29.01.2004
Gerhard Marcks Haus zeigt feine Auswahl französischer und deutscher Plastiken
„Das wird wohl eine Enttäuschung für das Publikum“, meint schmunzelnd Arie Hartog vom Gerhard Marcks Haus. Mag sein: Die neue Ausstellung im Bremer Bildhauermuseum präsentiert nämlich Auguste Rodins wohl bekannteste Plastik „Der Kuss“ – jedoch nicht die Marmorskulptur, sondern die um 1900 entstandenen verkleinerten Bronzefassung. Die allerdings passt hervorragend zusammen mit Peter Breuers Skulptur „Adam und Eva“ in das Thema der neuen außergewöhnlichen Ausstellung mit dem Titel „Für Deutsche unnachahmlich“. Sie wird am kommenden Sonntag (1. Februar) eröffnet und zeigt zum ersten Mal deutsche und französische Bildhauerkunst aus der Periode zwischen 1890 und 1940 in einem direkten Vergleich. In den sorgsam ausgewählten 16 Plastiken lassen sich auffällige Parallelen entdecken, die jedoch auch das Ringen um eine eigenständige künstlerische Identität verdeutlichen. Die wenigen Skulpturen sind - in kleinen Gruppen zusammengestellt – fünf Themen in fünf Räumen zugeordnet. Die bis zum 9. Mai laufende Schau lädt dazu ein, mit Muße einmal genau hinzusehen.
„Für Deutsche unnachahmlich“ ist ein Zitat des deutschen Bildhauers Gerhard Marcks (1889 – 1981), als dieser die erste große Ausstellung der Werke von Aristide Maillol (1861-1944) in Berlin besucht hatte. Kurz darauf schafft Marcks seine wichtigste Figur, die lebensgroße „Thüringer Venus“. Sie ist der Versuch, eine deutsche Alternative zu Maillols Hauptwerk, der „Pomona“ zu schaffen. Eine Figur voller Leichtigkeit und Lebensfreude, neben der Gerhard Marcks eigene Plastik eher düster wirkt und mit der er eigene – er selbst nannte es „hässliche“ - Akzente setzen wollte. Zu diesen beiden Werken gesellen sich in der Bremer Ausstellung die Bronzeplastik „Assia“ von Charles Despiau (1847-1946) und das „Stehende Mädchen“, das der deutsche Bildhauer Richard Scheibe (1879-1964) im Jahre 1937 schuf. Beide vertreten den sogenannten Klassizismus der 30er Jahre, der sich in der gesamten europäischen Bildhauerkunst beobachten lässt. Wer hier genau hinschaut, kann auch entdecken, wie unterschiedlich Bildhauer arbeiten.
Als Auguste Rodin (1840-1917) zum ersten Mal 1900 eine fertige Skulptur ohne Arme und Kopf in einer Ausstellung vorstellte, war dies nachgerade revolutionär. Der „Schreitende Mann“ markierte eine völlig neue Phase in der Entwicklung der bildenden Kunst. Noch stärker allerdings reduzierte der französische Künstler Emile-Antoine Bourdelle (1861-1929) die menschliche Gestalt in seinem „Torso der Pallas“. In der Ausstellung sind dem Thema „Torsi“ als deutsche Varianten je eine Arbeit von Bernhard Hoetger (1874–1949) und Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) zugeordnet: Beide Skulpturen mit Kopf – deutsche Bildhauer konnten sich offenbar nicht dazu durchringen, eine Figur ohne Haupt zu schaffen.
Das „Eherne Zeitalter“ war die erste lebensgroße Figur Rodins. Sie ist im Besitz der Bremer Kunsthalle uns steht nun im Gerhard Marcks Haus in einem nur diesen beiden Werken gewidmeten Raum dem „Schreitenden Jüngling“ gegenüber, den Hoetger 1910 schuf. Hoetger versuchte mit dieser Figur, die auch den Titel „Der Tag“ trägt, sich von Rodin abzusetzen und das französische Vorbild zu überbieten.
Als Entdeckung in dieser Ausstellung kann die heute vergessene Hanna Koschinski (1884-1939) gelten, die zwischen 1904 und 1919 in Paris lebte und dort als wohl einzige deutsche Künstlerin auch wahrgenommen wurde. Das Gerhard Marcks Haus zeigt ihre Skulptur „Sitzende“, deren strenge Formensprache ins Auge fällt. Zu sehen ist diese Figur gemeinsam mit Maillols Bronzeplastik „Hockende“, der 1931 entstandenen Bronzeplastik „Singende“ von Georg Kolbe (1877-1947) sowie der Skulptur „Der singende Mann“ von Ernst Barlach (1870-1938), der in seinen Werken wie kaum ein anderer den seelischen Ausdruck betonte.