31.05.2001
Bei Hypothekendarlehn gelten noch immer starre Bindungsregelungen
Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs zur Berechnungsweise von Vorfälligkeitsent-schädigungen hat in jüngster Zeit große Resonanz gefunden. Bei vielen Darlehnsneh-mern ist dabei der Eindruck entstanden, dass generell die Möglichkeit bestehe, sich durch eine Entschädigungsleistung vorzeitig aus einem Hypothekendarlehn mit Festzinsvereinbarung herauskaufen zu können. Diese Annahme ist jedoch - so Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen – "leider nicht richtig".
Bei einem Darlehn, das durch eine Grundschuld oder Hypothek gesichert ist, besitzt der Darlehnsnehmer innerhalb des Zeitraumes, für den ein fester Zins vereinbart ist, grundsätzlich kein Recht zur vorzeitigen Kündigung des Vertrages. So bestimmt es der 1987 eingeführte § 609a des Bürgerlichen Gesetzbuches. Eine Ausnahme gilt lediglich für Darlehn mit einer Zinsfestschreibung von mehr als zehn Jahren. Sie können mit einer Frist von sechs Monaten vom Schuldner gekündigt werden, wenn seit der vollständigen Kreditauszahlung oder der letzten Neuvereinbarung der Konditionen zehn Jahre vergangen sind. Einen finanziellen Schaden können die Kreditinstitute dann nicht geltend machen. Daneben besteht ein Anspruch auf eine vorzeitige Vertragserfüllung, wenn andernfalls die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Kreditnehmers eingeschränkt würde. Das hat der Bundesgerichtshof in zwei Grundsatzurteilen im Jahre 1997 entschieden. Konkret gilt das für Fälle, in denen die Immobilie entweder verkauft werden soll oder in denen sie zur Absicherung eines zusätzlichen Kredites benötigt wird, den der bisherige Darlehnsgeber verweigert, der aber bei einer anderen Bank erhältlich ist. In solchen Fällen kann das Kreditinstitut aber einen finanziellen Ausgleich verlangen, wenn es die außerplanmäßig zurückfließenden Gelder nur zu einem niedrigeren Zins wieder anlegen kann.
Wer sein Darlehen vorzeitig zurückzahlen möchte, um sich günstigere Zinskonditionen zu verschaffen, oder weil ihm ein größerer Geldbetrag zugeflossen ist, besitzt demgegen-über keinen derartigen Anspruch. Die Kreditinstitute können den Wunsch nach einer vorzeitigen Rückzahlung deshalb selbst dann rundweg ablehnen, wenn der Schuldner bereit ist, eine Entschädigung zu zahlen. Für die Betroffenen ist das zu Recht ärgerlich und unverständlich. Denn die vorzeitige Ablösung eines Kredites gegen Zahlung einer angemessenen Vorfälligkeitsentschädigung ist ökonomisch gesehen nichts anderes als der Handel einer Kapitalanlage zu ihrem aktuellen Marktwert. Und das ist in anderen Bereichen einer modernen Geldwirtschaft schon lange eine Selbstverständlichkeit. Eine festverzinsliche Anleihe beispielsweise muss niemand mehr bis zu ihrer Endfälligkeit halten; sie kann jederzeit zu ihrem aktuellen Kurswert veräußert werden. Genauso sollte es möglich sein, dass ein festverzinsliches Darlehn jederzeit zu seinem aktuellen Marktwert abgelöst werden kann, ohne dass der Schuldner hierzu auf das Wohlwollen seines Kreditinstituts angewiesen ist.
Gegen eine solche Reform stehen allerdings starke Interessen. Sie würde nicht nur die Möglichkeit beseitigen, unfaire Preise für eine freiwillige Zustimmung zu einer vorzeitigen Kreditrückzahlung zu verlangen, wie es Teile der Kreditwirtschaft ganz ungeniert für ihr gutes Recht halten. Die konsequente Anwendung des Marktwertprinzips würde vielmehr auch bedeuten, dass ein Darlehn im Falle eines allgemeinen Zinsanstiegs mit einem Kursabschlag zurückgezahlt werden könnte. Das ist für manche Bankjuristen eine ungeheure Vorstellung. Warum Kreditinstitute einerseits bei gesunkenem Zinsniveau eine Vorfälligkeitsentschädigung kassieren, andererseits bei gestiegenem Zinsniveau den Vorfälligkeitsnutzen aber für sich behalten dürfen, hat allerdings noch niemand plausibel machen können.