22.07.2003
Feierstunde im Rathaus zum 100. Geburtstag des ehemaligen Bürgermeisters
Im Rahmen einer Feierstunde im Bremer Rathaus ist am heutigen Dienstag (22.7.2003) an den 100. Geburtstag des ehemaligen Bremer Bürgermeisters und langjährigen Bildungssenators Willy Dehnkamp erinnert worden. „Willy Dehnkamp war ein Vorbild, ein außerordentlicher Sozialdemokrat und Politiker“, sagte Bürgermeister Dr. Henning Scherf in seiner Ansprache vor zahlreichen Gästen, unter ihnen der Sohn Rolf Dehnkamp mit Ehefrau Gabriele. An der musikalisch umrahmten Feierstunde nahmen auch die beiden Bürgermeister a.D. Hans Koschnick und Klaus Wedemeier teil, ebenso die beiden Amtsnachfolger Dehnkamps, Moritz Thape und Horst-Werner Franke.
Bürgermeister Scherf bekam als Leihgabe eine Büste von Willy Dehnkamp, die er in seinem Arbeitszimmer aufstellen möchte. „Die Büste wird mich stets an das Pflichtbewusstsein von Willy erinnern“, sagte Scherf und bezeichnete Dehnkamp, der am 12. November 1985 im Alter von 82 Jahren gestorben ist, als beispielhaften Mann, der gezeigt habe, wie man von unten an anfangen könne. „Von unten an“ heißt auch das Buch über die sozialistische Arbeiterbewegung in Blumenthal-Vegesack, für das Willy Dehnkamp nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bürgermeisters viele Jahre lang akribisch gearbeitet hatte. Bürgermeister Scherf las während der Feierstunde einige Passagen aus dem Buch, das erst nach dem Tod Dehnkamps 1986 erschienen ist, vor. Während der Feierstunde würdigte auch AWO-Kreisvorsitzende Dr. Andreas Weichelt den ehemaligen Bürgermeister Dehnkamp, Mit Hilfe einer großzügigen Spende aus dem Nachlass von Willy Dehnkamp konnte die AWO ein Haus bauen, in dem u.a. Suchtkranke Menschen für eine Weile ein neues Zuhause finden können.
Willy Dehnkamp, 1903 als Sohn eines Hafenarbeiters in Altona geboren und am Hafen großgeworden, wollte eigentlich Seemann werden. Die großen Entdecker Christof Columbus oder Ferdinand Magellan waren, wie er einmal in einem Interview verriet, seine Vorbilder. Aber es kam anders: Dehnkamp erlernte das Schlosserhandwerk. Sein politisches Engagement beginnt früh. Mit 16 Jahren wird er Mitglied im Deutschen Metallarbeiterverband und tritt bald darauf der Sozialdemokratischen Partei bei. Und er nutzt die Möglichkeiten, die ihm die Arbeiterbewegung bietet: Er besucht regelmäßig Vorträge und bildet sich weiter.
Mit 23 Jahren wird Dehnkamp Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Gross-Hamburgs. Wenig später, als Fünfundzwanzigjähriger, übernimmt er die Führung der Sozialdemokraten in Bremen-Nord. Er ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Gemeinderat und im Kreistag in Aumund und Blumenthal. Bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 schlägt er als Spitzenkandidat der SPD die Nationalsozialisten haushoch. Zehn Tage später wird er in Schutzhaft genommen und bleibt sieben Monate eingesperrt, ohne dass es zu einem Verfahren kommt.
Nach der Haftentlassung beginnt er mit dem Aufbau der illegalen Organisation von SPD und Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Bremen-Nord. Er sorgt für eine straffe Organisation der Untergrundarbeit, wird aber im März 1935 von der Gestapo verhaftet. Ein Sondergericht verurteilt ihn zu 2 Jahren und 9 Monaten Gefängnis.
Weihnachten 1936 wird er entlassen und lebt bis 1942 unter ständiger Drohung erneuter Haft. Als „beurlaubter Schutzhäftling“ wird er 1942 zum Kriegsdienst eingezogen, als Panzerjäger verwundet und gerät für dreieinhalb Jahre in russische Kriegsgefangenschaft.
Knapp ein Jahr nach seiner Rückkehr beruft ihn der Bremer Senat 1949 zum Ortsamtsleiter in Bremen-Blumenthal – und nach zwei weiteren Jahren übernimmt Willy Dehnkamp am 29. September 1951 das Amt als Bildungssenators.
Konsequent und zielstrebig verfolgt Dehnkamp 14 Jahre lang das Ziel, das bremische Schulwesen den Anforderungen der Zeit anzupassen. Ihm geht es um die Demokratisierung des Schulwesens. Besonders am Herzen liegt es ihm, die Bildungsgänge durchlässiger werden zu lassen. „Mehr Chancengleichheit“ – diese Forderung ist auch sein persönliches Credo. So kommt Ihm ein wesentlicher Anteil am „Honnefer Modell“ für eine Studentenförderung zu. Und Dehnkamp fördert und unterstützt alle Einrichtungen der Weiterbildung. Zugleich widmet er sich nachdrücklich dem Problem der Gründung einer Universität in Bremen.
Der Bremer Bildungspolitiker ist auch überregional gefragt: Dehnkamp arbeitet als Mitglied im Wissenschaftsrat, ist Vertreter der Bundesrepublik zum Obersten Rat der Europäischen Schulen und Leiter der Delegation auf der Konferenz der Europäischen Erziehungsminister in London.
Als Wilhelm Kaisen 1965 aus Altersgründen als Regierungschef der Hansestadt zurücktritt, wird Willy Dehnkamp sein Nachfolger. „Mein Ziel ist es, das Notwendige stets unverzüglich zu tun“, sagt er in seiner ersten Senatssitzung als deren Präsident. „Bremen darf aber nicht mehr auf sich nehmen, als es tragen und der Senat verantworten kann.“
Gut zwei Jahre lang übt er dieses Amt aus. Dehnkamp gilt als unbeirrter Verfechter der Selbständigkeit der Hansestadt und der demokratischen Strukturen des Bundesstaates. Als die SPD 1967 ihre absolute Mehrheit in der Bürgerschaft einbüßt, soll es einen Generationswechsel geben: Er macht Hans Koschnick den Weg frei, der ihm als Bürgermeister und Präsident des Senats nachfolgt.
Dehnkamp hat nie viel Aufhebens um seine Person gemacht. Als er seine letzte Senatssitzung leitet, er einen großen Rosenstrauß überreicht bekommt und fürs Fernsehen die Szene wiederholt werden soll, winkt er ab: „Nun machen Sie doch kein Trauerspiel daraus“.
Dehnkamp zieht sich aus der Kommunal- und Landespolitik völlig zurück. Er bleibt allerdings bis 1972 Mitglied der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates. Er engagiert sich noch weiter als Vorsitzender der Gerhard-Marcks-Stiftung Bremen, im Förderverein „Bremer Hansekogge“, als Mitglied des Verwaltungsrates der Stiftung Deutsches Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven sowie als Mitglied des Vollzugsausschusses der Deutschen UNESCO-Kommission.
Zuverlässigkeit, Gradlinigkeit und Solidarität – diese Begriffe sind mit der Persönlichkeit Willy Dehnkamps eng verbunden. Er war stets fair und unbestechlich. “Die Nüchternheit seines Wesens, die Sachkenntnis bis ins Detail und die Zielstrebigkeit, mit der Willy Dehnkamp Zukunftsaufgaben anzupacken strebte, haben ihn zu einer prägenden politischen Kraft in Bremen und in der Bundesrepublik gemacht“, so schrieb Annemarie Mevissen anlässlich des 65. Geburtstages in der Bremer Bürgerzeitung.
Willy Dehnkamp starb am 12. November 1985. Mit einem Staatsakt in der Oberen Halle des Rathauses nahm Bremen am 19. November von ihm Abschied.