15.08.2000
Weniger als ein Drittel aller Kinder ist versichert - Viele Policen bieten zudem zu wenig Schutz
In Deutschland werden Jahr für Jahr rund 1,5 Millionen Kinder bei einem Unfall verletzt. Ein Schwerpunkt des Unfallgeschehens ist nach wie der Straßenverkehr. Noch mehr Unfälle geschehen jedoch dort, wo man die Kinder am sichersten wähnt: zu Hause, in der gewohnten Umgebung und auf dem Spielplatz in der Nähe. In den allermeisten Fällen geht die Sache glücklicherweise mehr oder weniger glimpflich aus und verbleiben keine dauerhaften Schäden. Bei mehr als 10 Tausend Unfällen pro Jahr sind die Verletzungen aber so gravierend, dass die Kinder eine Schwerbehinderung erleiden.
Der gesetzliche Versicherungsschutz für solche Fälle ist sehr mangelhaft. Ein sechsjähriges Kind, dass durch einen Unfall zu 100 Prozent invalide wird, erhält beispielsweise nur eine monatliche Rente von etwas mehr als 700 Mark. Solche Beträge reichen nicht annähernd aus, um die Kosten einer dauerhaften Pflege abzudecken oder den Lebensunterhalt sicher zu stellen, wenn späterhin keine Erwerbstätigkeit möglich ist. Der Versicherungsschutz besteht zudem nur dann, wenn sich der Unfall in einer Kinder-Tageseinrichtung, der Schule oder auf den direkten Hin- und Rückwegen ereignet. Rund 80 Prozent der Unfälle passieren jedoch in anderen Zeiten.
Zur finanziellen Vorsorge sollte deshalb eine private Unfallversicherung für Kinder abgeschlossen werden. Tatsächlich werden die Gefahren allerdings von den meisten Eltern verdrängt. Nicht einmal jedes dritte Kind besitzt eine solche Versicherung. In vielen Haushalten ist daher das Auto besser versichert als der eigene Nachwuchs. Wenn eine Police besteht, sind die Versicherungssummen überdies oftmals zu niedrig, um im Falle eines Falles die finanziellen Folgen einer Unfallinvalidität dauerhaft abzudecken.
Bei der Wahl der Versicherungssumme sollte bedacht werden, dass der Betrag unter Umständen einen Leben lang für den Unterhalt ausreichen muß. Andreas Kutschera, der Versicherungsexperte der Verbraucher-Zentrale Bremen, empfiehlt deshalb, eine Versicherungssumme von wenigstens 200.000 DM zu wählen und dabei eine Progression von 225 Prozent zu vereinbaren. Diese Progression bedeutet, dass die finanziellen Leistungen bei hohen Invaliditätsgraden überproportional steigen und im Falle einer Vollinvalidität bei der genannten Versicherungssumme zu einer Auszahlung von 450.000 DM führen würde. Bei günstigen Versicherungen kostet ein solcher Versicherungsschutz nur etwas mehr als 100 Mark pro Jahr – ein geringfügiger Betrag im Verhältnis zu den finanziellen Kosten einer Invalidität und wenig auch im Vergleich zu dem, was viele Eltern für den Vollkaskoschutz ihres Autos bezahlen.
Nichtsdestotrotz sollte bei der Wahl des Versicherers auf die Höhe des Beitrages geachtet werden. Gerade in der privaten Unfallversicherung bestehen große Preisunterschiede, die sich in der Spitze auf bis zu 400 Prozent belaufen können. Zu den teuren Anbietern zählen oftmals gerade auch die Marktführer. Bei den meisten bestehenden Verträgen mit einer zu geringen Versicherungssumme würde deshalb schon ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter ausreichen, um ohne Mehrkosten einen optimalen Schutz zu erlangen.
Häufig werden zudem zusätzliche Leistungen angeboten, die weniger oder nicht empfehlenswert sind und die Versicherung nur unnötig verteuern. Zurückhaltung ist deshalb auch bei den meisten Offerten geboten, bei denen nicht nur die Invalidität infolge eines Unfalls, sondern auch infolge einer Krankheit versichert ist. Auf den ersten Blick erscheint eine solche Erweiterung zwar sinnvoll. Tatsächlich sind Behinderungen infolge einer Krankheit in dieser Lebensphase jedoch eher selten oder gehen auf angeborene Defekte zurück, die bei fast allen Anbietern vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Eine solche Zusatzversicherung sollte deshalb nur dann abgeschlossen werden, wenn die Mehrkosten nicht zu Lasten der Versicherungssumme aus der Unfallpolice gehen und wenn der Versicherungsschutz auch Behinderungen einschließt, die aus angeborenen Leiden entstehen.