10.02.2005
Öffentliche Bauherren verabschieden mit Kammern die „Bremer Erklärung“ für Planungswettbewerbe
Zufrieden mit der Unterzeichnung der Bremer Erklärung: Senator Jens Eckhoff und BIG Geschäftsführer Ulrich Keller (sitzend von re.) sowie Architektenkammer-Präsident Michael Frenz und Ingenieurkammer-Präsident Karsten Zill (hi. von re.) |
Damit übernimmt Bremen bundesweit eine Vorreiterrolle.
Wettbewerbskultur ist Baukultur
„Ein öffentlicher und transparenter Umgang mit wichtigen Bauvorhaben ist für Bremen auf dem Weg zur europäischen Kulturhauptstadt von großer Bedeutung.“, so Senator Jens Eckhoff. „Der richtig angewandte Architektenwettbewerb gilt weithin als hervorragendes Mittel, um die bauliche Qualität einer Stadt zukunftsfähig zu gestalten. Die Bremer Erklärung ist ein Impuls, der die bisher zurückhaltend gelebte Wettbewerbskultur anregt. Da Architektur vermehrt als Tourismusfaktor verstanden wird, bin ich mir sicher, dass Bremen durch aktuelle Beispiele attraktiver Baukultur an Bedeutung gewinnen kann. In den Gesprächen mit den verantwortlichen Kammern, Verbänden, städtischen Gesellschaften und Behörden konnten wir uns darauf verständigen, dass neben der Wettbewerbsbelebung auch der Bürokratieabbau im Mittelpunkt stehen muss. Ich denke, dass die ‚Bremer Erklärung’ dabei beispielhaft für andere Bundesländer sein wird.“
Bauherrninteresse wird gestärkt
Da der Umfang der bisher angewandten Regularien zu groß erschien und Bauherren ein Wettbewerbsverfahren als zu aufwändig empfanden, wurde nun eine Einigung geschaffen, die die Anwendung einer neuen, verschlankten Wettbewerbsnorm zum Inhalt hat:
Die bislang geltenden „Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe“ (GRW) werden abgelöst von den RAW, den „Regeln für die Auslobung von Wettbewerben“. Sie sind in ihrer Handhabung für den Bauherrn wesentlich leichter angelegt und werden bereits in Nordrhein-Westfalen und bei bestimmten Bauvorhaben auch in Niedersachsen sowie Sachsen-Anhalt angewendet.
Darüber hinaus wird Bremen einen Sonderweg gegenüber den anderen RAW-Ländern gehen, der vorsieht, dass die Jury nicht mehr mehrheitlich mit Fachpreisrichtern besetzt sein wird. Fachpreisrichter, meist Architekten und Stadtplaner, stehen bei Architektenwettbewerben den Bauherren in einer Preisjury zur Seite. Aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation leisten Sie die fachliche Beratung in Preisgerichten und entscheiden mit über den besten Wettbewerbsteilnehmer.
Mit der neuen Stimmteilung zu Gunsten des Bauherrn wird der bisherigen Befürchtung Rechnung getragen, dass im Ernstfall das Interesse des künftigen Nutzers sich nicht gegen das Votum der Planungsexperten durchsetzen könnte und unpraktikable oder zu teure Wettbewerbsergebnisse realisiert werden müssten.
Ulrich Keller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG) und Vertreter der öffentlichen Bauherren, zeigte sich von dem neuen Wettbewerbsmodell sehr angetan: „Diese Wettbewerbsregeln haben das Verfahren auf ein Maß verschlankt, dass aus ökonomischer und praktikabler Sicht der Architektenwettbewerb nun ein sehr attraktives Instrument ist, um bei Bauvorhaben den optimalen Entwurf zu ermitteln.“
Lust am Vergleich
Neben der Verschlankung der bisherigen Regelungen stand auch der Wille, durch mehr Wettbewerbsverfahren bei Bauvorhaben Vergleichsmöglichkeiten zu erhalten, um über den besten Entwurf zu entscheiden.
Architektenkammerpräsident Michael Frenz: „Wenn sich mehrere an einer Aufgabe messen, lässt sich wesentlich deutlicher ablesen, welches Ergebnis das wirklich optimale ist. Der Wettbewerb trägt auch dazu bei, dass die Architekten, die sehr viel Kosten und Energien in ihre Entwürfe stecken, transparent ablesen können, nach welchen Maßstäben ein Sieger gekürt wird. Die Lust am Wettstreit ist der Architekturqualität zuträglich und fördert das baukulturelle Klima einer Stadt.“
Mehr Beratung und konsequenter Bürokratieabbau
Die „Bremer Erklärung“ bezieht sich nicht nur auf die klassischen Wettbewerbsregeln sondern berücksichtigt auch Vergabeverfahren, die sich nach der „Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen“ (VOF) richten. Öffentliche Bauherren sind verpflichtet, dieses Regelwerk anzuwenden, wenn bei einem Bauvorhaben der Honorarwert 200.000 Euro übersteigt. In einem solchen Fall ist eine europaweite Ausschreibung vorzunehmen, die bisher in der Tendenz bewirkte, dass sehr große Büros bevorzugt wurden, was im späteren bisweilen als nachteilig bei der Bauabwicklung vor Ort empfunden worden ist.
Daher haben Architektenkammer und Ingenieurkammer eine Beratungsstelle eingerichtet, die den öffentlichen Bauherrn bei künftigen Vorhaben intensiv begleiten, um die Vergabe von Planungsleistungen an das passende Büro zu verbessern. Dieser Service wird sich positiv auf mittlere und kleinere Büros auswirken, da für sie die Chancen steigen, bei korrekter Anwendung der VOF den Vorzug vor einem großen und überregional agierendem Planer zu erhalten.
Der Nutzen einer engeren Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Planer ist für Ingenieurkammerpräsident Karsten Zill offensichtlich: „In den vergangenen Jahren mussten wir immer wieder feststellen, dass Ausschreibungsunterlagen lückenhaft erstellt wurden, was zu Unsicherheiten sowohl bei Bauherren wie auch bei Planungsbüros führte. Bisher wurde die VOF oft als ‚bürokratisches Monster’ empfunden. Mit der neu eingerichteten Beratungsstelle sorgen die Kammern gemeinsam mit der öffentlichen Hand für konsequente Verschlankung von Bürokratie, Abbau von unnötigen Hürden und für Planungssicherheit bei allen Beteiligten. Dadurch werden Reibungsverluste, die bisher durch planerische aber auch juristische Unwägbarkeiten entstanden, erheblich vermindert.“
Fortlaufende Kontrolle
Die Regelungen, die in der „Bremer Erklärung“ getroffen sind, gelten zunächst für zwei Jahre. In dieser Versuchsphase wird eine beim Senator für Bau, Umwelt und Verkehr eingerichtete Gesprächsrunde fortlaufend die gesammelten Erfahrungen auswerten, um anschließend über eine dauerhafte Einführung der Regularien zu befinden.