Senatorin Quante-Brandt: Wir sind auf dem richtigen Weg, haben aber noch eine weite Strecke zurückzulegen
20.03.2013Bremens Senatorin für Bildung und Wissenschaft, Prof. Dr. Eva Quante-Brandt zieht nach 100 Tagen ihrer Amtszeit eine erste Bilanz. „Gute Bildung muss für alle erreichbar sein - Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben aber noch eine weite Strecke zurückzulegen“, sagte die Senatorin heute (20.03.2013) in Bremen. Die ersten drei Monate der Amtszeit waren von zahlreichen Gesprächen mit den Akteuren der Bremer Bildungspolitik geprägt: Gewerkschaft, Personalrat Schulen, Eltern und Lehrkräften. Auf einer Podiumsdiskussion der Handelskammer diskutierte die Senatorin darüber hinaus über Fragen guter Bildungspolitik. Insgesamt, so Eva Quante-Brandt, seien trotz einiger Differenzen in Einzelfragen genügend Übereinstimmungen vorhanden, um gemeinsam das Ziel zu erreichen: Gute Schulen in Bremen. Die Senatorin besuchte Schulen, um sich ein Bild vor Ort zu machen und um mit Schulleitern, Schülern, Eltern und Lehrern zu sprechen. „Was ich dort gesehen und gehört habe, macht mich optimistisch und auch stolz auf die Leistungen der Schulen.“
Gute Bildung für alle
Der erste Schritt ist gemacht. Die Schulreform von 2009 hat die äußeren Strukturen geschaffen. Nach Einigung über die Schulstrukturreform geht es jetzt konkret um die Umsetzung und die inhaltliche Ausgestaltung: Die Qualität des Unterrichts steht im Zentrum. Politik schafft dafür die Bedingungen.
Gerechtigkeit als Basis für erfolgreiche Bildung
Bildungsgerechtigkeit stand und steht im Zentrum der bremischen Bildungspolitik. “Mit der Einführung der Oberschulen sind wir schon ein gutes Stück weitergekommen“, betont die Senatorin. Diese Schulform lege Schülerinnen und Schüler nicht schon frühzeitig auf einen Abschluss fest. Oberschulen geben Schülern mit unterschiedlichen Begabungen die Möglichkeit auf einen möglichst hohen Schulabschluss. Die Schule trage Verantwortung für die aufgenommenen Kinder. Sie blieben nicht sitzen und würden nicht abgeschult. Stattdessen würden sie individuell gefördert.
Durch die bessere individuelle Förderung eröffneten sich Kindern bessere Perspektiven für ihren späteren Berufsweg, so das Fazit der Senatorin.
Qualität stärken - Schule und Unterricht weiterentwickeln
Das Ziel ist klar: Platzierungen in Leistungsvergleichen müssen sichtbar verbessert werden. Politik muss die Richtung vorgeben. Aber die wichtigsten Akteure bleiben Lehrer/innen und Schüler/innen, Schulleitungen und Eltern.
Senatorin Quante-Brandt hob hervor: Viele Schulen seien so attraktiv, dass sie Bewerber abweisen müssten. Andere dagegen müssten sich noch entwickeln. Hier gebe es Handlungsbedarf. Die Behörde wolle die Schulen bei der Entwicklung von Konzepten unterstützen.
Es gebe viele leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, doch ihre Zahl müsse noch deutlich erhöht werden. Dazu sei es notwendig, die Schulen zu stärken. In Fortbildungen wolle man die Schulleitungen professionalisieren, das heißt sie in ihrer Kompetenz als Schulmanager stärken. Ein Teil der Oberschulen müsse attraktiver werden – und dadurch mehr Eltern von sich überzeugen. Um das zu erreichen, müsse die Profilbildung der Oberschulen unterstützt werden.
Grundschulen
Die Offensive Bildungsstandards soll in den Grundschulen etabliert werden.
Darüber hinaus sind Sprachkenntnisse das A und O für eine erfolgreiche Schulkarriere. Sprachförderung muss daher zum integralen Bestandteil des Bildungssystems werden.
- Wir fangen früher an: So werden alle Viereinhalb- bis Fünfjährigen bereits bezüglich ihrer Sprachkompetenz in der Kita getestet, bei Bedarf gefördert und zu Beginn des ersten Schuljahres wieder getestet, um mögliche zusätzliche Förderbedarfe gezielt ansetzen zu können.
- Wir setzen die Förderung fort : Für die Grundschule und in der Sekundarstufe I wurden z.B. Sprachförderberaterinnen und –berater ausgebildet, um für die systematische Verankerung deutscher Sprachkenntnisse in allen Fächern zu sorgen. Die Umsetzung befindet sich noch am Anfang, auf die Testergebnisse konnte sie noch keine Auswirkungen haben.
- Wir überprüfen die Ergebnisse: Neben IGLU, VERA und anderen Studien haben wir ein LRS-Screening und es findet regelmäßig eine systematische Überprüfung der Leseleistungen in den Grundschulen statt. Ein ähnliches Monitoring-System für Mathematik wird in Angriff genommen.
Das Bildungssystem steht auch durch Migrationsprozesse vor aktuellen Herausforderungen. In den vergangenen Monaten wurden bereits durch Nachsteuerung an Ressourcen für Sprachfördermaßnahmen den stark steigenden Zuzügen von Schülerinnen und Schülern ohne Deutschkenntnisse Rechnung getragen. Mit der Ausweitung der Vorkursstandorte an Oberschulen zum Schuljahr 2013/14 werden die Integrationsaufgaben gleichmäßiger verteilt.
Berufliche Bildung
Von entscheidender Bedeutung für den erfolgreichen Start ins Berufsleben ist ein leistungsfähiges und passgenaues Beratungssystem. Das Übergangssystem wird umstrukturiert, die Beratungsstrukturen gestärkt. Dadurch soll ein möglichst unmittelbarer Übergang in die duale Ausbildung stattfinden. Die Schulen werden stärker in die Pflicht genommen, verbindliche Berufsorientierungskonzepte umzusetzen.
Um die Eigenverantwortung zu stärken, wird auch an den allgemeinbildenden Schulen nach dem Vorbild der beruflichen Schulen über die Einführung der Budgetierung nachgedacht und das Gespräch mit den Schulleitungen aufgenommen.
Was macht gute Schule aus?
„Wir wollen uns künftig noch stärker mit gutem Unterricht befassen. Wir wollen die Lehrerinnen und Lehrer darin bestärken, einen anspruchsvollen Unterricht zu gestalten.“, so Senatorin Quante-Brandt.
Die Qualität von Unterricht ist dafür verantwortlich, wie gut Schülerinnen und Schüler lernen können – welche Kompetenzen sie in der Schule erwerben können. Drei Merkmale kennzeichnen guten, qualitätsvollen Unterricht, da ist sich die Schulforschung einig: Die Aufgaben und Arbeitsaufträge müssen variantenreich und anregend sein (kognitive Aktivierung). Die Unterrichtszeit muss für das Lernen gut genutzt werden, mit Störungen des Unterrichts wird angemessen umgegangen (effiziente Klassenführung). Die Unterrichtsatmosphäre muss frei von Kränkungen und unterstützend sein, mit Schülerinnen und Schüler wird respektvoll und geduldig umgegangen (konstruktive Unterstützung)
Die Schulreform unterstützt diese qualitative Weiterentwicklung des Unterrichts, in dem in Teams Unterricht geplant und umgesetzt wird. Dieses führt zu einer anderen Haltung im pädagogischen Prozess.
Entscheidend ist auch die Elternarbeit. Sie gilt es zu stärken, in dem Eltern als Partner/innen der Schulen akzeptiert werden.
Migrantinnen und Migranten stärken: Entwicklungsplan Migration und Bildung
In den nächsten Monaten wird der Entwicklungsplan Migration und Bildung über den Unterausschuss der Deputation für Bildung zum Abschluss gebracht. Nach der politischen Beschlussfassung werden wir eine konzeptionelle Ausrichtung für die interkulturelle Schulentwicklung für die nächsten Jahre haben.
Über das neugeschaffene Kompetenzzentrum Interkulturalität konnten bereits wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Landesinstituts für Schule gesetzt werden.
Dazu gehören:
Auch das Netzwerk für Pädagoginnen und Pädagogen mit Zuwanderungsgeschichte hat sich seit seinem Start in 2012 sehr erfreulich entwickelt und verzeichnet mittlerweile mehr als 100 Mitglieder. Ziel ist, mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund für den Schuldienst und für das Studium zu gewinnen. Im Referendariat soll die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz als Lehrkraft verstärkt aufgenommen werden.
Offener Dialog - Kommunikation mit Interessensgruppen
Die anstehenden Entscheidungen müssen für alle nachvollziehbar sein. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft wird daher das Gespräch mit den Beteiligten suchen.
Es ist ihr wichtig, Probleme zu benennen, gemeinsam Strategien erarbeiten und aus Fehlern zu lernen. Den Schulen sollen zum Beispiel in diesem Jahr die Stundenzuweisungen rechtzeitig übermittelt werden. Bis Anfang Mai sollen sie wissen, wie viele sie erhalten, um planen zu können.
Unter Beteiligung von Eltern, Lehrerverbänden, Schülervertretungen soll bis zum Sommer eine Zuweisungsrichtlinie erarbeitet werden, aus der die Kriterien für die Ressourcenverteilung transparent dargestellt werden. Die Ressourcenverteilung ist für alle Schulen einsehbar. Es wird eine AG eingerichtet, in der Schulleitungen und Behörde über die öffentlich Präsentation der einzelnen Schule entscheiden.
Die Inklusion weiterführen
Die Bildungssenatorin hält an der Inklusion fest. „Wir folgen der UN-Konvention. Inklusion ist ein Menschenrecht. Wir heißen behinderte und nichtbehinderte Menschen in unserer Mitte willkommen. Das Rad wollen wir nicht wieder zurückdrehen. Natürlich wissen wir, dass wir Pioniere sind und unsere Erfahrungen machen. Die Schulen übernehmen eine große Verantwortung. Jetzt müssen wir uns besonders um die Qualität des inklusiven Unterrichts kümmern. Einige Schulen sind schon sehr weit, was die Entwicklung neuer didaktischer Konzepte angeht. Wir befinden uns noch in einem Lernprozess, den wir weiter vorantreiben wollen. Gelingen kann das nur mit Lehrern, Schülern und Eltern gemeinsam. Es ist gut, dass wir diesen Weg gehen. Die Zeiten müssen ein für allemal vorbei sein, in denen lernbehinderte Kinder separiert wurden.“
Hochschule und Wissenschaft
Kurs halten für eine exzellente Wissenschaft in Bremen
Das herausragende Wissenschaftsereignis des letzten Jahres war die Entscheidung in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder im Juni: Die Universität bekam die höchsten Weihen, die derzeit in der Wissenschaftslandschaft zu vergeben sind: Sie wurde eine von bundesweit 11 Exzellenzuniversitäten. Mit dem Zukunftskonzept, dem erfolgreichen Forschungscluster in den Meereswissenschaften und der Graduiertenschule in den Sozialwissenschaften, hat die Universität hohe wissenschaftliche Anerkennung erhalten. An die Spitze zu kommen, das hat die Universität geschafft. Sich dort auch nachhaltig zu etablieren, wird die anspruchsvolle Aufgabe der nächsten Jahre sein.
„Wir werden auch die Unterstützung des Bundes suchen, um unsere erfolgreichen Wissenschaftsschwerpunkte weiter zu entwickeln, so Senatorin Quante-Brandt. „Dabei wollen wir auch neue Wege gehen, zum Beispiel ein gemeinsames Dach zu schaffen von AWI, als Institut der Helmholtz-Gemeinschaft, und MARUM, als Institut der Universität. Über eine finanzielle Unterstützung des Bundes verhandeln wir gerade.“
Aktuelle Vorhaben der Wissenschaftspolitik
In diesem Jahr werden wir den Wissenschaftsplan 2020 auf den Weg bringen. Zu den Chancen und Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Bremen haben wir uns im Vorfeld den Expertenblick von außen eingeholt. Der Wissenschaftsrat wird eine Gesamtbetrachtung des Wissenschaftssystems und der Wissenschaftsschwerpunkte des Landes vornehmen und daraus Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems bis zum Jahr 2020 und darüber hinaus ableiten.
Geprüft werden soll dabei unter anderem, wie viele Studienplätze künftig angemessen sind. Seine Empfehlungen wird der Wissenschaftsrat im Sommer vorlegen.
Die Bereiche Studium und Lehre sind stärker in den Fokus der Hochschulpolitik gerückt. Das Land stellt den Hochschulen seit 2008 jährlich € 7,5 Millionen zur Verbesserung von Studium und Lehre zur Verfügung. Damit soll eine verbesserte Betreuung und Beratung der Studierenden erreicht werden, Abbrecherquoten gesenkt und Absolventenquote erhöht werden. „In der Tat können wir uns freuen, bei der Absolventenquote ist Bremen bundesweit führend. Ich denke, das Geld ist gut angelegt, auch wenn noch viel zu tun ist.“
Aufhebung des Kooperationsverbotes
Natürlich stehen die Hochschulen in Bremen wie auch sonst in Deutschland vor großen Herausforderungen. Wenn ein qualitativ herausragendes Lehrangebot und zugleich gute Rahmenbedingungen für exzellente Forschung bereit gehalten werden sollen, dann wird dies auf Dauer allerdings nicht ohne die verlässliche Unterstützung des Bundes geschehen können. Wir setzen uns deshalb für eine Abschaffung des Kooperationsverbotes ein, so Senatorin Eva Quante-Brandt: "Ich habe in meinem Gespräch mit der Bundesbildungsministerin klare Möglichkeiten für ein mögliches gemeinsames finanzielles Engagement im Wissenschaftsbereich, aber auch im Bereich der Bildungsfinanzierung aufgezeigt." Dazu gehören die solide Ausfinanzierung des Hochschulpaktes und die Beteiligung des Bundes beim Hochschulbau, aber auch Investitionen bei der barrierefreien Ausstattung unserer inklusiver Schulen oder etwa des Ganztags: Der Bund muss sich finanziell engagieren, um etwa durch den Bau von Kantinen, Gemeinschafts- und Freiflächen sowie Arbeitsträumen für Lehrende und Lernende die Schulen zu attraktiven Bildungs- und Aufenthaltsräumen für Kinder und Jugendliche über den gesamten Tag zu machen. Dies kann und darf nicht allein die Aufgabe der Länder sein.