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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

"Rechtliche Betreuung soll möglichst vermieden werden"

Senatorin Stahmann regelt Betreuung neu / Grund: Umsetzung von Bundesrecht

18.10.2022

Die Betreuung von Menschen, die ihre rechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selber regeln können, wird auf neue Füße gestellt. Wie Bremen die neue Gesetzeslage umsetzen wird, hat Sozialsenatorin Anja Stahmann heute (Dienstag, 18. Oktober 2022) dem Senat dargelegt. Mit der erfolgten Zustimmung kann die Senatorin jetzt der Bremischen Bürgerschaft das Landesausführungsgesetz zur Befassung vorlegen.

"Die Novelle hat weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen und verfolgt im Kern zwei Ziele", sagte Senatorin Stahmann: "Wo immer möglich, soll Betreuung künftig vermieden und die Hilfe zur Selbsthilfe gefördert werden. Betreuerinnen und Betreuer vertreten nur noch, wenn die Unterstützung durch Institutionen, beispielsweise Sozialhilfeträger und Beratungsstellen, nicht ausreicht." Das solle die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen stärken, vor allem das Selbstbestimmungsrecht. "Zugleich sollen die fachlichen Anforderungen an die Qualifikation der rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer steigen."

Mit dem Landesausführungsgesetz regelt Bremen die Umsetzung des (auf Bundesebene) neu geschaffenen Betreuungsorganisationsgesetzes, in dem sich die nationale Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention niederschlägt. Landesrechtlich muss dabei eine zuständige "Stammbehörde" festgelegt werden, bei der künftig - beginnend im Januar 2023 - bundesweit alle Berufs-Betreuerinnen und Betreuer registriert sein werden. In Bremen sind dafür die örtliche Betreuungsbehörde im Amt für Soziale Dienste und in Bremerhaven die Sozialbehörde im Magistrat vorgesehen. Außerdem wird landesrechtlich festgelegt, unter welchen Bedingungen Betreuungsvereine anerkannt und finanziert werden.

"Die Finanzierung ist bislang eine freiwillige Leistung der Länder und Kommunen, künftig wird daraus eine Pflichtaufgabe. Die Vereine haben Anspruch auf bedarfsgerechte Finanzierung, die Ausgestaltung ist den Ländern überlassen." Die Vereine sollen einerseits wirtschaftlich arbeiten können, andererseits sollen die Bedarfe des Landes berücksichtigt werden. Bremen finanziert auf dieser Grundlage – wie im laufenden Jahr schon auf freiwilliger Basis – eine Vollzeitstelle pro 100.000 Einwohner. Die insgesamt 6,7 Stellen im Land Bremen verteilen sich auf Bremerhaven, Bremen Nord und Bremen Stadt. "Mit diesen personellen Ressourcen können die Vereine ihrer Querschnittstätigkeit nachkommen", so Senatorin Stahmann, "also ehrenamtlich Betreuende anwerben und beraten oder Informationsveranstaltungen organisieren, etwa zu Vorsorgevollmachten und zu den Formen der rechtlichen Betreuung." Die Vereine sollen ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer – in der Überzahl Familiennagehörige – künftig stärker unterstützen, für Fragen zur Verfügung stehen und Fortbildungen organisieren. Die originäre Betreuertätigkeit wird mit dem Geld nicht finanziert. Die Kosten trägt das Justizressort, wenn der oder die Betreffende selber nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt.

"Erstmals regelt das Bundesgesetz auch Zugangsvoraussetzungen für die Berufsbetreuung", führte Senatorin Stahmann weiter aus. Volljuristinnen und Sozialpädagogen sowie Personen mit dem Hochschul-Abschluss "Soziale Arbeit" werde grundsätzlich die fachliche Qualifikation zugestanden. Personen aus anderen Berufsgruppen müssten bestimmte Fachkenntnisse nachweisen. Dazu gehörten nicht nur Kenntnisse des Sozialrechts sowie der Sozial- und Hilfsstrukturen in der Praxis. "Eine Betreuung muss unter Umständen in sehr sensible Persönlichkeitsbereiche eingreifen", so die Senatorin, "darum muss man beispielsweise auch wissen, wann ärztliche Zwangsmaßnahmen oder eine Zwangsunterbringung rechtlich überhaupt zulässig sind."

Wird ein Antrag auf rechtliche Betreuung beim Familiengericht gestellt, schaltet das Gericht auch weiterhin die örtliche Betreuungsbehörde mit der Bitte um einen Sozialbericht ein. "Die Behörde muss den Unterstützungsbedarf im konkreten Einzelfall ermitteln – aber weil jede Betreuung einen Grundrechteeingriff bedeutet, muss die örtliche Betreuungsbehörde künftig verstärkt prüfen, welche Hilfen unterhalb der Ebene der Betreuung unterstützen kann", führte die Senatorin abschließend aus. So könnten beispielsweise Beratungsstellen hinzugezogen werden – etwa Pflegestützpunkte, Krankenhaus-Sozialdienste, Renten- und Krankenversicherungen. Oftmals könne zudem bereits eine Organisationsassistenz helfen, Behördenangelegenheiten auch ohne rechtliche Betreuung in eigener Verantwortung zu regeln. "Im Sinne einer eigenverantwortlichen Lebensführung soll Betreuung auf diese Weise möglichst vermieden werden."

Ansprechpartner für die Medien:
Dr. Bernd Schneider, Pressesprecher bei der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport, Tel.: (0421) 361-4152, E-Mail: bernd.schneider@soziales.bremen.de