In der Erstaufnahmeeinrichtung für minderjährige Flüchtlinge in Bremen ist am Wochenende der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs unter Jugendlichen erhoben worden. Unmittelbar nach Bekanntwerden hat die Einrichtung in der Steinsetzer Straße sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Zwei ursprünglich beschuldigte Jugendliche sind inzwischen in Jugendhilfeeinrichtungen außerhalb Bremens untergebracht, der Jugendliche, der die Vorwürfe erhoben hat, ist in eine andere geeignete Einrichtung verlegt worden. Auf diese Weise hat das Jugendamt sichergestellt, dass die Jugendlichen in ihrer Unterkunft nicht wieder aufeinandertreffen. Keiner der Jugendlichen befindet sich in Haft.
Sozialsenatorin Stahmann: "Die Justizbehörden müssen jetzt den Vorwürfen nachgehen. Es geht bislang um einen Verdacht, die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden sind eingeleitet, aber nicht abgeschlossen." Dabei warnte die Senatorin vor vorschnellen öffentlichen Urteilen. Angesichts der schutzwürdigen Interessen der beteiligten Jugendlichen gerade bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und angesichts des bislang völlig ungeklärten Vorwurfs bat die Senatorin die Medien zudem um zurückhaltende Berichterstattung.
"Wir nehmen den aktuellen Vorwurf zum Anlass, gemeinsam mit dem Träger und den einschlägigen Beratungsstellen die präventiven Konzepte in den Einrichtungen zu prüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln", sagte die Senatorin weiter. "Unabhängig davon, ob sich die Anschuldigungen bewahrheiten: Alle Jugendlichen in den Einrichtungen der Jugendhilfe sollen wissen, dass sie Unterstützung bekommen, wenn sie Opfer sexueller Übergriffe werden oder befürchten, Opfer zu werden."
In der Erstaufnahmeeinrichtung in der Steinsetzer Straße leben derzeit rund 200 Jugendliche. Ausgelegt ist sie für 170 Jugendliche und weitere 70 Erwachsene. Im Zuge des Befalls mit Bettwanzen soll die Einrichtung in den kommenden Wochen geräumt und durch einen Schädlingsbekämpfer saniert werden.
Im Laufe der ersten fünf Monate dieses Jahres haben 410 Jugendliche in der Stadt Bremen Schutz gesucht. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 114. Anders als Erwachsene unterliegen Minderjährige keinem bundesweiten Verteilungsverfahren. Sie müssen in der Kommune in Obhut genommen werden, in der sie erstmals behördlich in Erscheinung treten. Bremen gehört zu den Städten, die von besonders vielen Jugendlichen aufgesucht wird. Ein bundesweiter Vergleich von Hamburger Behörden für das Jahr 2013 hat gezeigt, dass allein die Stadt Bremen mehr Jugendliche aufgenommen hat als alle fünf neuen Bundesländer zusammen (200/192 junge Flüchtlinge). Auf Bundesebene wird inzwischen im Interesse des Kindeswohls an einem Umverteilungs-Verfahren gearbeitet, das nach derzeitigen Planungen im Januar 2016 in Kraft treten könnte. Bis dahin werden in Bremen rund 700 weitere Jugendliche erwartet.