Ergänzende Maßnahmen gefordert
03.07.2019In der Stadtgemeinde Bremen sollen zukünftig nur noch 25 Zentimeter hohe Haltestellen für Nahverkehrsbusse und Straßenbahnen gebaut werden. Dies ergibt sich aus den Planungen zur Neugestaltung der ÖPNV-Umsteigeanlage in Bremen-Gröpelingen und zur Umgestaltung des ÖPNV-Knotenpunktes Domsheide sowie aus den Äußerungen des BSAG-Vorstandes Hajo Müller im Weser-Kurier-Artikel „Neue Straßenbahnen verspäten sich“ vom 2. Juni.
Der Bau dieser "niveaugleichen Haltestellen" soll der Herstellung der vollständigen Barrierefreiheit des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Bremen dienen, die nach dem Personenbeförderungsgesetz bis zum 1. Januar 2022 erreicht werden soll. Mit 25 Zentimeter hohen Borden an Bus- und Straßenbahnhaltestellen soll erreicht werden, dass das Niveau zwischen dem Fahrzeugboden und dem Bus- und Straßenbahnsteig gleich ist. Hierdurch soll insbesondere auch für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen das Ein- und Aussteigen in Bus und Straßenbahn wesentlich erleichtert werden.
Die einschlägige Norm, die die Barrierefreiheit des öffentlichen Verkehrsraums regelt, lässt allerdings Spaltbreiten und Höhenunterschiede zwischen Fahrzeug und Bus- und Straßenbahnsteig von bis zu 5 Zentimetern zu. Technisch ist es zur Zeit auch nicht möglich, den Höhenunterschied und die Spaltbreite auf "Null" zu reduzieren. Tests bei der BSAG an einer Modellhaltestelle an einem Mok Up (Modell) der neuen Straßenbahn haben ergeben, dass Personen mit Rollstuhl bei einem "niveaugleichen Einstieg" wegen des verbleibenden Höhenunterschieds und Spalts nicht ohne fremde Hilfe in die Bahn hineingelangen konnten.
In ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 27. Juni 2019 setzen sich der Landesbehindertenbeauftragte und das "Forum Barrierefreies Bremen“ kritisch mit dem "niveaugleichen Einstieg" auseinander.
Bremens Landesbehindertenbeauftragter Dr. Joachim Steinbrück erklärt hierzu: "Ich verkenne nicht, dass der vermeintlich niveaugleiche Einstieg für viele gehbehinderte Fußgänger*innen eine deutliche Verbesserung darstellen würde, wird für sie das Einsteigen doch wesentlich erleichtert. Allerdings zeigen die Tests bei der BSAG, dass sich die Situation in Bremen für Personen mit Rollstuhl deutlich verschlechtern würde, die den ÖPNV bisher selbstständig Nutzen. Wegen des verbleibenden Höhenunterschieds und Spalts besteht für sie die Gefahr, dass sie von Bussen und Straßenbahnen zukünftig ausgeschlossen werden. Dies steht aber im Widerspruch zu der Verpflichtung, vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV herzustellen."
Für das "Forum Barrierefreies Bremen" erklärt Andrea Sabellek: "Wir teilen die Kritik des Landesbehindertenbeauftragten. Nach den Tests bei der BSAG haben wir den Eindruck gewonnen, dass der angeblich niveaugleiche Einstieg für Menschen mit Rollstuhl nur dann funktioniert, wenn die Busse und Straßenbahnen mit einer fahrzeuggebundenen Einstiegshilfe ausgestattet werden. Dies könnte eine elektrische Minirampe oder ähnliches sein, die den verbleibenden Höhenunterschied und Spalt überbrückt. Die Mitglieder des "Forums" sind gern bereit, als Expert*innen in eigener Sache die BSAG und das Verkehrsressort bei der Entwicklung einer entsprechenden Lösung zu unterstützen."
Vor diesem Hintergrund lehnen der Landesbehindertenbeauftragte und das „Forum Barrierefreies Bremen“ den Bau vermeintlich niveaugleicher Bus- und Straßenbahnhaltestellen ab, solange nicht geklärt ist, durch welche ergänzenden Maßnahmen die Teilhabe von Personen mit Rollstuhl am ÖPNV zukünftig sichergestellt werden soll.
Ansprechpartner für diese Meldung:
Kai J. Steuck (Büro des Landesbehindertenbeauftragten)
Tel.: 0421-361-18181