Senatorin Stahmann: "Notunterkünfte sind aber keine dauerhafte Lösung"
10.09.2019Mit seinem flexiblen Unterbringungssystem ist Bremen gut gerüstet für die Unterbringung von Obdachlosen auch im Winter. "Obdachlose haben Ansprüche gegenüber dem Sozialstaat, und die setzen wir verlässlich um", sagte Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport heute (10. September 2019). Anlass ist der morgige Tag der Wohnungslosen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. "Mit allem Nachdruck müssen wir Obdachlose dabei unterstützen, einen Weg aus ihrer schwierigen Lebenslage zu finden. Dabei ist eine Unterkunft ein erster, wichtiger Schritt."
Rund 500 bis 600 Obdachlose leben in Bremen. Eine exakte Zahl gibt es nicht, weil die Menschen mobil sind, sich teils nur kurze Zeit in Bremen aufhalten und eine statistische Erfassung nicht möglich ist, da viele die Angebote nicht wahrnehmen. "Auch, wenn es ein breit gefächertes Angebot für wohnungslose Menschen Bremen gibt, erreichen wir mit unseren Angeboten leider aber nicht alle", bedauerte Senatorin Stahmann. "Bei niedrigen Temperaturen im Winter suchen Sozialarbeiter in unserem Auftrag die Obdachlosen an ihren Schlafplätzen auf und werben für unsere Unterkünfte." Nicht jeder wolle aber seinen Schlafplatz unter freiem Himmel aufgeben, auch nicht im Winter. "Wir müssen das respektieren."
Zum Jahresende 2018 hatte die Stadt rund 350 wohnungslose Menschen in ihren Unterkünften untergebracht. Die Zahl ist in den vergangenen fünf Jahren spürbar angestiegen. Zum Jahresende 2014 waren es 270 Menschen.
Das System zur Unterbringung von Obdachlosen ist vielfältig und auf die unterschiedlichen Lebenssituationen Obdachloser ausgerichtet. "Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen", so Senatorin Stahmann, "dass wir mehr Wohnungen für Menschen benötigen, die wenig Geld haben und sich im Geschosswohnungsbau schlecht anpassen können." Notunterkünfte dürften nur eine vorübergehende Lösung auf dem Weg zu einer eigenen Wohnung sein und keine dauerhafte. Damit Menschen eine langfristige Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben entwickeln können, braucht es neben günstigen Wohnungen bei Bedarf auch sozialpädagogische Unterstützung.
In Kooperation mit der Wohnungswirtschaft versucht Bremen, für die verschiedenen Personengruppen den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern. So kann Bremen derzeit 35 Wohnungen nach dem Obdachlosenpolizeirecht (OPR) belegen: Die Stadt ist in diesen Fällen zunächst Mieterin, nach sechs Monaten wird die Belegung – wenn möglich – in ein reguläres Mietverhältnis umgewandelt. Nach Abschluss eines Mietvertrages wird eine neue Wohnung zur Verfügung gestellt. Dabei unterstützen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, sollte es in den Mietverhältnissen zu Schwierigkeiten kommen.
Neben den OPR-Wohnungen verfügt die Stadt über Notunterkünfte für Männer mit insgesamt 70 Plätzen in der Innenstadt, darunter auch eine Notschlafstelle, die, anders als alle anderen Unterkünfte, nur für den nächtlichen Aufenthalt zur Verfügung steht. Weitere 60 Unterbringungsplätze stehen in Hemelingen und 40 in Tenever zur Verfügung. Darüber hinaus hält Bremen Plätze in sechs regelhaft belegten Schlichthotels vor und kooperiert für den Bedarfsfall mit 16 weiteren Hotels, Pensionen und Privatzimmervermietungen.
Daneben existieren Gemeinschaftsunterkünfte für drogenabhängige Obdachlose mit mehr als 50 Plätzen und für Obdachlose mit psychischen Erkrankungen aber ohne Krankheitseinsicht; Bremen hält eine Familienunterkunft mit über 40 Plätzen vor und die Notunterkunft nur für Frauen mit knapp 20 Plätzen. "Vor allem die Kooperation mit den Schlichthotels und Pensionen ist es, die unser Unterbringungssystem so flexibel macht, dass wir dem jeweiligen Bedarf an Schlafplätzen entsprechen können", sagte Sozialsenatorin Stahmann. "Auch im Winter."
Auch für den Aufenthalt am Tage gibt es Anlaufstellen, darunter das Café Papagei, das Frauenzimmer und der Bremer Treff. Das Angebot umfasst Beratung, kostengünstiges Essen, kostenlose Duschen und Kleiderkammern.
An drei Orten in Bremen stellen zudem ehrenamtlich tätige Ärztinnen und Ärzte medizinische Leistungen für Obdachlose kostenlos zur Verfügung. Die Suppenengel und mehrere Kirchengemeinden unterstützen Obdachlose darüber hinaus in unterschiedlicher Form.
Nicht zuletzt hat die Bremer Straßenbahn AG in den vergangenen Jahren im Winter ihre Linienfahrzeuge zum Aufwärmen und einen ausgedienten Bus auf der Bürgerweide zur Verfügung gestellt.
Senatorin Stahmann betont zudem, dass die Einrichtungen der Stadt Bremen schon im Vorfeld eines drohenden Wohnungsverlustes aktiv seien. "Die Zentrale Fachstelle Wohnen hilft, Wohnungslosigkeit zu vermeiden", sagte Senatorin Stahmann. "Denn oft lässt sich der Wohnungsverlust noch in einer Vereinbarung mit dem Vermieter oder mit Unterstützung des Amts für Soziale Dienste abwenden. Ich werbe daher dafür, die Expertinnen und Experten aufzusuchen, bevor die Räumungsklage ins Haus flattert. Selbst am Tag der angesetzten Zwangsräumung kann eine Wohnung noch gerettet werden."
Ansprechpartner für die Medien:
Dr. Bernd Schneider, Pressesprecher bei der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport, Tel.: (0421) 361-4152, E-Mail: bernd.schneider@soziales.bremen.de