23.08.2005
Beide Länder klagen vor dem Bundesverfassungsgericht -
Beratung und Abstimmung bei gemeinsamer Kabinettsitzung
In der Staatskanzlei in Saarbrücken fand heute (23. August 2005) eine gemeinsame Kabinettsitzung der Bundesländer Bremen und Saarland statt. Im Mittelpunkt stand dabei die Erörterung der anhaltenden unverschuldeten extremen Haushaltsnotlage beider Länder sowie die Möglichkeit einer weiteren gemeinsamen Vorgehensweise, insbesondere vor dem Bundesverfassungsgericht.
Die Bundesländer Bremen und Saarland hatten im bisherigen Sanierungszeitraum von 1994 bis einschließlich 2004 Sanierunghilfen in Form von Bundessonderergänzungszuweisungen erhalten. Beide Länder haben während dieses Zeitraumes sämtliche Sanierungsauflagen in allen Punkten erfüllt und über die elf Jahre hinweg darüber hinausgehende erhebliche eigene Konsolidierungsbeiträge erbracht. Dies zusammen hat zu einer eindeutigen Verbesserung der Finanzsituation der Länder beigetragen, was der Finanzplanungsrat auch mehrfach anerkannt hat.
Die Sanierung der Länder ist voran gekommen, die Beseitigung der strukturellen Unterdeckung – die Lücke zwischen laufenden Ausgaben und laufenden Einnahmen - konnte jedoch in beiden Ländern nicht erreicht werden. Der entscheidende Grund dafür liegt insbesondere in der nachhaltigen Erosion der Einnahmen sämtlicher öffentlicher Haushalte. Ursache dafür ist die seit Jahren anhaltende gesamtwirtschaftliche Entwicklung und ihre negative Auswirkung auf die Steuereinnahmen insgesamt.
Trotz aller eigenen Anstrengungen besteht in Bremen und im Saarland weiterhin unverschuldet eine extreme Haushaltsnotlage. Deshalb besteht im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1992 weiterhin ein Hilfeanspruch der Länder an die bündische Gemeinschaft.
Vor diesem Hintergrund vertreten der Senat der Freien Hansestadt Bremen und die Saarländische Landesregierung auf ihrer Kabinettsitzung am 23. August 2005 folgende gemeinsame Positionen:
Bremen und das Saarland setzen sich gemeinsam dafür ein, dass die Dis-kussion um eine Reform des Föderalismus in Deutschland fortgesetzt wird. Sie erwarten, dass die Frage nach geeigneten Rahmenbedingungen für die Abwehr bzw. die Überwindung extremer Haushaltsnotlagen dabei einbezogen wird. Sie sehen in einer beabsichtigten Entflechtung von Zuständigkeiten, in vergrößerten Kompetenzen für alle Länder in geeigneten Aufgabenbereichen sowie insbesondere in einer stärkeren Ausrichtung der Mischfinanzierungen auf Länder mit besonderen finanziellen Schieflagen geeignete Möglichkeiten zur Unterstützung des Prozesses der Notlagenüberwindung bzw. –vermeidung.
Die hierzu notwendigen Klagen beider Länder werden unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Besonderheiten inhaltlich und verfahrensmäßig abgestimmt und unabhängig von Fortgang und Entscheidung der Berliner Normenkontroll-klage erhoben. Die Saarländische Landesregierung und der Bremer Senat werden beim Bundesverfassungsgericht jeweils die Verbindung beider An-träge zu einem gemeinsamen Verfahren anregen.
Als Prozessvertreter hat der Bremer Senat Prof. Dr. Johannes Hellermann von der Universität Bielefeld bestellt, mit der Vertretung der saarländischen Interessen hat die Landesregierung des Saarlandes Prof. Dr. Rudolf Wendt von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken beauftragt.
„Wir haben in Bremen erfolgreich auf eine aktive Sanierungsstrategie gesetzt und gleichzeitig die mit dem Sanierungskurs verbundenen strikten Sparauflagen sämtlich erfüllt. Gleichzeitig haben wir – wie auch das Saarland - dem Finanzplanungsrat laufend Rechenschaft darüber abgelegt, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht und die eingegangenen Verpflichtungen während des Sanierungszeitraumes sorgfältig eingehalten haben. Dass wir unsere Ziele dennoch nicht abschließend erreichen konnten und heute noch nicht die Früchte unserer harten Sanierungsarbeit ernten können, ist vor allem gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschuldet, auf die ein kleines Bundesland wie Bremen wenig Einfluss nehmen kann. Wir sehen deshalb keine Alternative, als erhobenen Hauptes und mit guten Argumenten erneut vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Wir fühlen uns mit dem Saarland dabei in guter Gemeinschaft. Dass auch das Saarland mit seinem ehrgeizigen Sanierungsprogramm und seinem gleichfalls anerkannt konsequenten Sanierungskurs die gesteckten Ziele bislang nicht abschließend erreichen konnte, ist ein überzeugender Beleg dafür, dass die nach wie vor bestehenden Probleme beider Länder nicht hausgemacht sind. Wir sehen deshalb gute Chancen, dass wir uns in den bevorstehenden schwierigen Diskussionen gegenseitig unterstützen und ergänzen können. Die heutige gemeinsame Kabinettssitzung war dafür ein guter Anfang,“ erklärten der Präsident des Bremer Senats, Bürgermeister Henning Scherf sowie der Senator für Inneres und Sport, Bürgermeister Thomas Röwekamp.
„Wir sind in Bremen fest entschlossen, an unserem Sanierungskurs festzuhalten. Jetzt das Erreichte von zehn Jahren aktiver Sanierungsstrategie zu gefährden, wäre unverantwortlich und aus Sicht von Bund und Ländern nicht sachgerecht. Positive Effekte bei der Entwicklung unserer originären Steuereinnahmen bestätigen die Richtigkeit unseres Vorgehens, aber wir sind noch nicht am Ziel. Dazu haben die insgesamt dramatischen Einnahmeausfälle beigetragen.
Wie bereits in den letzten Jahren müssen wir unsere Ausgaben noch konsequenter an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung anpassen. Wir müssen aber die Standards von öffentlichen Dienstleistungen sichern, die notwendig sind, um unsere Funktion als Stadtstaat, Oberzentrum der Region und bedeutender deutscher Seehafen-Standort zu gewährleisten.
Neben überdurchschnittlichen Eigenanstrengungen ist für die Freie Hansestadt Bremen, genau wie für das Saarland, eine externe finanzielle Unterstützung unverzichtbar.
Im bestehenden Finanzausgleichssystem spiegelt sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bremens leider nur unzureichend wieder. Wir brauchen deshalb Sanierungshilfen, die unsere erdrückende Zinslast reduzieren. Als anerkanntes Haushaltsnotlageland benötigen wir darüber hinaus zusätzliche gesetzliche Handlungsmöglichkeiten für eine noch stärker aktive Sanierung. Als ‚Innovationsregion’ wollen wir unsere positive ökonomische Entwicklung durch eigene Anstrengungen beschleunigen.
Wir wollen, die wirtschaftliche Stärke unserer Region zum Fundament für die Sanierung der Landesfinanzen machen“, erklärte Bremens Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum.
Ministerpräsident Peter Müller:
„Wir sind im Saarland mit der Sanierung der Landesfinanzen gut vorangekommen. Wir haben den Anschluss an andere Länder erreicht, was wichtige finanzwirtschaftliche Kennziffern wie die Zinssteuerquote und die Pro-Kopf-Verschuldung belegen. Nun müssen wir vermeiden, dass wir erneut zurückfallen und um die Früchte unserer Sanierungsanstrengungen gebracht werden. Fest steht: Unsere extreme Haushaltsnotlage ist unverschuldet. Deshalb besteht unser Hilfeanspruch fort. Wir werden möglichst schnell und zügig - mit dem Bremer Senat abgestimmt - in Karlsruhe entsprechende Hilfen einfordern.
Neben einer Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage ist aber auch eine Neuordnung bestimmter Fragen im Bund-Länder-Finanzverhältnis geboten. Das Saarland hat Sonderlasten in der Größenordnung von über 300 Millionen Euro jährlich zu tragen. Das Land muss auch zukünftig in der Lage sein, seinen Aufgaben im Rahmen des Strukturwandels nachkommen zu können. Nur durch Investitionen in die Standortqualität und in die Infrastruktur kann das Saarland künftig seine Abhängigkeit von fremden Finanzhilfen überwinden und aus eigener Kraft lebensfähig sein.“