristische Taten gegen westliche Ziele weltweit zu begehen. Neben mittelfristig geplanten Operationen würden sie auch sich spontan bietende Gelegenheiten ergreifen, um gegen Ziele im In- und Ausland vorzugehen. Zudem könnten insbesondere fanatisierte Einzeltäter beliebige, subjektiv als islamfeindlich empfundene Ereignisse oder Handlungen, zum Anlass nehmen, selbst jihadistisch motivierte Straftaten zu begehen.

Hans-Joachim von Wachter: "Es besteht kein Zweifel an dem unbedingtem Willen jihadistisch ausgerichteter Gruppen, jede sich bietende Gelegenheit für einen Anschlag in einem westlichen Staat zu nutzen. Dies gilt auch für Deutschland und somit auch für den Stadtstaat Bremen." Nach Überzeugung der Bundessicherheitsbehörden geht die derzeit größte Gefahr von fanatisierten Einzeltätern oder Kleinstgruppen aus. Dieser Tätertypus entspricht den strategischen Überlegungen von "IS", "Al-Qaida" und ihrer weltweiten Propaganda. Die Propaganda bedient sich dabei in Deutschland und Europa des salafistischen Netzwerkes.

Bundesweit sind mindestens 680 Personen aus islamistischer Motivation nach Syrien oder in den Irak ausgereist. Zwischenzeitlich ist ein Drittel von ihnen wieder nach Deutschland zurückgekehrt. "Es ist nicht auszuschließen, dass ein Teil von ihnen die Erfahrungen, die sie in den Kampfgebieten gemacht haben, nutzen, um künftig in Deutschland Anschläge zu verüben", warnte Mäurer. Aus Bremen sind nach Darstellung von Hans-Joachim von Wachter seit Mitte Januar 2014 insgesamt 20 Erwachsene und Jugendliche mit elf Kindern aus Bremen nach Syrien oder den Irak ausgereist. Vier von ihnen sind dabei mutmaßlich ums Leben gekommen.

Sieben Erwachsene und Jugendliche und drei Kindern kehrten inzwischen wieder nach Bremen zurück.
Alle Ausgereisten standen im direkten Kontakt mit dem "Kultur- und Familienverein" (KuF) in Gröpelingen oder seines Umfeldes. "Wir haben darauf reagiert, in dem ich Anfang Dezember 2014 den KuF verboten habe", erinnerte Mäurer an den damaligen Einsatz von Verfassungsschutz und Polizei. Der KuF habe gegen den Gedanken der Völkerverständigung und die verfassungsmäßige Grundordnung verstoßen.

"Der Salafismus in Deutschland und Europa hat weiterhin eine hohe Anziehungskraft vor allem auf eine bestimmte Gruppe junger Muslime, die sich oft am Rande oder abgekoppelt von der Mehrheitsgesellschaft fühlen", warnte Mäurer auf der heutigen Pressekonferenz. In Bremen gebe es derzeit 360 Anhänger der Salafisten. Anders als im Bundesgebiet, wo sich die Zahlen der Salafisten in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelten (2011: 2600; 2015: über 7.000), bleibe die Zahl der Salafisten in Bremen aber seit Jahren annähernd gleich. Dies sei neben der intensiven Öffentlichkeitsarbeit durch das Landesamt für Verfassungsschutz sicherlich auch der im Jahr 2011 in Bremen eingerichteten Beratungsstelle "kitab" zu verdanken, die als "Erstanlaufstelle" für Hilfesuchende zur Verfügung stehe.

Mit der Schließung des KuF stehe nunmehr in Bremen nur noch eine zentrale Anlaufstelle für Salafisten zur Verfügung; das "Islamische Kulturzentrum Bremen" (IKZ) am Breitenweg.

Auch oder gerade weil der Vorstand des IKZ im Zusammenhang mit den Ende Februar 2015 stattgefundenen polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen jeglichen Extremismus-Verdacht von sich weisen wollte, sei es eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes und des Senators für Inneres und Sport, auf die vom IKZ ausgehenden Gefahren hinzuweisen.

Gerade den jungen Menschen, die empfänglich für die salafistische Ideologie seien, müsse die extremistische Ausrichtung des IKZ immer wieder vor Augen geführt werden, so Mäurer. Die Anhänger propagierten die Vollverschleierung der Frau, lehnten die Demokratie als System ab, da nur Gott Gesetze erlassen könne und befürworteten die körperliche Züchtigung der Frau und die Beschränkung ihrer Freiheitsrechte.

Die Bekämpfung des Salafismus in Deutschland und Europa sei kein alleiniges Sicherheitsproblem, erklärte Mäurer. "Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und daher ressortübergreifend anzugehen." Unter Federführung des Sozialressorts soll daher für Bremen ein Präventionskonzept mit verschiedenen Bausteinen erarbeitet werden; von der möglichst früh ansetzenden Prävention bis hin zur Deradikalisierung von "Syrienrückkehrern".

Mäurer: "Darüber hinaus brauchen wir eine nationale Präventionsstrategie, für die ich mich auf der nächsten Innenministerkonferenz im Juni stark machen werde."

Mäurer ging gemeinsam mit von Wachter auch auf die Gefahren des Rechtsextremismus in Bremen ein.
Der Rechtsextremismus sei erneut in 2014 ein Beobachtungsschwerpunkt des LfV gewesen. Von Wachter hob hervor, dass der Verfassungsschutz nicht unbedingt eine Zunahme der Mitglieder im organisierten Bereich feststelle, sehr wohl aber im aktionsorientierten Bereich bei den Sympathisanten und deren Aktionen. Der harte Kern der Rechtsextremisten habe sich verfestigt und werde zunehmend radikaler und gewalttätiger. Dabei spielten in Bremen die rechtsextremistischen bzw. rechtsextremistisch beeinflussten Hooligans eine besondere Rolle.

Ihnen waren im Jahr 2014 Aktivitäten im Zusammenhang mit "HoGeSa"-Kundgebungen (Hooligans gegen Salafisten), mit Aktivitäten der Gruppierung "Gemeinsam-Stark e.V." sowie mit, auch gewaltsam geführten, Auseinandersetzungen zwischen Fußballfangruppierungen, zuzurechnen.
Von Wachter: "Diese Mischszene, die jederzeit in der Lage ist, auch vordergründig nicht politisch agierende, gewaltbereite Akteure für einzelne politische Aktionen zu rekrutieren, muss intensiv beobachtet werden." Von ihr gingen massive Gefahren für unseren Rechtsstaat und das friedliche Zusammenleben untereinander, unter anderem auch für Flüchtlinge und Asylbewerber, aus.
Bei der Beobachtung wurde auch erkennbar, dass Rechtsextremisten eine Stimmung in der Gesellschaft nutzen, um weiter Angst und Neid gegen Migranten und Flüchtlinge zu schüren. Insoweit sei es auch nicht verwunderlich, dass viele der "PEGIDA"-Demonstrationen deutschlandweit im Jahr 2014 von Rechtsextremisten initiiert oder zumindest unterstützt wurden.

In Bremen bestünden enge Verbindungen zwischen der Hooliganszene und der neonazistischen Szene, was unter anderem die Aktion anlässlich eines Fußballspiels von Werder Bremen gegen den Hamburger Sportverein am 1. März 2014 verdeutliche. Rund 130 maskierte Hooligans versuchten an dem Tag mit einem gecharterten Schiff zum Bremer Weserstadion zu gelangen. Unter den maskierten Hooligans aus Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen befanden sich zahlreiche Angehörige der neonazistischen und subkulturellen Szene.

(Erläuterung: Mit subkulturelle Szene sind Cliquen gemeint, die weder fest organisiert noch hierarchisch organisiert sind, sondern vor allem über die persönlichen Beziehungen der Mitglieder zusammengehalten werden.)

Nach Überzeugung von Innensenator Mäurer hat sich das neue Bremer Verfassungsschutzgesetz, das im Januar 2014 in Kraft getreten ist, bewährt. Es garantiere bessere Kontrolle durch die Kontrollgremien der Bremischen Bürgerschaft, insbesondere im Bereich des Einsatzes von sogenannten Vertrauenspersonen (VP).

Politisch motivierte Straftaten:

Politisch motivierte Kriminalität Ausländer (Extremisten wie z.B. PKK und Salafisten): Anstieg zu 2013.
Im Jahr 2014 gab es 27 extremistische Delikte und 9 Gewaltdelikte.
In 2013 gab es 15 extremistische Delikte, davon ein Gewaltdelikt.
(2012: 23 extremistische Delikte; eine Gewalttat)

Politisch motivierte Kriminalität rechts: Anstieg zu 2013:
Im Jahr 2014 gab es 142 extremistische Delikte, davon vier Gewaltdelikte.
In 2013 waren es 115 extremistische Delikte und zwei Gewaltdelikte.
(2012: 127, 4)

Politisch motivierte Kriminalität links:
starker Rückgang der extremistischen Delikte in 2014 mit 32 Straftaten sowie der Gewaltdelikte mit acht Taten.
2013: 95 extremistische Delikte, 17 Gewaltdelikte
(2012: 78, 22)

Service
Der Bericht als PDF zum Download (pdf, 2.4 MB)