Gemeinsame Pressemitteilung der Senatorin für Kinder und Bildung und der Arbeitnehmerkammer Bremen:
Nur etwa drei Prozent der Beschäftigten im Land Bremen nehmen ihr Recht auf Bildungsurlaub wahr. Die rot-grüne Regierungskoalition hat sich das Ziel gesetzt, die Teilnahme am Bildungsurlaub zu erhöhen. Eine aktuelle Studie eines Kooperationsprojekts der Universitäten Hannover und Bremen, der Arbeitnehmerkammer sowie der Bildungssenatorin stellt die Praxis des Bildungsurlaubs umfassend dar und belegt den vielschichtigen persönlichen und beruflichen Nutzen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für die Studie wurden 560 Bildungsurlaubsteilnehmerinnen und -teilnehmer befragt.
Wo werden politische Ziele in der Praxis des Bildungsurlaubs bereits realisiert? Die Analysen zeigen, dass im Bildungsurlaub viele Beschäftigte erreicht werden, die sonst kaum von Weiterbildung profitieren. Im Bildungsurlaub sind 30 Prozent der Teilnehmenden Arbeiter, in der sonstigen Weiterbildung sind es lediglich 7 Prozent. Insbesondere für Schichtarbeiter ist der Bildungsurlaub oft die einzige Möglichkeit Weiterbildungsangebote wahrzunehmen. Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, Ingo Schierenbeck, betont: "Durch flexibilisierte Arbeitszeiten ist der reguläre Arbeitstag nicht nur in der Industrie, sondern auch im Dienstleistungsbereich nicht mehr die Regel. Allein in Bremens großen Industriebetrieben arbeiten mehrere zehntausend Menschen ständig in Wechselschichten. Für sie ist der inhaltliche und soziale Austausch im Bildungsurlaub ein hohes Gut."
Die Befragungen von Betriebsräten und Teilnehmenden zeigen allerdings, dass die Freistellung vornehmlich ein Privileg für Stammbelegschaften aus gewerkschaftlich gut organisierten Großbetrieben ist. Die Akzeptanz für Bildungsurlaub ist in den meisten Betrieben niedrig. Das sollte sich in Zukunft ändern. "Die Unternehmen müssen wir dafür gewinnen, dass die Freistellung für Bildungsurlaub kein gesetzlich erzwungenes Übel ist, sondern Teil einer modernen Unternehmenskultur, die die Kreativität und Innovationsfreudigkeit der Beschäftigten stärkt", sagt die neue Senatorin für Bildung, Claudia Bogedan. Ingo Schierenbeck ergänzt: "Gleichzeitig wollen wir Betriebs- und Personalräte ermutigen, sich für ein bildungsurlaubsfreundliches Klima im Betrieb einzusetzen. Denn Weiterbildung kann das Verständnis für unterschiedliche Kulturen und Interessen von Menschen verbessern und damit die Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit am Arbeitsplatz schaffen."
Die Befragung von Teilnehmenden durch die Universität Hannover macht die Vielfalt von beruflichen und persönlichen Lerninteressen sichtbar. Im gesamten Programmangebot dominiert inzwischen die berufliche Bildung. Berufliche Themen ragen auch in den Bereich der allgemeinen Bildung hinein, wenn es um Themen wie Kommunikation, Stressbewältigung und Gesundheitsförderung geht. "Ein allgemeinbildendes Thema kann auch beruflich relevant sein. Das ist insbesondere bei dem sehr großen Angebot zur Entwicklung von Schlüsselkompetenzen der Fall.", kommentiert Bildungssenatorin Claudia Bogedan.
Für die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen durch einen Bildungsurlaub zeigt sich auch die Arbeitgeberseite offen. So wird im schriftlichen Kommentar der Handelskammer Bremen zu den Ergebnissen der Studie eine Situation beschrieben, von der beide Seiten profitieren. "Idealerweise erfahren Teilnehmende durch die Weiterbildung einen Kompetenzzuwachs, von dem sie persönlich und/oder beruflich profitieren können. Gleichzeitig kann von diesem Kompetenzzuwachs auch das Unternehmen profitieren, und zwar nicht nur von höherer Fachkompetenz, sondern auch von höherer Sozial-, Personal- und Methodenkompetenz."
Die seit 2010 nach dem Bremischen Bildungsurlaubsgesetz zugelassenen kürzeren Formate von ein bis drei Tagen Dauer bieten sogar noch mehr Flexibilität insbesondere für Beschäftigte, die zeitlich stark eingebunden sind. Vor allem bei kleineren Betrieben sollten diese neuen Möglichkeiten verstärkt publik gemacht werden. Wichtig ist jedoch, das fünftägige Format für intensive Lernprozesse zu erhalten. Gerade in Zeiten der Arbeits- und Leistungsverdichtung ist die Bildungswoche, insbesondere in der politischen Bildung, beim Sprachenlernen oder in der Gesundheitsbildung, unerlässlich.
Steffi Robak, Professorin für Erwachsenenbildung der Universität Hannover, steht als Leiterin der Studie für Rückfragen und Interviews zur Verfügung. Die Studie ist Anfang August unter dem Titel "Bildungsurlaub – Programm, Planung und Partizipation." im Verlag Peter Lang erschienen.
Am Donnerstag, dem 10. September 2015 findet ab 10 Uhr im Handwerkssaal der Handwerkskammer Bremen ein öffentliches Fachgespräch zu den Ergebnissen der Studie statt. Sozialpartner und bildungspolitische Akteure erörtern die Frage, wie im Land Bremen die Beteiligung an Bildungsurlaub erhöht werden kann. Die Senatorin für Kinder und Bildung, Dr. Claudia Bogedan, eröffnet die Veranstaltung.