Eine reguläre Senatssitzung unter Leitung von Bürgermeister Carsten Sieling sowie mehrere Gespräche mit Vizekanzler Olaf Scholz und den Regierungsmitgliedern Svenja Schulze, Peter Altmaier, Franziska Giffey und Staatssekretärin Anette Kramme zu diversen Themen standen heute (Dienstag, 13. November) für die Bremer Landesregierung auf der Tagesordnung in der Landesvertretung in Berlin.
„Wir hatten sehr konstruktive Gespräche mit den Vertretern der Bundesregierung, in denen wir die Interessen Bremens deutlich machen konnten. Angefangen bei den Finanzierungsfragen rund um den Kita- und Bildungsbereich sowie die Integration von Flüchtlingen über die Bedeutung des Ausbaus des sozialen Arbeitsmarktes für unser Bundesland, bis hin zu den Herausforderungen, vor denen wir als einer der größten Industriestandorte in der Verkehrs- und Umweltpolitik stehen. In den Gesprächen konnten wir auch eine große Übereinstimmung darüber erzielen, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland wieder stärker in den Blick genommen werden muss“, erklärte der Präsident des Senats, Bürgermeister Carsten Sieling, in Berlin. Bürgermeisterin Karoline Linnert fügte hinzu: "Auch das Thema Klimapolitik, die Energiewende und bessere Rahmenbedingungen für die Offshore-Branche haben wir diskutiert."
Mit Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz wurden vor allem aktuelle Bund-Länder-Finanzthemen, die Reform der Grundsteuer sowie mögliche Auswirkungen des Brexit auf Bremen diskutiert. Anschließend ging es beim Austausch mit Staatssekretärin Anette Kramme aus dem Bundesarbeitsministerium u.a. um das Teilhabechancen- und das Qualifizierungschancengesetz. Der Stand bei der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, das Gute-Kita-Gesetz und ELFE – Einfache Leistungen für Eltern: Das waren die Schwerpunkte beim Termin mit Bundesministerin Franziska Giffey. Beim Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ging es schließlich um die Perspektiven für die Windenergie sowie um die Herausforderungen für die deutsche Stahlindustrie. Mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze sprach der Senat zu den Themen: Klimapolitik, Dieselproblematik und Luftreinhaltung sowie Wasserrahmen-Richtlinie. Das Treffen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wurde am Vormittag vom Bundesverkehrsministerium kurzfristig abgesagt.
Ausgewählte Ergebnisse der Gespräche im Einzelnen:
Im Gespräch mit Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz standen zunächst die anstehenden Verfassungsänderungen bspw. für den sozialen Wohnungsbau oder die Digitalisierung der Schulen im Mittelpunkt. Dabei machte Scholz noch einmal deutlich, dass alle zugesagten Bundesgelder, sei es für den Ganztagsschulausbau oder für das Gute Kita-Gesetz, für die Länder wie geplant zur Verfügung stehen. Mit Blick auf die Neuregelung der Grundsteuergesetzgebung wies Finanzsenatorin Linnert darauf hin, dass die Zeit dränge: „Wir brauchen so schnell wie möglich ein verfassungskonformes wertorientiertes Grundsteuergesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat im April dieses Jahres eine Neuregelung des Gesetzes bis Ende 2019 und dessen Umsetzung bis Ende 2024 gefordert. Es ist höchste Eile geboten, denn die technische Umsetzung der Gesetzesnovelle ist kompliziert.“ Es müsse eine Software entwickelt werden, die Millionen Grundstücke und darauf stehende Immobilien nach gleichen Regeln bewertet. „Die Städte können auf die Grundsteuer nicht verzichten. Allein Bremen nimmt damit jährlich über 160 Millionen Euro ein – rund 18 Prozent der städtischen Steuereinnahmen.“
Hinsichtlich der Kosten, die sich mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen verbinden, haben sich Bund und Länder auf eine Fortsetzung der finanziellen Unterstützung des Bundes zunächst bis Ende 2019 verständigt. Das entsprechende Gesetz zur fortgesetzten Beteiligung des Bundes an den Integrationskosten der Länder und Kommunen u.a. wird aktuell im Bundesrat beraten. Der Bund hat den Ländern in diesem Zusammenhang ein Modell für die Beteiligung des Bundes ab dem Jahr 2020 vorgelegt. Der Bremer Senat hat in den Gesprächen deutlich gemacht, dass er die Beteiligung des Bundes ab 2020 für unzureichend hält, da er der realen Belastung der Länder und Kommunen nicht Rechnung trägt. Es werde daher vom Bund eine strukturelle, dauerhafte und an den tatsächlichen Ausgabebelastungen ausgerichtete Beteiligung an den Kosten der Länder und Kommunen erwartet, um der gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht zu werden.
Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt verwies schließlich auch auf die gemeinsame Verantwortung des Bundes und der Länder für die Finanzierung von Forschung und Lehre nach Artikel 91b des Grundgesetzes: „Prioritär sind aus Bremer Sicht der Hochschulpakt sowie der Pakt für Forschung und Innovation (PFI). Bund und Länder müssen hier noch zu gemeinsamen Auffassungen gelangen.“
Im Gespräch mit Staatssekretärin Anette Kramme aus dem Bundesarbeitsministerium ging es u.a. um das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zum Ausbau des sozialen Arbeitsmarktes. Eine dieser konkreten Maßnahmen ist das Teilhabechancengesetz. Für Kramme stellt das Gesetz einen Quantensprung in der Arbeitsmarktpolitik dar, weil es darauf abzielt, soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt zu organisieren und die Unterstützung der Langzeitarbeitslosen nun über einen deutlich längeren Zeitraum, nämlich fünf Jahre, möglich ist. Der Bund stellt hierfür in dieser Legislaturperiode rund vier Milliarden Euro zur Verfügung. Das Gesetz soll mit seinem ganzheitlichen Ansatz Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive am Arbeitsmarkt verschaffen. Im Land Bremen laufen dazu bereits eigene Landesprogramme für öffentlich geförderte Beschäftigung. Ziel dieser Programme ist es, langzeitarbeitslosen Menschen eine Integration in Betriebe, Einrichtungen, Vereine und die öffentliche Verwaltung im Rahmen von geförderter Beschäftigung zu bieten. Arbeitssenator Martin Günthner sagte dazu: „Mit dem Teilhabechancengesetze unterstützt der Bund unser Ziel eines sozialen Arbeitsmarktes für diejenigen, die ansonsten nicht den Weg heraus aus einer verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit schaffen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren setzen wir uns auf der Länderseite dafür ein, dass die Instrumente auf Bundes- und Landesebene möglichst optimal aufeinander abgestimmt sind und somit ein umfassendes Angebot an öffentlich geförderter Beschäftigung erreicht werden kann.“
Die Ergebnisse der Kohlekommission und ein verbindlicher Termin für den Kohleausstieg standen im Mittelpunkt des Austauschs mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze zur Klimapolitik in Deutschland. Einig war man sich darin, dass deutlich mehr Maßnahmen erforderlich sind, um die Klimaschutzziele zu erreichen und teure Strafzahlungen zu vermeiden. Umweltsenator Joachim Lohse: "Dazu benötigen wir dringend die zugesagten Sonderausschreibungen für erneuerbare Energien, den weiteren Ausbau der Offshore-Windenergie und eine verlängerte Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung." Gegenüber Umweltministerin Schulze bekräftigte die Bremer Landesregierung schließlich auch ihre Forderung, Hardware-Nachrüstungen bei Dieselfahrzeugen auf Kosten der Automobilhersteller durchzusetzen. Hinzu kam die Forderung nach einem Ausbau des Programms zur Förderung von Elektrobussen für den städtischen ÖPNV.
Wichtig war der Bremer Delegation zudem, in den Gesprächen in Berlin im Kontext der Einführung des sogenannten Deutschlandtaktes auf eine ICE-Anbindung Bremerhavens zu drängen. „Das ist überfällig und sowohl mit Blick auf die vielen Menschen, die täglich nach Bremerhaven zur Arbeit ein- und auspendeln, wie auch für die weitere gute Entwicklung des Wirtschafts- und Tourismusstandortes insgesamt dringend geboten“, machte Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz deutlich. Angemahnt wurden in den Gesprächen auch die Elektrifizierung der EVB-Strecken von Bremerhaven in Richtung Hamburg oder Bremervörde bis Rotenburg sowie die Umsetzung der sogenannten Alpha-Trasse zwischen Bremen, Hamburg und Hannover. Senator Lohse wies auf die besondere Bedeutung eines zusätzlichen Gleises für Züge zwischen Bremen-Hauptbahnhof und Bremen-Burg hin. Wichtig ist, dass nach der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan die Finanzierungsfreigabe durch den Bund zügig erfolgt."
Die Herausforderungen vor denen die deutsche Stahlindustrie steht war eines der Themen, das mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier diskutiert wurde. Die Stahlbranche hat eine besondere Bedeutung für Deutschland als Industrienation. Mit ca. vier Millionen Beschäftigten stehen die stahlintensiven Branchen für zwei von drei Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe. Jeder Arbeitsplatz in der Stahlindustrie ist mit fünf bis sechs weiteren Beschäftigten in den vor- und nachgelagerten Bereichen verbunden. Aktuell sieht sich die Stahlindustrie aber vielen Herausforderungen gegenüber. Anlass hierfür sind zum einen die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium, zum anderen besteht durch den Emissionshandel eine starke Wettbewerbsverzerrung zugunsten von nicht EU-Staaten. Gemeinsam mit den anderen „Stahlländern“ setzt sich Bremen für einen fairen Wettbewerb ein – zuletzt auf dem Nationalen Stahlgipfel im Oktober im Saarland. Wirtschaftssenator Martin Günthner: „Stahl ist ein zukunftsfähiger Werkstoff und die Stahlindustrie ist und bleibt für den Wirtschaftsstandort Bremen wichtig. In Bremen sichert das Stahlwerk direkt 4.000 Arbeitsplätze und gehört zu den größten Ausbildungsbetrieben. Im gemeinsamen Schulterschluss mit den anderen Stahlländern setzen wir uns bei der Bundesregierung und der EU für faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Stahlindustrie ein. Der in Deutschland produzierte Stahl ist qualitativ hochwertig und die Stahlindustrie erfüllt hohe Anforderungen in Sachen Umweltschutz – das darf allerdings nicht zum einseitigen Wettbewerbsnachteil werden.“
Problematisiert wurde gegenüber Wirtschaftsminister Altmeier auch die Tatsache, dass in dem aktuellen Gesetzentwurf zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die Ausbauziele für die Offshore-Windenergie nicht enthalten sind. Altmaier erklärte, dass er offen dafür sei, das Gesetz im Rahmen des parlamentarischen Gesetzverfahren entsprechend anzupassen.
Bundesministerin Franziska Giffey stellte zu Beginn der Gespräche das Gute-Kita-Gesetz des Bundes vor, mit dem Bremen und Bremerhaven von 2019 bis 2022 mit insgesamt fast 58 Millionen Euro bei der Verbesserung des Kita-Angebots unterstützt werden. Eine gute Nachricht, denn die Kommunen sind mit den Kinderbetreuungskosten überfordert. Im Gespräch betonten die Senatsvertreter, wie wichtig eine unbefristete Unterstützung des Bundes sei. Eine Begrenzung bis 2022 sei angesichts der Tatsache, dass die Kinderbetreuung eine staatliche Daueraufgabe ist, die die Kommunen finanziell nicht allein schultern könnten, nicht akzeptabel. Bildungssenatorin Claudia Bogedan sprach sich zudem dafür aus, die Bundesmittel auch für Investitionsmaßnahmen und die Finanzierung der Beitragsfreiheit einsetzen zu können. Bremen profitiert voraussichtlich in 2019 mit 5,2 Millionen Euro, 2020 mit 10,5 Millionen sowie 2021 und 22 jeweils mit 21,1 Millionen Euro. Senatorin Bogedan: „Das Gute-Kita-Gesetz hilft, dass Kitas in Bremen und Bremerhaven noch besser zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen können. Das wollen wir in einem Landesgesetz zur Kitaqualität und -Finanzierung dann auch verbindlich regeln. In Bremen haben wir dafür massiv Plätze ausgebaut und sorgen für mehr Fachkräfte, unter anderem mit der gerade vom Senat und Gewerkschaften verabschiedeten Bremer Erklärung für Gute Arbeit in Kitas. Um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen, hoffen wir aber auf eine Verstetigung dieser Bundesmittel.“
Thematisiert wurde von Finanzsenatorin Linnert auch das in Bremen entwickelte Projekt ELFE (Einfach Leistungen für Eltern). Es wurde vereinbart, das System des Bundes „Elterngeld online“ und das Elfe-Projekt zu verbinden und so eine ein Win-Win-Situation zu erzielen. Auf diesem Wege könne man auch den unterschiedlichen Stufen der Digitalisierung in den Ländern gerecht werden. Mit ELFE sollen frischgebackene Eltern künftig automatisch die Geburtsurkunde zugeschickt und das Kindergeld überwiesen bekommen. Fast alle hierzu notwendigen Informationen sind in der Verwaltung vorhanden – beim Standesamt, beim Finanzamt oder der Elterngeldstelle. Sie dürfen aber aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nicht untereinander ausgetauscht werden. Mit der Erlaubnis der Eltern sollen diese Infos für diesen Fall ausgetauscht werden. Die Eltern müssten nur noch mitteilen, wer wie lange Elternzeit nimmt und ob und in welchem Umfang sie Teilzeit arbeiten möchten. Damit ELFE funktioniert, müssen auch Bundesgesetze geändert werden. Der Bundesrat hat sich bereits dafür ausgesprochen, jetzt sind Bundesregierung und Bundestag am Zug.
Der Bremer Senat hat in den Gesprächen in Berlin darüber hinaus darauf gedrungen, den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt mit Unterstützung des Bundes auszubauen. Bisher sind vor allem Länder und Kommunen finanziell zuständig für das Hilfe- und Unterstützungssystem. „Wir brauchen einen Rechtsanspruch von Frauen auf Schutz vor häuslicher Gewalt“, sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann, „das darf nicht an Ländergrenzen oder finanziellen Fragen scheitern.“ Auch die Reform des Gesetzes von Unterhaltsleistungen wurde diskutiert. Das Gesetz hat den Kreis der Anspruchsberechtigten viel stärker erweitert als vom Bund erwartet und gegenfinanziert. Anstelle von 121.000 neuen Leistungsberechtigten sind bundesweit inzwischen über 270.000 hinzugekommen. Die Ausgleichszahlung des Bundes bemesse sich allerdings an der niedrigeren Erwartung, damit glichen die Bundeszuschüsse die Mehrausgaben nicht aus. Allein für Bremen sei das ein hoher einstelliger Millionenbetrag jährlich. Die geplanten Bundesmittel müssten unbürokratisch zur Verfügung gestellt und hohe Ko-Finanzierungen vermieden werden.
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