Seit drei Wochen ist Wesernetz mit Arbeiten an der Trinkwasserleitung an der Ecke Obernstraße / Unser Liebfrauen Kirchhof beschäftigt. Ein Schieberkreuz muss erneuert werden. Derzeit blickt man hier in ein circa neun Quadratmeter großes Loch mit einem Wirrwarr aus Rohren, Stromkabeln und Gasleitungen.
Die Lage mitten im Zentrum der Altstadt ist für die Landesarchäologie immer ein Anlass, trotz der immensen Bewegungen im Erdreich, solche Arbeiten zu begleiten.
"Und tatsächlich konnten wir einige bedeutende Entdeckungen in dem Grabungsbereich machen, die sich unter den großen Rohren verbargen. Die dortigen Funde führen in die früheste Zeit der Hansestadt Bremen zurück. In fast zwei Metern Tiefe wurde zum Beispiel eine Siedlungsschicht mit Spuren eines großen Brandes entdeckt. Neben Resten einfacher einheimischer Tonware fanden sich aber auch Scherben importierter Tongefäße aus dem Rheinland oder Frankreich", erläutert Dr. Dieter Bischop. Er ist bei der Landesarchäologie für den gesamten Bereich der historischen Innenstadt zuständig.
Überraschend sei jedoch in noch größerer Tiefe der Fund von menschlichen Überresten am südlichsten Rand des Liebfrauenkirchhofes. Auf ihm wurde bis ungefähr bis ins Jahr 1810 bestattet. "So nah an der Obernstraße waren Gräber eigentlich nicht zu erwarten, zumal die Reste zu den ältesten Bestattungen des Friedhofs gehören könnten. Frühmittelalterliche Bestattungen waren nämlich bereits 1985 bei archäologischen Grabungen im sogenannten Beinkeller in der Liebfrauenkirche selbst entdeckt worden", so Bischop.
Freigelegt werden konnten laut Landesarchäologie unter dem Rohrsystem in etwa 2,5 Metern Tiefe zwei nahezu ungestörte Bestattungen, die allerdings durch die jahrhundertelange Lagerung im Boden bereits stark verwittert waren. Beide waren mit Blickrichtung nach Osten bestattet, wo nach christlichem Glauben, am Jüngsten Tag der Erlöser erscheint und die Toten wieder zum Leben erweckt. Bei einer der Bestattungen dürfte es sich nach dem ersten Eindruck der Anthropologin Swantje Grohmann um ein männliches, robustes Individuum gehandelt haben. Einzelne Knochenfunde innerhalb des Schachtes gehörten zu mindestens zehn weiteren, ehemals höher gelegenen Bestattungen, die durch das dichte Geflecht von eingegrabenen Rohren und Leitungen mit der Zeit verlagert worden sind.
Besonders erfreulich für die Archäologen waren die Funde einer bronzenen Scheibenfibel, die als Gewandspange gedient hatte, und einer grünen Glasperle. Auch wenn sie keinem Grab zuzuordnen sind, könnten sie Beigaben dieser frühen christlichen Bestattungen gewesen sein.
Die Funde der nun abgeschlossenen Ausgrabung werden jetzt in der Landesarchäologie restauriert und wissenschaftlich ausgewertet. Das gegrabene "Loch in die Vergangenheit" selbst wird nächste Woche wieder verschlossen und durch das Pflaster wieder versiegelt werden.
Hinweis:
Auskunft über die Funde gibt in der Landesarchäologie Bremen Dr. Dieter Bischop unter mobil 0151-75069960 oder per Mail unter dieter.bischop@landesarchaeologie.bremen.de.
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