Podiumsdiskussion mit 120 Teilnehmenden
06.12.2024Unter dem Titel "In guter Verfassung? 75 Jahre Grundgesetz" fanden heute (6. Dezember 2024) die fünften Bremer Gespräche zum Rechtsstaat der Senatorin für Justiz und Verfassung und des Zentrums für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen im Forum am Domshof statt. Rund 120 Teilnehmende waren erschienen, um mit den Gästen Dr. Ronen Steinke von der Süddeutschen Zeitung und Prof. Dr. Alexander Thiele von der Business Law School Berlin zu diskutieren.
Justizsenatorin Dr. Claudia Schilling: "Ich bin der festen Überzeugung: Das Grundgesetz war und ist Aufbruch, Auftrag und Verheißung. Diese 12.500 Worte in 146 Artikeln sind die zunächst so unscheinbare, nur als Provisorium gedachte Antwort auf das Scheitern der ersten deutschen Demokratie. Sie sind die Antwort auf ein moralisch zerrüttetes und materiell zerstörtes Land nach der Barbarei des Nationalsozialismus. Nicht zufällig hält das Grundgesetz dem entgegen: Der Mensch mit seinem gleichsam göttlichen Kern. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Der Einzelne mit seiner unveräußerlichen Wertigkeit steht im Zentrum des Grundgesetzes. Der Staat soll für die Menschen da sein, nicht umgekehrt. Nie wieder."
Wenn man daher nach nunmehr 75 Jahren Grundgesetz frage, ob alles "in guter Verfassung" sei, dann sei dies keine Kleinigkeit, so Senatorin Dr. Schilling und weiter: "Bietet das Grundgesetz auch nach 75 Jahren noch Fundament und Verheißung? Festhalten kann man sicherlich: Auf dem Fundament des Grundgesetzes ist unglaublich viel erreicht worden. Das Grundgesetz hat den Weg bereitet zu einem sozialen Rechtsstaat, um den uns viele beneiden. Und doch mischt sich in den Stolz auf das Erreichte dieser Tage sicherlich auch ein gewisses Unbehagen: Nach der Finanz- und der Staatsschuldenkrise, nach der Migrations- und der Coronakrise, der sich weiter verschärfenden Klimakrise und während eines Krieges mitten in Europa scheinen wir heute an einem Wendepunkt zu stehen. Die sogenannten sozialen Netzwerke scheinen der ideale Nährboden für Hass und Hetze und die populistische Spaltung der Gesellschaft. Wie passt es zur Menschenwürde des Grundgesetzes, wenn wir uns zunehmend unversöhnlich, sogar feindlich gegenüberstehen? Vor welche Herausforderungen stellt uns das Postulat der Menschenwürde, wenn, wie mache sagen, die Herzen zwar offen aber die Ressourcen endlich sein sollen? Rauben die Klimakrise und die Rückkehr des Krieges nach Europa uns nicht Gewissheiten, die uns das Grundgesetz neu gab: Die Gewissheit von Frieden, Freiheit, Sicherheit und Solidarität?"
Senatorin Dr. Schilling weiter: "Für mich steht fest: Wir leben in einer Zeit der Bewährung. Es wäre ganz falsch, den Kopf in den Sand zu stecken oder von einer bequemeren Vergangenheit zu träumen. Falsch ist es nach meiner festen Überzeugung auch, täglich den Untergang unseres Landes zu beschwören. Selbstbehauptung ist die Aufgabe unserer Zeit! Selbstbehauptung beginnt mit dem klaren Blick auf das, was zu tun ist. Wir müssen uns gemeinsam des Fundaments versichern auf dem wir stehen. Es bedarf eines neuen Konsenses, welcher Auftrag und welche Verheißung aus dem Grundgesetz folgt. Klar ist: Behaupten werden wir uns nur als starke Demokratie. Und genau deshalb brauchen wir jetzt Bürgerinnen und Bürger, die dem Gemeinwesen nicht gleichgültig gegenüberstehen."
Dr. Ronen Steinke erklärte: "Nie wird so viel geflunkert und gesäuselt wie auf Beerdigungen und auf runden Geburtstagen. Jetzt ist das Grundgesetz 75 Jahre alt geworden, Gratulation! Aber wir sollten uns hüten, salbungsvoll und unpolitisch nur über das Gute zu sprechen, anstatt auch darüber, was wir uns an Besserem vorstellen können und noch erstreiten sollten."
Genau hierfür gaben die fünften Bremer Gespräche zum Rechtsstaat anlässlich des 75. Geburtstag des Grundgesetzes umfassend Raum. Leidenschaftlich wurde Bilanz gezogen, zugleich und vor allem aber auch der Blick nach vorne gerichtet.
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