Neues Angebot der Bremer Volkshochschule erleichtert die Integration in Betrieben
14.09.2017Sich im Alltag auf Deutsch verständigen zu können, ist das eine, am Arbeitsplatz den kommunikativen Herausforderungen gewachsen zu sein, ist etwas völlig anderes. Fachbegriffe müssen verstanden werden, Anweisungen der Vorgesetzten und auch Vorschriften. In einer fremden Sprache mit Kundinnen und Kunden zu telefonieren oder Berichte zu schreiben, ist für viele Zugewanderte nicht einfach. Hier setzt das neue Projekt "Sprachcoaching am Arbeitsplatz" der Bremer Volkshochschule an: Es will Beschäftigte mit nicht-deutscher Muttersprache individuell und direkt am Arbeitsplatz sprachlich unterstützen. So genannte Sprachcoaches kommen in die Betriebe und stärken die zugewanderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genau dort, wo sie es benötigen. Das kostenlose Angebot richtet sich an Unternehmen, die Menschen mit geringen Deutschkenntnissen beschäftigen, und an die Mitarbeitenden selbst.
Sprachcoaching direkt am Arbeitsplatz ist ein Novum
"Sprachcoaching" bedeutet, dass Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache (DaF) Zugewanderte beim Deutschlernen individuell unterstützen. Geschulte Sprachcoaches helfen dem oder der Betroffene in einer 1:1-Situation dabei, seine bzw. ihre persönlichen Kompetenzen zu erkennen und besser zu nutzen. Auch bei Verständigungsschwierigkeiten, die aufgrund kultureller Unterschiede entstehen können, helfen die Sprachcoaches. In einem festgelegten Zeitraum erarbeitet man gemeinsam Strategien für das Lernen. Ziel ist, die kommunikative Handlungsfähigkeit am Arbeitsplatz zu verbessern, damit die Arbeitsprozesse reibungslos ablaufen können. Davon profitieren die Einzelnen ebenso wie das ganze Unternehmen.
Anders als in vergleichbaren Projekten anderer Regionen finden die Bremer Coachings direkt am Arbeitsplatz statt. Projektleiterin Mirjam Steger: "Ich bin davon überzeugt, dass das Sprachcoaching am Arbeitsplatz, eben weil es so individuell zugeschnitten ist auf die jeweilige Person und ihren speziellen Arbeitsbereich, ein sehr effektives Mittel ist, um die Integration von Zugewanderten auf dem Arbeitsmarkt wirklich nach vorne zu bringen."
Kostenlose Coachings während der Pilotphase
Bis zu 15 Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache werden Anfang 2018 zu Sprachcoaches fortgebildet. Sie bekommen verschiedene Methoden und Instrumente an die Hand, die es ihnen ermöglichen, die Lernenden bei der Gestaltung des individuellen Lernweges zu unterstützen. Die Sprachcoaches in spe werden schon während der Fortbildung anfangen zu coachen. "Die Lehrkräfte lernen, bei den Klienten einen Prozess in Gang zu setzen, der diese befähigen soll, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen und den eigenen Lernweg selbstständig weiter zu gestalten. Insofern ist Sprachcoaching Hilfe zur Selbsthilfe", fasst Mirjam Steger zusammen.
Das Konzept des Sprachcoachings und das grundlegende Fortbildungskonzept ist 2013/2014 im Rahmen des Projekts "SPRUNQ" in Bielefeld entstanden. Bis jetzt haben es in Nordrhein-Westfalen rund 600 Zugewanderte genutzt. Die Nachfrage liegt weit über dem Angebot, auch in Hamburg, wo die IQ- Fachstelle für Berufsbezogenes Deutsch mit Trainerinnen und Trainern aus NRW eine ähnliche Fortbildung und Sprachcoachings anbietet. Für das Bremer Coaching am Arbeitsplatz hat die VHS bereits Anfragen erhalten. Mirjam Steger ist zuversichtlich, dass sich das erweiterte Konzept nicht nur in Bremen, sondern überregional etabliert. Bis die DaF-Lehrkräfte ihre Fortbildung abgeschlossen haben, wird die Projektleiterin selbst Sprachcoachings geben.
Das Projekt "Sprachcoaching am Arbeitsplatz" wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert und im Rahmen des IQ Netzwerks Bremen von der RKW Bremen GmbH koordiniert. Es ist befristet bis Dezember 2018. In der Pilotphase sind die Sprachcoachings kostenlos.
Weitere Infos zum Sprachcoaching am Arbeitsplatz unter http://prozesskette-bremen.de/sprachcoaching-am-arbeitsplatz/
Die Bremer Volkshochschule besteht seit 1919. Als städtischer Eigenbetrieb bietet sie auf Grundlage des Bremischen Weiterbildungsgesetzes ein hochwertiges, flächendeckendes und kundenorientiertes Bildungsprogramm für alle Gruppen der Bevölkerung an. 94 Mitarbeiter*innen und ca. 940 Kursleitende aus über 40 Nationen setzen sich an sechs Standorten dafür ein, ungleiche Lebenschancen auszugleichen, neue Perspektiven zu eröffnen und das friedliche Zusammenleben aller Bremerinnen und Bremer zu ermöglichen.
Die Bremer VHS verzeichnet jährlich rund 54.000 Teilnahmen an ca. 4.000 Veranstaltungen aus den Programmbereichen Gesellschaft und Politik, Grundbildung, Sprachen, Deutsch als Fremdsprache, Beruf und IT, Kultur sowie Gesundheit. Direktorin ist seit 2011 Dr. Sabina Schoefer.
2007 bezog die Bremer Volkshochschule das historisch bedeutende Bamberger-Haus in der Faulenstraße. Die Regionalstellen Nord, Ost, Süd und West richten ihr Angebot an den Bedürfnissen in den Quartieren aus. In der VHS am Bahnhof befindet sich das IT-Zentrum. Seit 2017 entsteht in der Plantage 13 zudem ein "VHS-Experimentierlabor". Die Bremer VHS ist Mitglied im Deutschen Volkshochschul-Verband (DVV) und arbeitet aktuell mit mehr als 170 Kooperationspartner*innen in Bremen und Europa zusammen.