Bündnis unterzeichnet Vereinbarung im Rathaus
08.10.2012Auf dem Arbeitsmarkt wächst die Nachfrage nach Pflegefachkräften, und offene Stellen im Gesundheitssektor lassen sich zunehmend schwerer besetzen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen zu. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet bis zum Jahr 2030 mit einem zusätzlichen Bedarf von rund 140.000 Pflegefachkräften in der Altenpflege bundesweit. Für Bremen ergibt sich daraus ein rechnerischer Bedarf von über 1.300 zusätzlichen Fachkräften. Vor diesem Hintergrund haben sich ein gutes Dutzend Partner zur „Bremer Pflege-Initiative gegen den Fachkräftemangel“ zusammengeschlossen. Im Kaminsaal des Rathauses haben sie heute (8. Oktober 2012) feierlich eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der sie dem Mangel entgegenwirken wollen. Vereinbart wurde ein Paket an Maßnahmen – von der Werbung um Auszubildende über die Steigerung der Ausbildungszahlen bis zur erleichterten Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Erstmals soll mit der Vereinbarung auch die Ausbildung bei ambulanten Pflegediensten möglich werden.
Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, sagte anlässlich der Unterzeichnung: „Wir müssen genügend Menschen für den Beruf gewinnen und qualitativ hochwertig ausbilden, wenn wir dem Fachkräftemangel in der Pflege begegnen wollen.“ Das sei nur in enger Zusammenarbeit des Sozialressorts mit Altenpflegeschulen, Ausbildungsbetrieben, Jobcentern und der Agentur für Arbeit möglich. „Wir können dabei nur Erfolg haben, wenn alle Partner koordiniert und gemeinsam ihren Beitrag leisten, dass die Bedingungen für die Pflegenden und ihre Ausbildung verbessert werden.“
Im Jahr 2012 hat das Sozialressort die Finanzmittel für 15 zusätzliche Ausbildungsplätze in der Altenpflege zur Verfügung gestellt. Bereits ein Jahr zuvor wurden acht zusätzliche Ausbildungsplätze finanziert. „Das ist eine Steigerung um 46 Prozent - und erste wichtige Beiträge Bremens gegen den Fachkräftemangel“, so Anja Stahmann. Im Rahmen der Pflege-Initiative soll die Zahl der Erstausbildungsplätze nun stufenweise noch weiter aufgestockt werden.
Renate Jürgens-Pieper, Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit, begrüßt sehr, dass sich die wichtigsten Akteure im Bereich der Pflege zu der Bremer Pflege-Initiative zusammenfinden. „Es gilt die Zukunft aktiv zu gestalten, weil die Herausforderungen groß sein werden“, sagte sie. „Die Prognosen über die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft sind eindeutig und machen klar, dass eine bedarfsgerechte pflegerische Versorgung zentrale Herausforderung der Zukunft sein wird.“ Der Gesundheits- und Krankenpflege werde in der zukünftigen gesundheitlichen Versorgung eine wichtige Rolle zukommen. Bei den Krankenhäusern im Land Bremen sei derzeit noch kein durchgängiger akuter Fachkräftemangel festzustellen, bei hochqualifizierten Pflegekräften sei jedoch bereits jetzt der Arbeitsmarkt sehr angespannt: „Dieser Mangel an hochqualifizierten Pflegekräften macht Anstrengungen zur Höherqualifizierung von Pflegekräften und zur Verbesserung der Durchlässigkeit zu höheren Qualifikationen nötig“, sagte die Senatorin.
Landespfarrer Michael Schmidt, Vorsitzender des Landespflegeausschusses, betonte: „Damit es uns aber gelingt, junge Menschen für pflegerische Berufe zu gewinnen und auch ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Arbeitsfeld zu halten, müssen wir über die Pflege-Initiative hinaus auch das gesellschaftliche Image und die Refinanzierungsmöglichkeiten – besonders in der Altenpflege – verbessern.“ Pflegerische Leistungen, ambulante wie stationäre, seien „immer eine Dienstleistung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen wie Krankheit oder Alter“. Schmidt weiter: „Das geht nicht als Sparmodell oder zu Discountpreisen. Welchen Wert wir diesen Tätigkeiten beimessen, kann man auch daran ablesen, was sie uns wert sind.“
Die Partner der Bremer Pflege-Initiative sind neben den Senatorinnen für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen sowie für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit auch der Magistrat der Stadt Bremerhaven, die Agentur für Arbeit sowie die Jobcenter Bremen und Bremerhaven, die Altenpflegeschulen im Land Bremen, die Arbeitnehmerkammer Bremen, der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Landesgruppe Bremen, die Krankenhausgesellschaft der Freien Hansestadt Bremen e.V., die Krankenpflegeschulen im Land Bremen, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen e.V. und die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen e.V. Nicht zu den Unterzeichnern der Vereinbarung gehören die Kranken- und Pflegekassen, die aus rechtlichen Gründen nicht beitreten konnten. Sie wollen aber weiter in den Prozess einbezogen bleiben. Die Universität und die Hochschule Bremen sowie der Bremer Pflegerat und der Landesfachbeirat Pflege sind aus politischen Gründen nicht beigetreten. Sie protestieren gegen eine Entscheidung der Bürgerschaft, die es abgelehnt hatte, die Einrichtung einer Pflegekammer als Instrument der Selbstverwaltung der Pflegenden prüfen zu lassen. „Ich bedauere sehr, dass der politische Streit dazu geführt hat, dass diese wichtigen Partner die Pflege-Initiative gegen den Fachkräftemangel derzeit nicht mittragen können“, sagte Anja Stahmann. „Ich lade sie aber herzlich ein, sich an der fachlichen Arbeit der Pflege-Initiative zu beteiligen.“
Die heute unterzeichnete Vereinbarung fasst die gemeinsamen Ziele und Maßnahmen zusammen und legt die Rollen und Aufgaben der einzelnen Akteure fest. Alle Partner haben ihre Vorschläge eingebracht. In Abstimmung mit dem Bremer Senat hat die Arbeitnehmerkammer beim Institut für Arbeit und Wirtschaft (iaw) eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie soll die Situation der Pflegekräfte und des Fachkräftemangels sowie die Personal- und Qualifizierungsbedarfe im Land Bremen analysieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Auch diese Untersuchung ist Teil der verabredeten Maßnahmen der Pflegeinitiative.
Der Wortlauf der Vereinbarung findet sich hier...
Stimmen der Beteiligten:
Klaus Rosche, Magistrat der Stadt Bremerhaven:
„Pflege ist ein sehr wichtiges Thema, das uns in der Zukunft mehr denn je beschäftigen wird. Es ist ein Thema, das jeden auch unvorbereitet und plötzlich betreffen kann, sei es als Angehöriger oder als Betroffener. Aus diesen Gründen sind gut ausgebildete und motivierte Pflegekräfte eine wesentliche Voraussetzung für die optimale Pflege. Für die Motivation und das Interesse an den Pflegeberufen sind auch die Arbeitsbedingungen und eine leistungsgerechte Bezahlung entscheidend. Ich freue mich, dass im Land Bremen die Rahmenvereinbarung zwischen diesen vielen Beteiligten nun zustande kommt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass in Bremerhaven weiterhin mit verstärkter Aufmerksamkeit die Pflegeausbildung unterstützt wird. Unser ‚Zukunftstag Pflege’ im April war dazu ein Auftakt, der die Behörden, Verbände und Einrichtungen besser miteinander vernetzt hat.“
Uwe Zimmer, Krankenhausgesellschaft der Freien Hansestadt Bremen e.V.:
„Der aufkommende Fachkräftemangel in den Pflegeberufen zwingt alle Beteiligten im Gesundheitswesen, ihre Handlungsmöglichkeiten auch regional auszuschöpfen. Die Vernetzung der Beteiligten im Rahmen der Pflegeinitiative im Land Bremen bietet dazu eine wichtige Plattform. Für die Pflegenden in den Krankenhäusern ist darüber hinaus eine nachhaltige Finanzierung der tarifbedingten Mehrkosten eine unverzichtbare Voraussetzung.“
Ralf Holz, Vorsitzender der Landesgruppe Bremen/Bremerhaven des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa):
„Der Fachkräftemangel in der Pflege ist eines der dringendsten Probleme, die bearbeitet werden müssen. Von der Bremer Pflegeinitiative erwarten wir auf Grund der vereinbarten Handlungsempfehlungen und geplanten Maßnahmen positive Effekte zur dauerhaften Sicherstellung der ambulanten und stationären Versorgung für das Land Bremen. Der bpa Bremen/Bremerhaven unterstützt die Offensive zum Beispiel durch eine schon in anderen Bundesländern erprobte Imagekampagne in Schulen. Ein wachsender Bedarf an Fachkräften bedeutet auch einen kontinuierlichen Anstieg der landesgeförderten Schulplätze für eine Ausbildung in der Altenpflege. Wir rechnen fest mit einer weiteren Aufstockung. Nach der Unterzeichnung der Pflege-Initiative müssen jetzt zeitnah die geplanten Aktivitäten umgesetzt werden.“
Sylvia Gerking, Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen e.V. (LAG FW):
„Die LAG FW erwartet, dass die in der Pflege-Initiative angekündigten Maßnahmen jetzt zügig konkretisiert und umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang muss vor allem das Missverhältnis von beruflichen Anforderungen beziehungsweise der Arbeitsbedingungen und faktischen Verdienstmöglichkeiten im Rahmen des Maßnahmekataloges präzisiert werden. Konkret muss mit allen Kostenträgern gegen die unzureichende Höhe der Vergütungen und Entgelte im Bereich Pflege eingetreten werden. Nur so können wir die Versorgungssituation der älteren und pflegebedürftigen Bremer/Bremerhavener Bürgerinnen und Bürger nachhaltig sichern und die Attraktivität der Pflegeberufe steigern.“
Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen:
„Fast jede/r zehnte Beschäftigte im Land Bremen arbeitet in der Gesundheitswirtschaft, ein Großteil davon in der Pflege. Und mit der demografischen Entwicklung wird dieser Bereich weiter wachsen. Doch ,gute Pflege' braucht gute Arbeitsbedingungen, nur so wird der Pflegeberuf für junge Menschen attraktiv. Dazu gehört eine angemessene Entlohnung. Gesundheitsförderung und Prävention müssen in der Ausbildung und in der täglichen Arbeitspraxis besser berücksichtigt werden, damit die Beschäftigten ihren Beruf lange ausüben können. Aber auch die Ausbildungsreformen der Pflegeberufe und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehören dazu. ‚Gute Pflege‘ ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir begrüßen es deshalb, wenn sich in der Bremer Pflege-Initiative ein breites Bündnis gemeinsam diesen Herausforderungen stellt.“
Dr. Götz von Einem, Agentur für Arbeit Bremen - Bremerhaven:
„Die Agentur für Arbeit Bremen - Bremerhaven wird, wie die beiden geteilten Stadtagenturen in der Vergangenheit, weiterhin vertrauensvoll und verlässlich mit dem Land Bremen, den Pflegeeinrichtungen und Pflegeschulen zusammenarbeiten. Unser gemeinsames Ziel sind die qualifizierte und quantitativ ausreichende Besetzung aller offenen Stellen und die Förderung zur Qualifizierung der notwendigen Fachkräfte mit allen notwendigen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten. Beratung, Qualifizierung und Vermittlung sind unsere Stärken. Die werden wir für alle gewinnbringend einsetzen."
Friedrich-Wilhelm Gruhl, Jobcenter Bremerhaven
„Die Deckung der akuten Fachkräftebedarfe in Erziehungs- und Pflegeberufen haben für das Jobcenter Bremerhaven höchsten Stellenwert, ermöglichen sie doch den Menschen im Bezug von Arbeitslosengeld II eine dauerhafte Integration auf dem Arbeitsmarkt in einer höchst sinnhaften und gesellschaftlich wichtigen Tätigkeit. Seit Beginn des SGB II haben wir jährlich Fördermaßnahmen in beachtlichen Umfang für entsprechende Umschulungen und Aufqualifizierungen realisiert. Begrenzt werden unsere Anstrengungen natürlich durch das Förderrecht und die Rahmenbedingungen der Branche. Allen Arbeitsuchenden, die vom Jobcenter Bremerhaven betreut werden, kann ich bei gegebener Eignung und Vorliegen der individuellen Fördervoraussetzungen versichern, dass Ihnen auch künftig entsprechende Qualifizierungsangebote angeboten werden."
Andreas Hoops, Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen e.V. (LAGS):
„Die Sicherstellung der Pflege stellt eine der wesentlichen Herausforderungen der Zukunft dar. Die Pflegeberufe erhalten aber bis heute nicht die Wertschätzung, die ihnen zusteht. Eine an den Bedarfen und Bedürfnissen ausgerichtete individuelle Pflege, die unter anderem auch die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt, und einen hohen Qualitätsanspruch erfüllt, benötigt sowohl eine angemessene Vergütung für engagierte Mitarbeiter in der Pflege als auch die diesem Beruf zustehende gesellschaftliche Anerkennung. Wir, die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen e.V., unterstützen die Bremer Pflegeinitiative gegen den Fachkräftemangel nachdrücklich.“
Dagmar Gattow, Jobcenter Bremen:
„Das Jobcenter unterstützt die Pflegeinitiative nach Kräften, da sich hier insbesondere für Menschen auch mit längerer Arbeitslosigkeit gute Perspektiven für einen Einstieg ins Berufsleben ergeben. Durch den demografischen Wandel sind wir alle gefordert, das Thema 'Pflege' weiter zu forcieren und denen eine Chance zu bieten, die sich wirklich darum bemühen. Eine gelungene Auswahl der Umschüler und Umschülerinnen bietet den Arbeitslosen die Sicherheit, den richtigen Weg einzuschlagen, und den Betrieben die Sicherheit, geeignete Auszubildende zu bekommen. Die Jobcenter Bremen und Bremerhaven prüfen daher in Abstimmung mit den Pflegeschulen die Einrichtung eines regional angelegten Assessments für Bewerber und Bewerberinnen in Pflegeberufen.“
Dr. Angela Sallermann, Schulverbund der Altenpflegeschulen in Bremen und Bremerhaven:
„Der Schulverbund der Altenpflegeschulen in Bremen und Bremerhaven wirkt schon seit Jahren an der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und bedarfsgerechten Pflege in Bremen mit. Mit Besorgnis nehmen die im Schulverbund zusammengeschlossenen Altenpflegeschulen den drohenden Fachkräftemangel und den zu erwartenden Rückgang geeigneter Bewerber in der Pflege zur Kenntnis. Diese Entwicklung erfordert ein entschlossenes und abgestimmtes Handeln aller Akteure im Gesundheits-/Pflegebereich. Der Schulverbund begrüßt deshalb die Pflegeinitiative. Sie wird als Chance gesehen, die verschiedenen Akteure und Aktivitäten in Bremen zu bündeln, gemeinsame Strategien gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln und wirkungsvoll umzusetzen. Der Schulverbund ist bereit, seinen Beitrag hierzu zu leisten und sich aktiv einzubringen.“
Foto: Pressereferat, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen