Innensenator Ulrich Mäurer hat heute (18. Juni 2018) gemeinsam mit dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen, Dierk Schittkowski, den Verfassungsschutzbericht 2017 vorgestellt.
„Die Bedrohung durch islamistisch motivierte Terroristen oder Einzeltäter hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland noch weiter erhöht. Dies zeigen mehrere Durchsuchungen und Gerichtsverfahren gegen islamistische Terroristen in Deutschland, deren Beschuldigte im Verdacht stehen, entweder terroristische Unterstützungshandlungen begangen zu haben oder gar konkrete Anschläge in Deutschland geplant zu haben“, eröffnete Innensenator Mäurer die diesjährige Pressekonferenz zum Verfassungsschutzbericht 2017. Umso wichtiger sei es, dass es in Bremen im vergangenen Jahr gelungen sei, vier als gefährlich eingestufte Personen in ihre Heimatländer abzuschieben. Mäurer: „Im vergangenen wie auch in diesem Jahr mussten wir im Zusammenhang mit Gefährdern bis zum Bundesverwaltungsgericht bzw. Bundesverfassungsgericht gehen, um diese Personen endlich abschieben zu können. Wir haben diesen sehr mühsamen Weg durch die Instanzen nicht gescheut. Letztlich haben uns die obersten Gerichte aber in unseren Entscheidungen bestätigt. Diese Null-Toleranz-Linie verfolgen wir auch weiterhin. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei der Bundespolizei, die uns tatkräftig unterstützt hat.“
Der Schwerpunkt lag 2017 wieder auf der Beobachtung der salafistischen Szene Bremens. Hier war ein Anstieg auf nunmehr rund 500 Personen zu verzeichnen. Diese Zahl umfasst sowohl den politischen Salafismus, als auch gewaltunterstützende und -befürwortende bis hin zu gewalttätige Personen. Der Anstieg ist mit einer verbesserten Zugangslage in die Szene und dem hohen Hinweisaufkommen durch Dritte zu erklären. Ein Teil dieser Hinweise betraf geflüchtete Personen, weshalb hier in Zukunft die Präventionsanstrengungen verstärkt werden sollen. „Eine besondere Problematik in der Beobachtung liegt darin, dass islamistische Gewalttäter heute oftmals gar nicht mehr religiös lebten oder regelmäßig Moscheen besuchten“, so Dierk Schittkowski.
Im Jahr 2017 waren unter anderem sogenannte Ausreisefälle der vergangenen Jahre in Richtung Syrien und Irak ein Thema, mit dem sich Bremen auseinandersetzen musste. Hierbei spielten unter anderem zuvor ausgereiste Personen eine Rolle, die mit möglichen Kampferfahrungen bzw. -ausbildungen nach Bremen zurückkehren wollen. Aber auch die zu erwartenden zurückkehrenden Frauen und Kinder aus den Jihad-Gebieten bilden einen Themenschwerpunkt. Es ist bekannt, dass nach dem Zusammenbruch des sogenannten IS, sich viele Menschen in den Grenzgebieten aufhalten und nach Deutschland zurückkehren wollen. Diese Entwicklungen waren unter anderem Anstoß für die Einrichtung von KODEX (Kompetenzzentrum Deradikalisierung und Extremismusprävention), um sicherzustellen, dass neben strafprozessualen auch sozialtherapeutische Maßnahmen mit dem Ziel der Deradikalisierung für Rückkehrer zur Verfügung stehen. Das Landesamt für Verfassungsschutz begleitet den Prozess der Einrichtung von KODEX von Anbeginn an sehr intensiv und kann dabei auf seine langjährige Erfahrung und Vernetzung im Themenfeld Islamismusprävention in Bremen zurückgreifen. Es hat aus diesem Grunde alle betroffenen Behörden dahingehend in einem engen Austausch umfassend informiert und bietet weiterhin Unterstützung.
Im Bereich des Ausländerextremismus sorgten die Geschehnisse in der Türkei und Syrien auch in Bremen für ein verstärktes Demonstrationsgeschehen und eine gesteigerte Emotionalisierung der Anhänger der verschiedenen Organisationen. Dies wurde z. B. bei der
Abstimmung zum Referendum am 16. April 2017 über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei deutlich. Unter den Anhängern der PKK und der
PKK-nahen Organisationen wurde das Referendum mit großer Sorge betrachtet. Sie haben – genauso wie die türkischen Organisationen –- Busreisen von Bremen zum türkischen Konsulat in Hannover organisiert, um möglichst viele Anhänger zur „Nein- bzw. Ja-Abstimmung“ zu bewegen. Innensenator Mäurer: „Dank der Arbeit des Verfassungsschutzes und der Polizei blieb Bremen bisher von größeren Ausschreitungen der verschiedenen Lager verschont.“
Der Rechtsextremismus ist ein weiterer Beobachtungsschwerpunkt des Landesamtes für Verfassungsschutz. Wir stellen hier weiterhin strukturelle Änderungen fest: Traditionelle Organisationsstrukturen in Form von Parteien und Vereinen werden durch kleinere und lose Netzwerke abgelöst. Seit einigen Jahren ist zudem eine schwindende Abgrenzung zu nichtextremistischen Teilen der Gesellschaft zu beobachten. „Eine große Gefahr für unsere Gesellschaft besteht darin, dass es Rechtsextremisten zunehmend gelingt, ihre fremdenfeindlichen und speziell islam- oder muslimenfeindlichen Ansichten über soziale Netzwerke in weiten Teilen unserer Gesellschaft zu verbreiten“, warnte Mäurer. Dabei träten sie oft im Gewand von Patrioten auf. Die Grenzen zwischen Rechtspopulismus und rechtsextremistischer Propaganda sind oft fließend und die wahren Absichten der Verfasser nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen und davor zu warnen. Die Bekämpfung der Verbreitung von menschenverachtenden Ansichten und Einstellungen sei jedoch die Aufgabe aller Demokraten und politisch Verantwortlichen. „So entschieden, wie wir gegen einzelne straffällige Ausländer vorgehen, so entschieden treten wir auch denjenigen entgegen, die solche Straftaten für ihre nationalistische und fremdenfeindliche Propaganda missbrauchen.
Die hohe Gewaltbereitschaft von Linksextremisten zeigte sich während des G20-Gipfels im Juli 2017 in Hamburg in besonderer Deutlichkeit. Über mehrere Tage sorgten linksextremistische Autonome für heftige Ausschreitungen und bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Gewalttaten von gewaltorientierten Linksextremisten überlagerten sämtliche friedliche Protestaktionen, weshalb ihre Beobachtung auch im vergangenen Jahr wieder einen weiteren Aufgabenschwerpunkt des Landesamtes für Verfassungsschutz darstellte.
Innensenator Mäurer: Die anhaltende Bedrohungslage durch islamistischen Terrorismus, der erstarkende Ausländerextremismus, ausgelöst durch die Entwicklungen in der Türkei und im Nahen Osten und nicht zuletzt die weiter zunehmende rechtsextremistische Propaganda erfordern personell entsprechend ausgestattete Sicherheitsbehörden. Daher haben wir das Landesamt für Verfassungsschutz personell verstärkt, um angemessen gewappnet zu sein.
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In Bremen gab es im vergangenen Jahr insgesamt 110 Straftaten (2016: 122, 2015: 126, 2014: 142 und 2013: 115) politisch motivierter Kriminalität von rechts, davon 4 Gewalttaten. (2016: 13 2015: 6, 2014: 4 und 2013: 2).
Die politisch motivierte Kriminalität von links zählte in Bremen 126 Straftaten in 2017 (2016: 70, 2015: 88, 2014: 77 und 2013: 116). Darunter waren 11 Gewaltdelikte (2016: 14 2015: 7, 2014: 8 und 2013: 17).
Die politisch motivierte Ausländerkriminalität zählte 23 Straftaten in (2016: 52, 2015: 34, 2014: 44, 2013 16) darunter 1 Gewaltdelikte (2016: 13, 2015: 2, 2014: 9, 2013: 1).
(Nachzulesen im LfV-Bericht Seite 96)
Im Download:
Der Verfassungsschutzbericht 2017 zum PDF-Download (pdf, 2 MB)