Nach einer längeren Pause aufgrund der Covid-19-Pandemie hat die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz die Veranstaltungsreihe zur Psychiatrie 2.0 unter dem neuen Namen "Forum Seelische Gesundheit" neu aufgelegt. Über die letzten Jahre, zuletzt durch die Betreuungsrechtsreform 2023, wurde vermehrt die Anerkennung des Willens und der Selbstbestimmung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gestärkt und partizipative Unterstützungsformen gefördert.
Am vergangenen Freitag (28. April 2023) trafen sich 90 Fachleute aus ganz Bremen im Bürgerzentrum Neue Vahr, um sich zu über das Spannungsfeld Fürsorge und Selbstbestimmung in der psychiatrischen Versorgung auszutauschen. Dabei wurde in verschiedenen Vorträgen und Statements über die Grenzen und Herausforderungen der richterlichen Entscheidungen und der Tätigkeit von Rechtsbetreuern und --betreuerinnen diskutiert. Neben Juristinnen und Juristen, Psychiaterinnen und Psychiatern und Betreuerinnen und Betreuern kamen in der sogenannten Fishbowl-Diskussion auch Psychiatrieerfahrene zu Wort, um über ihre Erfahrungen – auch mit Zwangsmaßnahmen – zu sprechen. Dabei kam auch immer wieder hervor, wie komplex die Arbeit der Psychiaterinnen und Psychiater aber auch die der Richterinnen und Richter und der Betreuungspersonen ist, die sich tagtäglich mit den Fragen beschäftigen: Was ist das Beste für den Patienten oder die Patientin oder was denken wir kann das Beste sein? Sind wirklich alle Maßnahmen schon vollends ausgeschöpft, die man vor einer Anwendung von Zwang zur Verfügung hat? Wo liegen die Grenzen der Beachtung der Wünsche und des freien Willens einer betroffenen Person? A
All diese Fragen waren Teil der Diskussion am vergangenen Freitag. An der nahmen teil Prof. Dr. Tanja Henking von der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, Annette Loer, Betreuungsrichterin am Amtsgericht Hannover, Peter Winterstein, pensionierter Richter und Mitbegründer des Betreuungsgerichtstags e.V., Susanne Tantzen, Richterin am Amtsgericht Bremen, Prof. Dr. Uwe Gonther vom Ameos Klinikum Bremen und Dr. Martin Zinkler vom Klinikum Bremen-Ost sowie die Soziologin Lina Thee und Jörg Utschakowski, Referatsleiter Psychiatrie und Sucht bei der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Auch das Spannungsfeld zwischen Patientenverfügung und Behandlungsvereinbarung wurde thematisiert.
"Unser oberstes Ziel muss weiterhin die Zwangsvermeidung sein. Das neue Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) stärkt die Rechte der Menschen mit psychischen Erkrankungen und soll so dazu beitragen, Zwang zu vermeiden und die Wünsche der Patientinnen und Patienten zu respektieren. Es ist wichtig, dass wir zu diesen Themen immer wieder ins Gespräch kommen mit Expertinnen und Experten aus Psychiatrie, Rechtsprechung und Betreuung, aber auch mit Betroffenen, die über eigene Erfahrungen mit dem System sprechen. Daher ist es gut, dass wir mit der Neuauflage der Veranstaltungsreihe nun so viele Fachleute zusammenbringen konnten und ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen, die diesen Austausch auf die Beine gestellt haben", sagt Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.
Die Ausgestaltung von Fürsorge ist unter anderem im Betreuungsrecht geregelt, das nun nach 30 Jahren überarbeitet wurde. Ab dem 1. Januar 2023 ist das neue Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft getreten, das unter anderem die Selbstbestimmung von unterstützungsbedürftigen Personen stärkt und die Qualität der rechtlichen Betreuung verbessern soll. Kerngedanke des neuen Betreuungsgesetzes ist das Prinzip "Unterstützen vor Vertreten". Das heißt, Betreuerinnen und Betreuer sollen künftig noch deutlicher als bisher die gesetzliche Vorgabe erhalten, Betreute darin zu unterstützen, ihre Rechte (wieder) selbst geltend zu machen, statt stellvertretende Entscheidungen zu treffen.
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