26.06.2003
Die Bremer Landesfrauenbeauftragte zum Koalitionsentwurf: Aus Frauensicht keine gute Note
Aus frauenpolitischer Sicht ist der Entwurf der Bremer Koalitionsvereinbarung an wesentlichen Stellen sehr verbesserungswürdig. Dies äußerte die Landesbeauftragte Ulrike Hauffe.
Viele der geplanten Einsparungen sind nicht auf der Grundlage des Gender Mainstreaming durchdacht worden, also nicht daraufhin untersucht worden, welche Auswirkungen sie auf die besonderen Lebenslagen von Frauen und Männern haben.
„An dem Ergebnis wird leider deutlich, dass nur eine einzige Frau an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat. Auch die Besetzung der Senatsposten mit nur einer Senatorin ist ein frauenpolitischer Rückschritt,“ so Ulrike Hauffe.
Die vorgesehenen Einschnitte in das soziale Netz stellen einen Sozialabbau dar, der insbesondere Frauen trifft, die ohnehin zu den geringer Verdienenden gehören und überwiegend die Last der Vereinbarkeit von Beruf und Familie tragen oder als Alleinerziehende auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Die Streichung der Zuschüsse für das erfolgreiche und renommierte Bremer Frauengesundheitszentrum gefährden eine in 20 Jahren gewachsene Arbeit, die jeder Frau - gerade auch sozial Benachteiligten – den niedrigschwelligen Zugang zu Informationen in Gesundheitsfragen ermöglicht und eine unabhängige Vertretung gesundheitspolitischer Interessen darstellt. Gerade hier werden Impulse zur Eigenverantwortung durch Selbsthilfemöglichkeiten gegeben, die auch zur Kostenreduzierung des Gesundheitswesens beitragen. Das Streichen der Förderung solcher Angebote ist also gerade unter Sparnotwendigkeiten kontraproduktiv.
Die finanzielle Unterstützung des unabhängigen nichtstaatlichen Betreuungsangebots für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution soll entfallen. Die Hauptlast dieses Angebots wurde mit großem Engagement von der Evangelischen Kirche getragen und könnte durchaus durch geringe Zuschüsse der Stadt weitergeführt werden. „Eine Einsparung dieser vergleichsweise kleinen Summe macht es unglaubwürdig, dass die wirksame Bekämpfung dieser besonders menschenverachtenden Form der Kriminalität und der Schutz der betroffenen Frauen politisch gewollt ist,“ erklärt Ulrike Hauffe.
In der Arbeitsmarktpolitik ist die Bremer Landespolitik gefordert, die negativen Auswirkun-gen der Hartz-Maßnahmen abzumildern, die Frauen überproportional treffen, da sie seltener als Männer Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhalten und dadurch stärker aus deren Fördermaßnahmen herausfallen oder in ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Ein entsprechendes Landesprogramm zur Chancengleichheit, das die Landesbeauftragte für nötig hält, ist jedoch im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen.
Die Landesbeauftragte begrüßt es, dass die Kinderbetreuung in Kindertagesheimen bedarfsgerecht an die Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Eltern angepasst werden soll. Auch die vorgesehene Bereitstellung neuer Plätze für Kinder unter drei Jahren zeigt, dass das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter und Väter ernst genommen wird. Für die Umsetzung dieser Vorhaben muss aber die entsprechende finanzielle Ausstattung des Sozialressorts in der kommenden Legislaturperiode gewährleistet sein. Entsprechende Zusagen fehlen in dem Entwurf der Koalitionsvereinbarung.
Auch die Weiterentwicklung der verlässlichen Grundschule mit einem verbindlichen Schulbesuch von 8 bis 13 Uhr ist ein positives Signal und ein Schritt in Richtung der verbindlichen Ganztagsschule.
Dem hohen Beratungsbedarf für essgestörte Mädchen und junge Frauen wird Rechnung getragen, indem die bestehenden Angebote weiterhin unterstützt werden.
Viele der im Koalitionspapier genannten Aufgaben sind allerdings finanziell nicht abgesichert. Entscheidend wird sein, wie die im Vertragsentwurf vorgesehene fünfprozentige pauschale Kürzung der konsumtiven Haushaltsmittel für 2004 und 2005 verteilt und umgesetzt wird. Die Haushaltsverhandlungen ab September werden beweisen, wie ernst es der Landesregierung mit der Umsetzung dieser Aufgaben ist. Die Auswirkungen der jeweiligen Kürzungen auf Frauen und Mädchen müssen Kriterium für Entscheidungen sein und dürfen die besonderen Lebenslagen von Frauen nicht noch weiter verschlechtern.
„Ich werde die Realisierung der positiven Ansätze des Regierungsprogramms in den nächsten Jahren einfordern und unterstützen. Dafür stehen meine Behörde und meine Person,“ so Ulrike Hauffe. Der im Koalitionspapier formulierten Prüfung, ob neben anderen Ämtern auch die Gleichstellungsstelle in der vorhandenen Struktur bestehen bleibt, sieht sie mit Gelassenheit entgegen. „Unsere Arbeit ist zwar unbequem aber notwendig und erfolgreich. Das bezweifelt die große Koalition auch nicht.“