10.03.2003
Kühne Architektur für eine ideale Zukunft -
Riesenhafte Kathedralen errichten und Gebirgszüge umformen, Kontinente bilden und die Gebäude eines auferstehenden Weltreichs hervorbringen – die Architekten des Expressionismus verfolgen große Ziele. Mit der Ausstellung „Bau einer neuen Welt. Architektonische Visionen des Expressionismus“ präsentiert das Paula Modersohn-Becker Museum Bremen eine Retrospektive auf ihre kühnen Entwürfe.
Vom 23. März bis zum 8. Juni 2003 sind mehr als 120 Graphiken, Gemälde und Modelle expressionistischer Architektur im Paula Modersohn-Becker Museum zu sehen. Bekannte Höhepunkte, etwa Mies van der Rohes Entwurf für ein gläsernes Hochhaus an der Berliner Friedrichstraße, und bislang noch nie gezeigte Archiv-Funde, wie Hans Poelzigs ausdrucksstarke malerische Farbentwürfe, laden ein zu einer Entdeckungsreise in die visionäre Gedankenwelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Verwirklichte Bauten dieser Architekturepoche haben Seltenheitswert. Ein herausragendes Beispiel ist das Museum in der Bremer Böttcherstraße. Es bildet als Originalschauplatz den passenden Hintergrund für die Ausstellung.
„Mein Zeichentisch hier im Büro bleibt leer, tagtäglich dasselbe Nichts ... Ich schwebe in der Luft als ‚imaginärer Architekt‘“, schreibt 1919 der Architekt Bruno Taut. Im politisch und wirtschaftlich zerstörten Deutschland liegt nach dem Zweiten Weltkrieg die Bautätigkeit am Boden. Diese Ausgangssituation bietet expressionistischen Baukünstlern wie Walter Gropius, Bruno und Max Taut, Hans und Wassili Luckhardt, Hermann Finsterlin und Hans Scharoun aber auch eine einmalige Chance: Unabhängig von äußeren Vorgaben erträumen sie Architektur-Utopien, die sich von Sachzwängen und Zweckrationalismus lösen und allein ideellen Zielen folgen.
1919 gründen die Architekten des Expressionismus Institutionen wie das Bauhaus in Weimar oder den eingeschworenen Briefzirkel „Gläserne Kette“. Anfang der 1920er Jahre erreicht die Bewegung mit dem „Einsteinturm“ in Potsdam und dem „Chilehaus“ in Hamburg ihre gebauten Höhepunkte. Ende der 20er Jahre fließen noch einmal alle Stilmerkmale in ein Gesamtkunstwerk ein, um hier einen vollendeten Ausklang zu finden: den Bau des Ausstellungsortes selbst, Bernhard Hoetgers Paula Modersohn-Becker Museum.
Die Ausstellung „Bau einer neuen Welt“ stellt den Facettenreichtum des Expressionismus vor. Sechs Kapitel hinterfragen ideologische Gegensätze wie Sozialismus und Nationalsozialismus, Naturhingabe und Technikbegeisterung. Diese kommen in höchst unterschiedlichen Bauwerken zum Ausdruck: Backsteinburgen als
Bekenntnisse zur „nordischen“ Heimat und gläserne Kristallpaläste als Hoffnungszeichen einer paradiesischen neuen Welt. Vielfältig sind auch die Ausstellungsstücke: Skizzen, Briefe, gedruckte Faltblätter oder Modelle aus Holz, Keramik und Gips führen in die Konzepte der expressionistischen Architekten ein. Mit den verführerisch bunten Glasbausteinen aus Bruno Tauts Baukasten „Dandanah“ möchte der Besucher am liebsten eigene architektonische Visionen anlegen. Die Betrachtung des verblüffend detailreichen Originalmodells der „Sternkirche“ wird durch eine Simulation bereichert, die dieses nie gebaute Hauptwerk Otto Bartnings begehbar und akustisch erlebbar macht.
Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, ein Katalog mit Beiträgen von Wolfgang Pehnt, Iain Boyd Whyte, Matthias Schirren und anderen: Rainer Stamm/Daniel Schreiber (Hg.), „Bau einer neuen Welt. Architektonische Visionen des Expressionismus.“ 192 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Preis ca. 24,- Euro.
Sonderausstellung, 23. März bis 8. Juni 2003
„Bau einer neuen Welt. Architektonische Visionen des Expressionismus“
Kunstsammlungen Böttcherstraße Bremen/Paula Modersohn-Becker Museum
Böttcherstraße 6-10, 28195 Bremen, Telefon: 0421-33650-77/-66, www.pmbm.de
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 11 – 18 Uhr, Montag geschlossen
Eintrittspreise: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, Kinder bis 7 Jahre Eintritt frei, Gruppen (ab 10 Personen) 3 Euro pro Person, Schulklassen 1,50 Euro pro Schüler
Eine Ausstellung der Kunstsammlungen Böttcherstraße, Bremen, und des Bauhaus-Archivs/Museum für Gestaltung, Berlin, in Zusammenarbeit mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Abteilung Baukunst, Berlin. Die Ausstellung wird gefördert von Die Sparkasse Bremen und ÖVB.Versicherungen. Medienpartner: Nordwestradio, Weser-Kurier. Mit freundlicher Unterstützung von Architektenkammer Bremen, Bremen Marketing GmbH, Bremische Bürgerschaft, Deutscher Werkbund Nord.