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Gemeinsame Presseerklärung

Bremer Senat beschließt neues Verfahren zur Beweismittelsicherung bei mutmaßlichen Drogenhändlern

24.01.2005

Freiwilliger Brechmitteleinsatz wird beibehalten - Land Bremen setzt Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität konsequent fort

Der Senator für Justiz und Verfassung und Der Senator für Inneres und Sport teilen mit:


In seiner heutigen (24.01.05) Sitzung hat sich der Bremer Senat mit dem sog. Brechmitteleinsatz bei Drogenhändlern befasst und auf Vorschlag des Senators für Justiz und Verfassung, Bürgermeister Henning Scherf, und des Senators für Inneres und Sport, Thomas Röwekamp, nachfolgend zitierten Beschluß gefasst: „Der Senat stellt fest, dass auch in Zukunft zur Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität die Sicherung von Beweismitteln durch Exkorporationen unverzichtbar ist.

Diese soll auch in Zukunft in der Regel durch die freiwillige Einnahme von Brechmitteln erfolgen. Widersetzt sich der Betroffene diesem Verfahren, soll eine Haft bzw. Unterbringung mit dem Ziel der Beweissicherung erfolgen. Die Geeignetheit und Wirksamkeit der beschriebenen Maßnahme wird nach einem halben Jahr vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Polizei und Staatsanwaltschaft und auch unter Berücksichtigung der möglichen Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zu den Umständen des tragischen Vorfalls vom 27.12.2004 bewertet und die Maßnahmen werden gegebenenfalls angepasst.“


Zur Begründung dieses Beschlusses weist der Senat darauf hin, dass in Bremen seit dem Jahr 1992 zur strafrechtlichen Verfolgung von gewerbsmäßig handelnden Drogendealern die Exkorporation mit Brechmittel durchgeführt wird. Grundlage ist zur Zeit ein Erlass des Leitenden Oberstaatsanwaltes, nach dem auch die – seit dem 5.1.2005 vorläufig ausgesetzte – zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln über Magensonde unter der medizinischen Verantwortung des beauftragten Arztes in den Fällen zulässig ist, in denen ein konkretisierter Tatverdacht vorliegt und der Betroffene sich zur freiwilligen Einnahme des Brechmittels nicht bereit erklärt.

In den Jahren 1998 bis 2003 konnten bei jährlich zwischen 52 und 162 Exkorporationen durch Einsatz von Brechmitteln insgesamt 1.942 Drogen-Container bei Tatverdächtigen sichergestellt werden. Die Erfolgsquote lag in dem betrachteten Zeitraum im Durchschnitt bei 75 %. Im Jahr 2004 konnten 97 Exkorporationen durchgeführt werden, wobei in lediglich vier Fällen die zwangsweise Verabreichung über eine Magensonde erforderlich waren.


Die Anwendungssituation ist in den Bundesländern unterschiedlich. Der mit Bremen vergleichbare Brechmitteleinsatz auch unter Zwang wird beispielsweise in Hamburg, Hessen (Frankfurt) und Berlin seit Jahren mit ähnlichem Erfolg praktiziert. Hierfür dürfte ausschlaggebend sein, dass das Verbergen von Drogen-Containern durch Herunterschlucken in diesen Städten stärker verbreitet ist als in anderen Bundesländern.


Am 27.12.2004 wurde an einem Tatverdächtigen im Bremer Polizeigewahrsam durch einen Arzt des ärztlichen Beweissicherungsdienstes Brechmittel zwangsweise verabreicht. Es kam zu gesundheitlichen Komplikationen, in deren Verlauf der Tatverdächtige am 07.01.2005 bedauerlicherweise verstarb.

Nachdem der hinzugerufene Notarzt gegen den Arzt des ärztlichen Beweissicherungsdienstes öffentlich Vorwürfe erhoben hatte, haben der Senator für Justiz und Verfassung und der Senator für Inneres und Sport unverzüglich veranlasst, dass auf die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln mittels Magensonde vorläufig bis zur Klärung des Sachverhaltes verzichtet wird. Sowohl gegen den Arzt des ärztlichen Beweissicherungsdienstes als auch gegen den Notarzt wird zur Zeit von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Es ist noch nicht absehbar, wann mit dem Ergebnis der Ermittlungen zu rechnen ist.


„Konsequente Strafverfolgung mit allen rechtstaatlichen Maßnahmen“

„Es ist weiterhin unverzichtbar, mit aller Konsequenz gegen den gewerblichen Drogenhandel in Bremen vorzugehen und die dazu erforderlichen Beweise auch durch Exkorporation zu sichern,“ stellte der Senat in seiner heutigen Sitzung grundsätzlich klar. „Es besteht kein Zweifel daran, dass der Handel mit Drogen kriminelles Unrecht ist und eine konsequente Strafverfolgung mit allen rechtstaatlichen Maßnahmen gebietet. Dazu gehört auch die Sicherstellung von Beweismitteln.“


Der Senator für Justiz und Verfassung und der Senator für Inneres und Sport haben daher vorgeschlagen, unverzüglich das Verfahren der Exkorporation mit dem Ziel der verlässlichen Überführung von mutmaßlichen Drogendealern neu zu regeln und die Beweissicherung durch Exkorporationen sicherzustellen.

Deshalb wird am freiwilligen Einsatz des Brechmittels zur Beweissicherung festgehalten. Auch in Zukunft soll bei den Tatverdächtigen in der Regel durch freiwillige Einnahme des Brechmittels die Beweissicherung erfolgen. Widersetzt sich der Tatverdächtige diesem Verfahren, soll auf der Grundlage eines Haftbefehls oder einer Maßnahme gem. § 81a StPO eine überwachte Unterbringung in einer Vollzugseinrichtung erfolgen, um die Beweismittel zu sichern. Hierzu soll eine spezielle Zelle ausgestattet werden, die die Sicherstellung der Drogen-Container und die Überwachung des Betroffenen ermöglicht (Verfahren des Freistaates Bayern). Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus einer Verfahrensanweisung, die gemeinsam vom Senator für Justiz und Verfassung und vom Senator für Inneres und Sport erlassen wird.