Senator Ulrich Mäurer: "Keiner der Betreiberinnen und Betreiber konnte oder wollte seine finanziellen Hintergründe darlegen / Bremen betritt damit bundesweit juristisches Neuland"
27.07.2022Nach dem Glücksspielstaatsvertrag haben gegenwärtig 34 Veranstaltende bundesweit die Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet oder stationär vor Ort erhalten. Auf dem bremischen Markt sind aktuell vier Veranstaltende aktiv und zwar Tipico, HAPPYBET, Tipwin sowie XTiP. Diese vier Veranstaltenden haben für die Stadtgemeinde Bremen Erlaubnisse zum Betrieb von insgesamt 32 Sportwettbüros beantragt (24 dieser Sportwettbüros waren bislang rechtlich nur geduldet, müssen nach dem Glücksspielstaatsvertrag nun aber behördlicherseits genehmigt werden. Acht weitere Sportwettbüros sollten nach Wunsch der Veranstaltenden neu eröffnet werden). Die Betreiberinnen und Betreiber arbeiten als Franchiseunternehmende für die Veranstaltenden. In Bremen gibt es aktuell zehn Betreiberinnen und Betreiber, die ein oder mehr Sportwettbüros betreiben.
Wettbüros, in denen Kundinnen und Kunden auf unterschiedlichste Sportarten Geld wetten können, stehen bundesweit immer wieder im Verdacht, nicht nur für Geldwäscheaktionen missbraucht, sondern mitunter auch dafür gebraucht zu werden. Aus diesem Grund hat die Bremische Bürgerschaft auf Initiative von Innensenator Ulrich Mäurer im Sommer vergangenen Jahres (Juli 2021) eine Änderung im Bremischen Glücksspielgesetz erlassen. Damit soll ein Schlupfloch im bundesweit geltenden Geldwäschegesetz geschlossen werden (siehe Hintergrundinformationen). Nach dem Glücksspielstaatsvertrag müssen nur die Veranstaltenden darlegen, woher ihr Geld für die Geschäftsgründung stammt. Bremen hat dieselbe Verpflichtung nun für die Vermittlerinnen und Vermittler, also für die Betreibenden der Wettbüros vor Ort, gesetzlich verankert und betritt mit dieser Neuregelung im Bremischen Glücksspielgesetz rechtliches Neuland.
Innensenator Mäurer stellte die Initiative heute auf einer Pressekonferenz im Rathaus gemeinsam mit Hilke Hülsmann aus dem Glücksspielreferat der Innenbehörde vor. Mäurer: "Die Branche ist laut der Nationalen Risikoanalyse der Bundesregierung zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (NRA) aus dem Jahr 2019 anfällig für das Waschen von Geldern aus kriminellen Machenschaften. An dem Gutachten der NRA haben 35 Behörden aus Bund und Ländern mitgewirkt, unter anderem das BKA." Um seine Aussage zu untermauern, zitierte Mäurer aus NRA: "(…) Geldwäscheaktivitäten erfolgen jedoch nicht nur unter Nutzung legaler Spielangebote, sondern regelmäßig auch als Investition in den Sektor selbst. Inkriminierte Gelder werden zur Gründung oder Finanzierung einer terrestrischen oder virtuellen Spielplattform eingesetzt, (…) Neben klassischen Investitionen in Immobilien (…) bieten auch Glückspielstätten und Wettbüros (…) die Möglichkeit zur Einschleusung kriminell erlangter Gelder in die Legalwirtschaft." Mäurer: "Viele gute Gründe, nicht nur den Veranstaltenden, sondern auch den Vermittlerinnen und Vermittlern auf den Füßen zu stehen und jeden Einzelfall genau anzuschauen."
Alle vier Veranstaltenden, die Erlaubnisanträge zum Betrieb von Wettbüros in Bremen gestellt haben, wurden deshalb in den vergangenen Monaten vom Bremer Ordnungsamt schriftlich aufgefordert, nachvollziehbar darzulegen, woher das Geld ihrer Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner zur Eröffnung der jeweiligen Wettbüros stammt. Die Eröffnung einer Wettvermittlungsstelle kostet die Betreibenden als Franchisenehmende je nach Wettveranstalter und Wettveranstalterinnen bis zu 120.000 Euro. Die erforderlichen Unterlagen sind bis heute von keinem und keiner Antragstellenden eingereicht worden. (Nur in einem Fall liegen die Voraussetzungen nicht primär aufgrund fehlender Unterlagen, sondern wegen zu großer Nähe zu einer Schule nicht vor. In den vergangenen Wochen und Monaten gab es zudem auch schon mehrere Ablehnungen wegen der Unterschreitung des Mindestabstandes zu Schulen oder wegen fehlender Zuverlässigkeit.)
Den vier Sportwettveranstaltenden als Antragsstellerinnen und Antragssteller für die Erlaubniserteilung zum Betrieb von Wettvermittlungsstellen sind nun in diesen Tagen die Ablehnungsbescheide für insgesamt 32 Anträge zugestellt worden. 24 waren bislang in der Stadtgemeinde Bremen nur geduldet, acht sollten nach den Plänen der Veranstalter neu eröffnen. Mit Erhalt der Ablehnungsbescheide stellt die Vermittlung in den Sportwettbüros ab sofort illegales Glücksspiel dar. Die jeweiligen Betreibenden dieser Wettbüros haben parallel dazu eine Anhörung für eine Schließungsverfügung erhalten. Sie haben bis Anfang August Zeit, im Anhörungsverfahren darzulegen, woher ihre Gelder stammen. Sollte dies nicht möglich sein, müssen sie die Wettbüros schließen und ihre Außenwerbung abnehmen. Dies würde notfalls auch mit polizeilichen Mitteln durchgesetzt.
"Im Kern geht es uns darum, die Zuverlässigkeit dieser Betreibenden zu überprüfen", betonte Mäurer. "Wir wollen zudem sicherstellen, dass hier keine Gelder aus dunklen Geschäften wie Drogen- oder Menschenhandel gewaschen werden und auf diese Art und Weise in den legalen Geldkreislauf fließen können." Der jeweilige Nachweis der Geldwäsche sei jedoch oft schwer zu belegen. Eine bloße Vermutung reiche dabei nicht, so Mäurer. Der erste Schritt mit der Ablehnung der Anträge und der drohenden Schließungsverfügungen sei nur verwaltungsrechtlich begründet. Ein zweiter Schritt werde es sein, bei weiteren Hinweisen in enger Kooperation mit der Staatsanwaltschaft in Einzelfällen Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Innensenator Mäurer geht davon aus, dass die Veranstaltenden nun gerichtlich gegen die Versagungsbescheide vorgehen werden. Schließlich gehe es um viel Geld. Mäurer: "Wir betreten mit unserer Initiative rechtliches Neuland. Das ist immer ein gewisses Risiko. Aber das ist es uns wert."
Auch in Bremerhaven wird die Antragsbearbeitung in Kürze abgeschlossen sein. Drei Veranstaltende haben für vier Betreiberinnen und Betreibern Erlaubnisanträge für insgesamt fünf Sportwettbüros gestellt.
"Wir rechnen mit viel Gegenwind von der anderen Seite", so Mäurer. Zugleich machte der Bremer Innensenator erneut auf seine Initiative gegen die Werbung für Sportwetten aufmerksam: "Nach neuesten Studien sind 1,3 Millionen Menschen in Deutschland glücksspielsüchtig. Weitere 3,25 Millionen stehen auf der Kippe und zeigen ein riskantes Verhalten. Die Zahlen gehen steil nach oben. Während es in Italien schon ein Werbeverbot gibt und auch die Forderungen nach Werbeverboten in anderen europäischen Ländern wie zuletzt etwa Belgien, Dänemark und den Niederlanden lauter werden, stehen wir in Deutschland mit dieser Debatte noch am Anfang."
In den anderen Bundesländern besteht bislang nur die Voraussetzung einer allgemeinen Zuverlässigkeitsbescheinigung für die Betreibenden von Wettbüros. Dies wird in der Regel durch die Vorlage von Führungszeugnissen glaubhaft gemacht. Diese sind aber dann wenig aussagekräftig, wenn sich Betreiberinnen und Betreiber sauberer Strohleute bedienen.
Für die Geldwäscheaufsicht im Glücksspielbereich ist im Lande Bremen der Senator für Inneres zuständig. Er hat die Einhaltung der nach dem Geldwäschegesetz (GwG) festgelegten Anforderungen an die Verpflichteten sicherzustellen. Das sind im Land Bremen die Spielbank, die Buchmacherinnen und Buchmacher (Pferdewetten) und die Vermittlerinnen und Vermittler von Sportwetten, also die Betreibenden der Wettbüros. Das GwG geht von der Prämisse aus, dass für die Verpflichteten ein Risiko besteht, von Dritten für Geldwäschezwecke missbraucht zu werden. Daher müssen sämtliche Mitarbeitende geschult und sensibilisiert werden, um Versuche der Geldwäsche als solche zu erkennen. Von zentraler Bedeutung ist die Abgabe von Verdachtsmeldungen an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU). 2020 wurde seitens aller Wettvermittlungsstellen in Bremen nur eine Verdachtsmeldung an die FIU abgegeben.
Die NRA beschreibt aber auch das nicht seltene Phänomen, dass Kriminelle in den Sektor selbst investieren, indem sie z.B. inkriminierte Gelder verwenden, um Wettbüros zu eröffnen und dort – jedenfalls teilweise – ein Scheingeschäft zu betreiben. In diesen Fällen wird der Betrieb nicht für Geldwäsche missbraucht, sondern er wird dafür gebraucht. Das wiederum kann mit der Geldwäscheaufsicht nach dem GwG weder verhindert noch aufgedeckt werden. Wenn man dies außer Acht lässt, verkommt die Geldwäscheaufsicht im schlechtesten Fall zu einer bloßen Verwaltung des Unrechts. Daher die Änderung im Bremischen Glücksspielgesetz.
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