"Es ist wichtig, dass sich unsere Nachwuchskräfte mit der finanziellen Ausbeutung der Juden im NS-Unrechtsstaat und der Rolle der Finanzämter auseinandersetzen", erklärt Finanzstaatsrat Henning Lühr anlässlich der Präsentation der Ergebnisse eines Geschichtsprojekts der Norddeutschen Akademie für Finanzen und Steuerrecht im "Haus des Reichs". Aus Anlass der Ausstellung "Ausplündern und Verwalten – das Finanzamt Bremen stellt sich seiner NS-Vergangenheit" haben Bremer Finanzanwärter und Finanzanwärterinnen sich mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Die Ausstellung steht an einem geschichtsträchtigen Ort - in der NS-Zeit war das "Haus des Reichs" der Sitz des Oberfinanzpräsidenten Weser Ems und der Bremer Finanzämter. Dort residierte auch der Gauleiter und Reichsstatthalter. Finanzstaatsrat Henning Lühr betont: "Dies dunkle Kapitel der Verwaltungsgeschichte ist Bestandteil der Ausbildung angehender Bremer Finanzbeamter. Die aktive Auseinandersetzung mit den historischen und rechtlichen Hintergründen sensibilisiert gegenüber vielfältigen Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung."
27 Finanzanwärterinnen und Finanzanwärter des Jahrganges 2012 legen in diesem Jahr ihre Abschlussprüfung ab. Sie präsentierten in Kurzreferaten und Rollenspielen die Ergebnisse ihres Geschichtsprojektes. Dabei ging es sowohl um steuerrechtliche Regelungen der 1930er Jahre im Unterschied zum heutigen Steuerrecht als auch um persönliche Schicksale Bremer Juden, deren Vermögen nach und nach mit Hilfe der Steuergesetze eingezogen wurde. Am Ende der Verfolgung stand nach der wirtschaftlichen Ausbeutung meist die physische Vernichtung. "Zuerst kam der finanzielle Tod, dann der physische", fasste der Leiter der Norddeutschen Akademie in Bremen, Karlheinz Gerhold, der gemeinsam mit der Dozentin Karin Thomas das Geschichtsprojekt betreut, das Ergebnis der Recherchen der Studierenden zusammen.
Zum Auftakt erläuterten Benjamin Kroek und Franziska Schröder die Auswirkungen der so genannten Judenvermögensabgabe und die Kindervergünstigungen im Einkommensteuergesetz 1939 im Vergleich zur heutigen Gesetzeslage. Die in der NS-Zeit vorgenommene Unterscheidung in "jüdische und arische Kinder" verstößt gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz. Fazit von Franziska
Schröder: "Es ist erschreckend, wie die nationalsozialistische Ideologie sich den Anschein von Rechtsstaatlichkeit gab."
Foto: Pressereferat der Senatorin für Finanzen