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Die Senatorin für Justiz und Verfassung

Justizministerkonferenz in Berlin beschließt wichtige Eckpunkte für eine "Große Justizreform"

25.11.2004

Die Justizministerinnen und Justizminister haben mehrheitlich in ihrer heutigen Konferenz wichtige Eckpunkte für eine Große Justizreform auf den Weg gebracht. Sie weisen auf die überragende gesamtgesellschaftliche Bedeutung einer unabhängigen, selbstbewussten und leistungsfähigen Justiz hin. Dieser Prämisse widmet sich auch die Präambel des Beschlussvorschlages: „Die Rechtsprechung ist als Dritte Gewalt ein Grundpfeiler der rechtsstaatlichen Ordnung. Sie gewährleistet Rechtsschutz und Rechtssicherheit. Hierdurch bewahrt sie den Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft. Dem verfassungsmäßigen Auftrag der Dritten Gewalt im Staate kann nur eine unabhängige und leistungsstarke Justiz gerecht werden.“

Die Justizministerkonferenz betont, dass dies auch und in besonderem Maße in Zeiten gelte, die durch wirtschaftliche Umbrüche, Sparzwänge der öffentlichen Haushalte und Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme geprägt seien. Sparvorgaben in den öffentlichen Haushalten dürften nicht zu einer Schwächung der Dritten Gewalt führen. Stattdessen sollten die bestehenden Sparzwänge zum Anlass für nachhaltige Strukturverbesserungen in der Justiz genommen werden.

Unabdingbar sei, dass die Justiz ihre Kernaufgaben auch weiterhin zügig und mit hohem Anspruch an die Qualität ihrer Leistungen erfüllen könne. Deshalb soll geprüft werden, ob sonstige Aufgaben, die bislang zwar von der Justiz erfüllt werden, jedoch nicht zwingend auf die Dritte Gewalt bezogen sind, anderen Stellen übertragen werden können. Hier wird auch an die Einbindung Privater in die Aufgabenerfüllung zu denken sein.


Hieraus ergeben sich folgende Ansatzpunkte für eine „Große Justizreform“:

● Deregulierung,

● Aufgabenübertragung/Auslagerung,

● Konzentration,

● Qualitätssicherung.


Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich darauf verständigt, bis zur Frühjahrskonferenz 2005 detaillierte Vorschläge für eine „Große Justizreform“ unter Berücksichtigung dieser Ansätze und der nachfolgend genannten Eckpunkte zu erarbeiten. Die Belange aller in und mit der Justiz tätigen sollen dabei in geeigneter Weise einbezogen werden.


Im Einzelnen wurden folgende Beschlüsse gefasst:


1. Deregulierung

1.1. Vereinheitlichung der Gerichtsverfassungen/Prozessordnungen

Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich für eine möglichst weitgehende Vereinheitlichung der Gerichtsverfassungen und der Prozessordnungen für alle Gerichtsbarkeiten aus.


1.2 Funktionale Zweistufigkeit

Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich für eine funktionale Zweigliedrigkeit aus. Der Eingangsinstanz (Tatsacheninstanz) soll grundsätzlich jeweils nur ein Rechtsmittel folgen. Die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist durch ein Vorlageverfahren für Fälle der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung sicherzustellen. Rechtsmittel sind zu vereinheitlichen und auf das verfassungsrechtlich Notwendige zu beschränken.


1.3 Flexibler Richtereinsatz

Die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre werden gebeten, die Möglichkeiten eines flexibleren Richtereinsatzes zu prüfen.


2. Aufgabenübertragung/Auslagerung

2.1. Übertragung von Aufgaben

Die Justizministerinnen und Justizminister prüfen die Möglichkeiten einer Verlagerung von den Gerichten zugewiesenen Aufgaben. Ziel dieser Prüfung ist die Verbesserung der Effizienz der Rechtspflege


2.2. Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung

Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich für eine weitere Förderung der konsensualen Streitbeilegung aus. Sie beauftragen die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, geeignete Vorschläge zum weiteren Vorgehen zu unterbreiten.


3. Konzentration

3.1 Effektivere Strafverfolgung durch Konzentration und Schwerpunktsetzungen

Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich für die Sicherung einer effektiven Strafverfolgung durch Konzentration und Schwerpunktsetzungen aus. Sie bitten die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, geeignete Maßnahmen zu prüfen.


3.2 OWI – Verfahren: Reduzierung der Rechtsmittelmöglichkeiten

Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich für eine Reduzierung der Rechtsmittelmöglichkeiten bei Bagatellfällen im Ordnungswidrigkeitenrecht aus.


3.3 Attraktivität der Ziviljustiz steigern / Prorogationsmöglichkeiten erweitern

Die Justizministerinnen und Justizminister bitten die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre zu prüfen, ob die Attraktivität des zivilrechtlichen Verfahrens auch im europäischen Vergleich durch Zuweisung wichtiger Sachen an besondere Spruchkammern der Landgerichte oder an Obergerichte sowie durch erweiterte Prorogationsmöglichkeiten zu steigern ist.


3.4 Reform der Verbraucherentschuldung

Die Abwicklung von Insolvenzen natürlicher Personen verursacht einen hohen Aufwand bei den Insolvenzgerichten, dem insbesondere in masselosen Verfahren kein ausreichender Ertrag gegenübersteht. Auch in der Praxis der Restschuldbefreiung zeigen sich Schwächen, die eine Überprüfung der gesetzlichen Verfahrensvorschriften nahe legen.

Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich für die Entwicklung geeigneter Lösungsvorschläge aus.


4. Qualitätssicherung

4.1. Führungsverantwortung für Richter und Staatsanwälte

Die Justizminister und Justizministerinnen sprechen sich für aktive Führung und einen kommunikativen sowie kooperativen Führungsstil in der Justiz aus. Sie befürworten eine stärkere Einbeziehung der Entscheider (Richter, Staatsanwälte, Amtsanwälte, Rechtspfleger) in die Personal- und Führungsverantwortung. Sie beauftragen die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, hierzu konkrete Umsetzungsvorschläge zu entwickeln. .


4.2 Fortbildung

Die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre werden gebeten zu prüfen, ob die Fortbildungspflicht im Richterbereich ausdrücklich gesetzlich geregelt werden sollte.


4.3. Qualitätsmanagement

Die Justizministerinnen und Justizminister setzen sich dafür ein, den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit von Gerichten und Staatsanwaltschafen auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements durch die Einrichtung von Vergleichsringen und Qualitätszirkeln zu fördern.

Sie bitten sie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit dem Ausschuss für Justizstatistik gemeinsame Qualitätsstandards zu erarbeiten und länderübergreifende Methoden des Qualitätsmanagements vorzuschlagen.


Die Beschlüsse der Justizministerkonferenz sind im Internet abrufbar unter der Adresse www.bremen.de/justizsenator unter dem link „JuMiKo2004“.