Anfang 2018 ist in Deutschland das Europäische Abkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Kraft getreten, besser bekannt als die Istanbul-Konvention. Damit ist die Vereinbarung verbindlich und die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, "Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen". Das Ziel ist also klar umrissen – allerdings ist die Umsetzung auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – samt den dazu nötigen Absprachen, der Schaffung und Überprüfung entsprechender Angebote sowie der Anpassung nationaler Gesetzgebung an die Ziele der Konvention durchaus anspruchsvoll.
Wie dieser Prozess in Bremen läuft, wie kleinteilig die Schritte bei der Umsetzung manchmal sind – und auf welche Weise insbesondere die Justiz die Verpflichtungen der Internationalen Vereinbarung im Bremer Rechtssystem umsetzt – all dies war Thema des durch die Senatorin für Justiz und Verfassung organisierten Fachtages zur Istanbul Konvention. Teilgenommen haben rund 40 Personen aus unterschiedlichsten Aufgabenbereichen – von den Gerichten, der Staatsanwaltschaft, den Sozialen Diensten der Justiz, der Polizei, dem Gesundheitsressort und der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau ebenso aus der Psychosozialen Prozessbegleitung.
"Wir dürfen insbesondere bei Beziehungsgewalt, bei schlagenden Partnern oder Vätern nicht wegsehen. Selbstverständlich müssen derartige Taten bestraft und verfolgt werden. Aber die Istanbul-Konvention beinhaltet weitaus mehr als das – sie verpflichtet uns, Gewalt gegen Frauen und Mädchen eben nicht nur zu verfolgen, sondern sie zu verhindern und zu beenden. Das ist nichts, was man 'auf Knopfdruck' umsetzen kann. Dazu sind zahlreiche, oft auch kleinteilige Schritte notwendig", betonte Justizsenatorin Claudia Schilling bei der Eröffnung der Veranstaltung.
Gewalt verhindern – aber wie?
Doch wie lässt sich im Bereich der Justiz Gewalt gegen Frauen verhindern? Ein exemplarisches Beispiel dafür sind beispielsweise gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich erteilte Auflagen oder Weisungen – mit denen die Täter, abseits von Haft- oder sonstigen Strafen, beispielsweise zur Teilnahme an Anti-Aggressionstrainings oder ähnlichem verpflichtet werden können. Das Problem dabei bisher: Konnten die Täter derartige Auflagen nicht selbst bezahlen (wozu sie gesetzlich prinzipiell verpflichtet sind), lief die Idee, auf diese Weise weitere Gewalt zu verhindern, letztlich ins Leere. Genau das wird nun durch ein neues Projekt verhindert: Die Justiz übernimmt nun die Kosten für derartige Maßnahmen, wenn die Täter sie sich nicht bezahlen können – und erhält dazu entsprechende Mittel aus dem Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Parallel dazu wurde eine neue Case-Management-Stelle unter dem Dach der Sozialen Dienste der Justiz geschaffen, die im Auftrag der Gerichte und Staatsanwaltschaften überprüft und einschätzt, welche Weisung oder Maßnahme im jeweiligen Einzelfall, die am besten geeignete sein könnte.
Schilling: "Letztlich geht es uns darum, auf diese Weise so individuell angepasst und effektiv wie möglich weitere Gewalttaten der Täter zu verhindern." Besonders wichtig ist es dabei, mit den Tätern und den Opfern ins Gespräch zu kommen – und genau dies ist das Anliegen und der Auftrag der neuen Case-Managementstelle der Sozialen Diensten der Justiz, die übrigens sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven eingerichtet wurde.
Darüber hinaus wurde während des Fachtages auch deutlich, welchen auch organisatorischen Einfluss die Istanbul-Konvention auf das "System Justiz" und darüber hinaus hat – angefangen von Sonderdezernaten für Häusliche Gewalt bei der Staatsanwaltschaft über die neue Zentrale Gewaltschutzambulanz Bremens bis hin zum sogenannten Hochrisikomanagement der Polizei Bremen bei Gewalt gegen Frauen, über das bei der Tagung ebenfalls gesprochen wurde.
Unterstützung vor Gericht intensivieren
Oft geht es bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention zudem darum, die Zugänge zu bestehenden Angeboten zu vereinfachen – ein Beispiel dafür aus der Justiz, ist die sogenannte Psychosoziale Prozessbegleitung, die Opfern in Form von Beratung, Information und Begleitung vor und während des Strafverfahrens zur Verfügung steht. Das Angebot gibt es bereits seit 2017 – die Zahl der Personen, die es annehmen, ist allerdings bislang überschaubar. "Dies hat sicher einerseits auch damit zu tun, das vielen dieses Angebot bislang nicht bekannt war. Daher haben wir die Informationen darüber – ebenfalls im Sinne der Istanbul-Konvention – jetzt zunächst auf der Internetseite des Ressorts ausgeweitet, mehrsprachig gestaltet und zudem den gesetzlichen vorgeschriebenen Antrag auf Beiordnung einer psychosozialen Begleitung deutlich vereinfacht. In Kürze sollen zudem mehrsprachige Flyer an verschiedenen Stellen in Bremen und Bremerhaven über das Angebot informieren", berichtet Schilling.
Darüber hinaus wurde unter dem Dach der Sozialen Dienste der Justiz eine Koordinierungsstelle mit konkreten Ansprechpersonen in Bremerhaven und Bremen geschaffen und parallel dazu in die Ausbildung weiterer Prozessbegleiterinnen und –begleiter investiert. "Die beiden Koordinierungsstellen-Mitarbeiterinnen haben den Kurs kürzlich erfolgreich bestanden – und stehen jetzt selbst als Begleiterinnen vor allem aber als Ansprechpartnerinnen bei allen Fragen rund ums Thema zur Verfügung“, berichtet Senatorin Schilling und ergänzt: "In Bremen sind wir dadurch, was die psychosoziale Prozessbegleitung angeht, jetzt ziemlich gut aufgestellt – aber wir würden den Zugang zu diesem Angebot gern weiter vereinfachen und ausbauen und es noch fester als wichtiges Instrument des Opferschutzes verankern."
Dazu aber brauche es letztlich aber auch den Bund. "Deshalb sind wir parallel, wie beispielsweise bei der jüngsten Konferenz der Justizministerinnen und -minister auch auf Bundesebene aktiv, um entsprechende gesetzliche Klarstellungen zu erreichen", beschreibt Schilling den laufenden Prozess, bei dem es im Sinne der Umsetzung der Istanbul-Konvention eben oftmals um "tausend kleine Schritte auf unterschiedlichsten Ebenen" gehe.
Einer dieser Schritte, war der jetzt anberaumte Fachtag zur Istanbul-Konvention, der gleich zwei Ziele verfolgte: "Einerseits geht es uns darum, deutlich zu machen, was in Bremen bei der Umsetzung bislang alles schon auf dem Weg ist – und andererseits darum, die Konvention auch in den Köpfen der vielen beteiligten Personen zu verankern. Denn inhaltlich ist völlig klar: Die Vereinbarung ist eben nicht nur 'eine weitere internationale Verabredung', sondern deren Umsetzung angesichts der nach wie vor erschreckend hohen Zahlen im Bereich Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein wichtiger und überfälliger Schritt", so Schilling abschließend.
Ansprechpartner für die Medien:
Matthias Koch, Pressesprecher bei der Senatorin für Justiz und Verfassung, Tel.: (0421) 361-14476, E-Mail: matthias.koch@justiz.bremen.de