Sie sind hier:

Die Senatorin für Kinder und Bildung

Gute Schule machen - Ein Praxisbericht aus der Schule am Buntentorsteinweg

08.06.2015

Für den Deutschen Schulpreis bewerben sich jährlich mehrere hundert Schulen aus dem ganzen Bundesgebiet. Die Bremer Ganztagsschule am Buntentorsteinweg gehört in diesem Jahr zu den 15 Finalisten und wird nun mit einer Delegation an der feierlichen Preisverleihung am 10. Juni 2015 in Berlin teilnehmen. Über die Nominierung herrscht große Freude im Kollegium und bei den Kindern: viele wissen von der Endausscheidung und sind gespannt auf das Ergebnis.

Doch wie macht man gute Schule? Wir haben hinter die Kulissen geschaut, um herauszufinden, was die Schule in der Bremer Neustadt zu einer der besten Schulen Deutschlands macht.

Als um 10:30 Uhr mit einem leisen "ping" die Glocke ertönt, wird es still im Klassenraum und 16 "Wale" versammeln sich in einer Sitzrunde vor der Tafel. Die "Wale" sind eine von sechs Lerngruppen der Schule am Buntentorsteinweg, in denen Schülerinnen und Schüler der dritten und vierten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. "Die restlichen "Wale" sind beim Theaterprojekt", wissen die Kinder die Nachfrage von Mathematiklehrer Bastian Rojahn zu beantworten. Er kennt die "Wale" gut, er unterrichtet sie schon seit ihrer Einschulung. Da waren sie noch "Fische", eine Lerngruppe von Erst- und Zweitklässlern. Aus den Fischen werden nach 2 oder 3 Jahren "Wale", nämlich wenn sie in den Jahrgang 3/4 wechseln. Beide Gruppen sind Partnerlerngruppen. Sie essen gemeinsam und haben immer wieder gemeinsame Lernprojekte, Klassenfahrten oder Feste. Beide Lerngruppen liegen auf einer Etage und nutzen den zwischen ihren Klassenräumen liegenden Differenzierungsraum gemeinsam. Durch die eingelassenen Glasscheiben zwischen den Räumen besteht ein dauerhafter Sichtkontakt. So entsteht eine große Vertrautheit unter den Kindern und auch im Team der Pädagoginnen und Pädagogen.

"Wer von euch hat schon ein Forscherprojekt fertig?", fragt Bastian Rojahn. Hierfür ist zu Beginn der im Tagesplan als Lernzeit markierten Einheit immer etwas Zeit vorgesehen. Zwei Schülerinnen präsentieren, wie sie das Ergebnis der Aufgabe "9 hoch 10" ermittelt haben, danach kehren alle zu ihren Plätze zurück. Je nach Lernstand und Geschwindigkeit beschäftigen sich die Kinder nun eigenständig mit Aufgaben aus ihrem Arbeitsplan oder einem neuen Forscherauftrag als besondere Herausforderung. Dabei arbeiten sie einzeln oder in kleinen Gruppen, am eigenen Sitzplatz oder im Differenzierungsraum. Wer mal nicht weiter weiß, findet Hilfe bei Mitschülern oder dem Lehrer. Trotz der Bewegungen und Gespräche im Raum arbeiten die Kinder mit großer Konzentration eifrig an ihren Aufgaben. Noten gibt es in dieser Schule nicht, aber die Kinder wissen sehr gut, wer in welchem Fach wie weit ist und wen man zu welchen Aufgaben fragen kann. "Leon und ich gehören zu den besten in Mathe", weiß Arda, "nur Nils ist noch besser. Dafür ist mein Deutsch nicht so gut, aber ich gehe einmal pro Woche zum DaZ* und lerne da Deutsch" erklärt er. (* Deutsch als Zweitsprache)

"Nach der Lernzeit haben wir immer AEP oder PEA – welches gerade dran ist, steht dort an unserer Tafel", erklärt Leon, "P ist unsere große Mittagspause, E das Essen und A steht für Angebote und AGs". Da gibt es so tolle Sachen wie Fußball, Trommeln oder Zirkus", ergänzt Arda. Diese Angebote gefallen den beiden besonders an ihrer Schule. Gut finden sie auch die ruhigen Arbeitszeiten und die Möglichkeit, dass jeder in seiner eigenen Geschwindigkeit lernen kann.

Der rhythmisierte Schultag, das jahrgangsübergreifende Lernen, das auf den Unterricht abgestimmte Raumkonzept und der durchgängige Einsatz von Fachlehrkräften sind nur einige der Qualitätsmerkmale am Buntentorsteinweg. "Was unsere Schule wirklich ausmacht ist, dass sich unsere Konzepte gegenseitig ergänzen und so ein pädagogisches "Ganzes" entsteht. Zusammen mit unserem Leitbild sind sie Grundlage unserer Arbeit und unseres Verhaltens", sagt Schulleiterin Meike Baasen. Dabei stehen die Kinder mit ihrer Entwicklung im Mittelpunkt: "Wir fragen nicht: ‚wen müssen wir fördern‘, sondern: ‚wie kann jedes Kind seine Potenziale bestmöglich nutzen‘".

Meike Baasen ist schon seit 2001 in der Schule am Buntentorsteinweg tätig und hat seit 2004 die Veränderungsprozesse der Schule gemeinsam mit dem Kollegium gestartet und begleitet. Bei allen Schritten hat die Schule die umliegenden Horte, Eltern und Akteure aus dem Stadtteil miteinbezogen und bei Bedarf auch Expertenhilfe in Anspruch genommen. Es wurden themenbezogene Arbeitsgruppen gegründet, beispielsweise zur Raumplanung oder zum Zeitmodell. Dabei wurde jeweils immer nur ein Entwicklungsschritt auf einmal in den Fokus genommen, so z. B. die Einführung des jahrgangsübergreifenden Unterrichts im Jahr 2006, die Umwandlung zur Ganztagsschule von 2007 bis 2009 oder das Thema Sprachbildung seit dem letzten Jahr.

Für die Leiterin des Zentrums für unterstützende Pädagogik, Monika Triba, sind es das besondere Schulklima und die gute Teamarbeit, die zum Erfolg der Schule beitragen: "Hier herrscht eine große Offenheit, sowohl menschlich als auch baulich. Und unsere Prozesse werden so transparent wie möglich gemacht."

Man spürt der Schule ihr freundliches und ruhiges Schulklima an. Die Kinder arbeiten sehr selbständig und zeigen sich offen gegenüber Besuchern. Besonders motivierend wirkt sich aus, dass sich jedes Kind wahr- und ernstgenommen fühlen kann: Durch die kontinuierliche Abstimmung des Mitarbeiterteams und den stetigen Dialog mit jedem einzelnen Kind weiß man um dessen Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten. Über das Kinderparlament der Schule und den Klassenrat können die Schülerinnen und Schüler Entscheidungen mitbestimmen, beispielsweise welche Spielgeräte angeschafft werden, und sie können Probleme ansprechen.

Pädagogische und inhaltliche Arbeit passen zueinander und die Rhythmisierung funktioniert nicht nur bei den Schülern gut – auch im Mitarbeiterteam wird rhythmisiert: Neben den Unterrichtszeiten gibt es feste Zeitblöcke, die für Schulentwicklung, Jahrgangsplanungen oder Teambesprechungen freigehalten werden. "Es ist uns wichtig, dass alle Professionen hier partnerschaftlich und gleichwertig miteinander arbeiten", betont Meike Baasen. In der Schule arbeitet ein Team aus Lehrerinnen und Lehrern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Erzieherinnen und Erziehern. Über den Unterricht hinaus findet ein Austausch mit außerschulischen Einrichtungen wie dem Amt für Soziale Dienste, Ergotherapeuten, Logopäden, Kindertagesstätten und Vereinen statt. Auch regelmäßige Elterngespräche werden angeboten.