Rund 100 Fachleute und Ehrenamtliche sind heute (02.02.) in der Bremer Jugendherberge zusammen gekommen, um die Situation geflüchteter Frauen und Mädchen in Bremen zu erörtern, besondere Bedarfe zu analysieren und weitere Maßnahmen zu empfehlen. Im Fokus standen insbesondere die Bereiche Zugänge zu Arbeit, Gewaltschutz und gesundheitliche Versorgung. Veranstalterin der Fachtagung „Geflüchtete Frauen und Mädchen im Land Bremen: Ankommen. Übergänge. Perspektiven.“ ist die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF). Sie hat im Rahmen des Integrationskonzepts des Landes Bremen die Aufgabe, Strukturen zu schaffen und zu bündeln, die geflüchtete Frauen und Mädchen in Bremen bei ihrem Ankommen unterstützen.
„Frauen und ihre Situation brauchen ein besonderes Augenmerk im Integrationsprozess“, erklärt Sozialsenatorin Anja Stahmann während eines Pressegesprächs am Rande der Fachtagung. „Etwa 30 Prozent der Geflüchteten in Deutschland sind Frauen. Sie kommen im Familienverbund, nur ein kleiner Teil alleine. Frauen und Mädchen erleben Krieg und Vertreibung auf ihre besondere Weise. Sehr, sehr viele haben in ihrem Heimatland oder auf der Flucht Gewalt erfahren. Wir sind in der Pflicht, den Bedarfen von Frauen und Mädchen Raum zu geben und Strukturen zu bieten, in denen sie in Ruhe in ihrer neuen Heimat ankommen können.“ Stahmann verweist auf das Wohnheim für Frauen, das diesen Raum bereits vorhält, sowie auf die in Kürze öffnende Einrichtung mit besonderen therapeutischen Angeboten für traumatisierte Frauen und Mädchen. Auch die drei großen Übergangs-Einrichtungen in Atrium-Bauweise seien auf die Bedarfe von Frauen aus muslimischen Ländern besonders ausgerichtet. „Aber neben diesen wichtigen Einrichtungen braucht es auch in der Fläche Angebote, die Frauen und Mädchen bei der Integration besonders unterstützen. Die heutige Fachtagung ist deshalb mehr als nur fachlicher Austausch: Sie bietet die Plattform für ein Netzwerk der Helfenden, in dem institutionelle wie ehrenamtliche Strukturen und Angebote sich aufeinander einstellen und miteinander abstimmen können“, so die Sozialsenatorin abschließend.
„Geflüchtete Frauen brauchen als erstes eine sichere Unterbringung, die ihnen Schutz und Privatsphäre gibt“, erläutert Behshid Najafi, Beraterin bei agisra, einer Hilfs- und Beratungsstelle für geflüchtete Frauen und Mädchen in Köln. Sie hat bei der Fachtagung von ihren Erfahrungen berichtet. „Frauen müssen ihr Recht auf Gesundheitsversorgung wahrnehmen können, und das bedeutet, dass Dolmetscherinnen zur Verfügung stehen müssen und deren Bezahlung übernommen wird. Gewaltschutz ist in den Einrichtungen oft schwierig, umso wichtiger ist der Zugang zu Schutz- und Beratungseinrichtungen wie Frauenhäusern. Sie brauchen Zugang zu Deutschkursen und zu Ausbildung. Auch religiöse und soziale Aktivitäten sind wichtig, denn vielen geflüchteten Frauen fehlen familiäre Netzwerke.“ Beshid Najafi, selbst vor 30 Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflohen, sieht die Situation von Frauen in vielen Ländern mit Sorge: „Das Patriarchat ist vielerorts wieder auf dem Vormarsch. Strukturen und Rechte, die Frauen lange erkämpft haben, werden zurückgenommen. Deshalb ist es umso wichtiger, den hierher geflohenen Frauen Rechtssicherheit zu bieten: dass sie sicher und eigenständig in Deutschland bleiben und ihr eigenes neues Leben aufbauen können.“
„Oft sind es Frauen, die in Krisen- und Kriegszeiten den Alltag für die Familie meistern. Aber weil sie eher im Hintergrund agieren und zahlenmäßig in der Minderheit sind, werden ihre Bedarfe und ihre Bedeutung bei der Integration oft unterschätzt“, so Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe. „Anders als manche denken mögen, sehen sich viele geflohene Frauen nicht auf die häusliche Sphäre beschränkt, sondern wünschen sich Teilhabe und ein eigenständiges Leben in Deutschland und sind deshalb mit hohem Engagement z. B. bei Deutschkursen dabei. Ich bin froh und dankbar, dass das Bremer Integrationskonzept die Belange von Frauen und Mädchen nach der Flucht ausdrücklich nennt und hier Maßnahmen vorsieht. Es gibt bereits gute Angebote einiger Träger und viele sehr engagierte Menschen, die Frauen und Mädchen in Notunterkünften, Übergangswohnheimen oder beim Übergang in die eigene Wohnung unterstützen. Hier möchten wir Angebote miteinander vernetzen, Hilfe anbieten, Strukturen bündeln oder schaffen, wenn wir Bedarfe erkennen.“
Das ZGF Projekt „Herausforderung Frauen und Flucht“
Die heutige Fachtagung stellt für die ZGF den Auftakt für ihr einjähriges Projekt „Herausforderung Frauen und Flucht – gemeinsam Antworten finden“ dar. Ziel dieses Projekts im Rahmen des Integrationskonzepts „In Bremen zuhause“ ist die Verankerung geschlechtergerechter Integrationsstrukturen sowie das Zusammenbringen und Weiterentwickeln bereits bestehender Strukturen in dem Bereich. Schwerpunkte sind die Bereiche Gewaltschutz, Arbeit und Gesundheit. Das Projekt wird unterstützt durch zwei Mitarbeiterinnen (1,5 Stellen für ein Jahr befristet). Ein Projektbeirat, dem zehn geflüchtete Frauen angehören, wird die Arbeit der ZGF begleiten und dafür sorgen, dass geflüchtete Frauen selbst eine Stimme haben. Zu den geplanten Maßnahmen im Rahmen des Projekts zählen die Unterstützung und Schaffung von Räumen für Frauen und Mädchen in Flüchtlingsunterkünften und in den Stadtteilen, Unterstützung ehrenamtlich Engagierter und Fachleute, z.B. durch Schulungen, Vernetzung oder Übersetzungen sowie die Begleitung der Umsetzung des Gewaltschutzkonzepts in Unterkünften. Im Projektverlauf soll ein Netzwerk aufgebaut werden, um geflüchteten Frauen den Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu erleichtern und sie gezielt zu fördern und zu beraten. Eine Abschlusstagung Anfang 2018 wird Verlauf und Erfolge des Projekts spiegeln und bewerten.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier: http://www.frauen.bremen.de/die_zgf/unsere_themen/frauen_und_flucht-12893