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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Evaluationsbericht zum Modellvorhaben "Housing First" liegt vor

33 Obdachlose haben über das Projekt eine Wohnung angemietet | Oftmals intensive Betreuung erforderlich

24.09.2024

Das Modellprojekt "Housing First" hat bis zum Jahreswechsel 2023/2024 insgesamt 42 ehemals Obdachlose aufgenommen. 33 von ihnen hatten Ende 2023 einen Mietvertrag für eigenen Wohnraum. Einen Evaluationsbericht zum Abschluss des Modellprojekts wird Sozialsenatorin Dr. Claudia Schilling am morgigen Donnerstag (25. September 2024) der Deputation für Soziales, Jugend und Integration vorlegen. Danach ist das Interesse an dem Projekt weiterhin erheblich, eine Warteliste wird geführt.

"Housing First" richtet sich an Obdachlose mit sehr komplexen Problemlagen, die schon längere Zeit auf der Straße leben, die Unterbringungsangebote der Wohnungslosenhilfe nicht annehmen und auch von bisherigen Unterstützungsangeboten keinen Gebrauch machen. Dazu gehören Menschen mit Sucht- oder psychischen Erkrankungen sowie Personen, die die bürokratischen Hürden zur Anmietung einer Wohnung ohne Hilfe nicht überwinden können oder die – etwa wegen ihrer schlechten körperlichen Verfassung oder chronischer Erkrankungen – auf dem freien Markt keine Wohnung finden.

"Die eigene Wohnung ist in diesen Fällen der allererste Schritt zur Bewältigung einer schwierigen Lebenslage", sagte Sozialsenatorin Dr. Claudia Schilling. "Das Wohnen wird damit als Recht angesehen, das der Einzelne sich nicht erwerben muss – etwa, indem er in Einrichtungen oder Sonderwohnformen für Obdachlose gut zurechtkommt und damit seine 'Wohnfähigkeit' nachweist." Aufgenommen werden kann, wer im traditionellen Unterstützungssystem gescheitert ist, aber grundsätzlich den Willen hat, eine Wohnung mit einem Mietvertrag anzumieten. Die Bereitschaft zur Kooperation mit Sozialpädagogen ist zwar eine Voraussetzung. "Anders als in anderen Projekten gibt es aber eine strikte Trennung von Wohnung und Unterstützung", sagte Sozialsenatorin Dr. Schilling weiter. "Das erlaubt einen vertrauensvollen Beziehungsaufbau ohne Sanktionen." Wer im Laufe der Zeit wohnbegleitende Hilfen ablehne, müsse daher nicht um seine Wohnung fürchten – und umgekehrt führten Wohnungsverlust und Wohnungswechsel nicht zum Abbruch der Hilfe.

"Die Evaluation des im November 2021 angelaufenen Projekts hat unter anderem gezeigt, dass sich die Lebenslagen von Teilnehmenden durchaus verbessern", sagte die Senatorin weiter. In anderen Fällen sei aber erst nach dem Bezug der Wohnung das Bewusstsein für die eigenen Bedarfe gewachsen. Teils hätten sich psychische Beeinträchtigungen, Suchterkrankungen oder soziale Konflikte sogar verschärft. Die sozialpädagogische Begleitung sei in diesen Fällen intensiver in Anspruch genommen worden als ursprünglich erwartet. Senatorin Dr. Schilling: "Das Konzept des Modellprojekts ist inzwischen angepasst. Eine Begleitung über den ursprünglich vorgesehenen Rahmen von zwei Jahren hinaus ist jetzt möglich." Trotzdem sei es nicht allen gelungen, ihre Wohnung zu halten: Eine von 25 Teilnehmenden, deren Daten in die Evaluation eingeflossen sind, ist in die Obdachlosigkeit zurückgekehrt, in anderen Fällen schätzten die Autoren der Studie den Erfolg von "Housing First" als "relativ ungewiss" ein.

Als Problem wird die personelle Fluktuation in dem befristeten Modellprojekt angesehen. Unbefristete Arbeitsverträge konnten daher nicht geschlossen werden. Von einer besser abgesicherten längerfristigen Perspektive des Projekts versprechen sich die Autoren des Abschlussberichts mehr Stabilität sowohl bei der Koordination als auch bei der Wohnbegleitung. "Das ist im Wesentlichen Beziehungsarbeit, und dafür ist die personelle Kontinuität von besonderer Bedeutung", sagte Senatorin Dr. Schilling. "Insgesamt hat sich der Ansatz aus meiner Sicht aber absolut bewährt."

Die Regelfinanzierung von "Housing First" wird derzeit bundesweit debattiert. Bis Ende des Jahres 2024 wird dazu ein Gutachten erwartet, das das Land Berlin in Auftrag gegeben hat.

Den Evaluationsbericht 2024 - Housing First Bremen (pdf, 2.3 MB) finden Sie hier zum Download.

Hintergrund

Das zunächst auf drei Jahre angelegte Projekt "Housing First" in Bremen ist angesiedelt bei den beiden Vereinen Wohnungshilfe Bremen e. V. und Hoppenbank e. V., die zur Umsetzung die Housing First Bremen gemeinnützige Unternehmergesellschaft (gUG) gegründet haben. Bundesweit gab es Ende des Jahres 2023 etwa 40 bis 50 "Housing First"-Projekte.

Den Abschlussbericht hat die Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V. (GISS) unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Busch-Geertsema verfasst.

In der Stadtgemeinde Bremen leben nach Schätzungen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern rund 500 bis 600 Menschen ohne festen Wohnraum. Ein großer Teil nutzt die Angebote der Wohnungslosenhilfe und übernachtet in Schlichthotels oder anderen Unterkünften der Stadt. Bis zu 150 Personen leben und übernachten in der Regel auf der Straße.

Ansprechpartner für die Medien:
Dr. Bernd Schneider, Pressesprecher bei der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration, Tel.: (0421) 361-64152, E-Mail: bernd.schneider@soziales.bremen.de