Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2018
24.04.2019Innensenator Ulrich Mäurer hat heute (Mittwoch, 24. April 2019) gemeinsam mit dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen, Dierk Schittkowski, den Verfassungsschutzbericht 2018 vorgestellt.
Wie im Jahr zuvor begann Innensenator Mäurer die Pressekonferenz mit der auch im vergangenen Jahr gleichbleibend hohen Bedrohung durch islamistisch motivierte Terroristen oder Einzeltäter. Inzwischen gebe es bundesweit über 1.000 Ermittlungsverfahren gegen Tatverdächtige. "Das Bremer Landesamt für Verfassungsschutz erreichen nahezu jede Woche Hinweise auf gefährliche Personen, denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachgehen müssen", betont Mäurer. Wie hoch die latente Gefahr von Anschlägen in Deutschland sei, zeige auch das Beispiel des ‚Rizin-Fundes‘ im Juni vergangenen Jahres in Köln, mit dem der Tatverdächtige nach Einschätzung des Verfassungsschutzes mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Gift-Terroranschlag ausführen wollte. Darüber hinaus habe sich erst im April dieses Jahres die bundesweite Zahl des islamistisch-terroristischen Personenpotenzials auf 2.240 leicht erhöht (2018: 2.220 Personen). In Bremen gehen die Sicherheitsbehörden weiter von einer niedrigen zweistelligen Zahl aus, wobei sich nicht alle dieser Personen derzeit in Deutschland aufhalten. Überwiegend haben sie zudem eine deutsche Staatsangehörigkeit.
Der Schwerpunkt der Beobachtung für den Bremer Verfassungsschutz lag 2018 wieder auf der Beobachtung der salafistischen Szene Bremens. Hier war ein Anstieg auf nunmehr rund 540 Personen zu verzeichnen. Diese Zahl umfasst sowohl den gewaltfreien politischen Salafismus, als auch gewaltunterstützende und gewaltbefürwortende bis hin zu gewalttätigen Personen. Am 10. April 2019 kam es zu einer Razzia in mehreren Bundesländern gegen den Verein Ansaar International, der seit dem Verbot von "LIES" als Auffangbecken für Salafisten dient. "Entgegen dem Rückgang öffentlichkeitswirksamer Aktionen, entfaltet die salafistische Szene in Begegnungsstätten salafistisch geprägter Organisationen und Moscheen als auch in den sozialen Medien noch immer eine Sogkraft auf junge Leute", betont Schittkowski.
Gleichzeitig, betont Innensenator Mäurer, dürfe die Fokussierung auf den islamistischen Terrorismus nicht dazu führen, dass das nicht militante Spektrum des Islamismus vernachlässigt werde. Neben der konkreten Terrorabwehr habe der Verfassungsschutz auch den Auftrag, Trends im politischen Extremismus zu erkennen und zugleich über die langfristigen Gefahren für die Demokratie aufzuklären. Aus diesem Grund müsse nach der Zerschlagung des IS verstärkt das nicht-militante Spektrum des Islamismus in den Blick genommen werden, so Mäurer.
Im Jahr 2018 waren weiterhin die zu erwartenden zurückkehrenden Frauen und Kinder aus den Jihad-Gebieten ein Themenschwerpunkt. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist aus diesem Grund eng in die Arbeit von KODEX (Kompetenzzentrum De-Radikalisierung und Extremismusprävention) bei der Innenbehörde eingebunden. Der Austausch mit den dort vertretenen Bremer Behörden hat das Ziel, neben strafprozessualen auch sozialtherapeutische Maßnahmen zur De-Radikalisierung für Rückkehrer und Rückkehrerinnen zur Verfügung zu stellen. Das Landesamt für Verfassungsschutz begleitet den Prozess der Einrichtung von KODEX von Anbeginn an sehr intensiv und kann dabei auf seine langjährige Erfahrung und Vernetzung im Themenfeld Islamismusprävention in Bremen zurückgreifen.
Ebenso bleibt auch die Lage im Bereich des Ausländerextremismus angespannt. Die Geschehnisse in der Türkei und Syrien spiegelten sich nach Darstellung von Dierk Schittkowski auch in Deutschland durch ein verstärktes Demonstrationsgeschehen und eine gesteigerte Emotionalisierung der Anhänger der verschiedenen Ausländerorganisationen wider. Dies wurde z.B. mit Beginn der türkischen Militärschläge gegen die von der "Partiya Yekitiya Demokrat" (PYD) dominierten Gebiete rund um die nordsyrische Stadt Afrin und der Einnahme dieser deutlich. Im Bundesgebiet gab es neben zahlreichen Demonstrationen auch militante Aktionen gegen türkische Einrichtungen, wie etwa Farb- und Brandanschläge. Diese Entwicklungen kann man auch in Bremen feststellen.
Der Rechtsextremismus ist ein weiterer Beobachtungsschwerpunkt des Landesamtes für Verfassungsschutz. Hier zeigt sich, wie es Rechtsextremisten zunehmend gelingt, Einfluss auf öffentliche Meinungsbildungsprozesse zu nehmen: Unter Verdeckung etwaiger Szenebezüge nach außen und mittels propagandistisch aufbereiteter Beiträge über islamistischen Terrorismus, Gewalttaten vermeintlicher Ausländer oder militanter Linksextremisten schüren Rechtsextremisten die Ängste und Sorgen einer Vielzahl von Menschen. So werden diffamierende Stereotypenbilder transportiert, die dazu führen, dass Menschen pauschal, z. B. wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe, abgewertet werden.
Eine herausragende Rolle, so Innensenator Mäurer, war in diesem Zusammenhang insbesondere den Parteiuntergliederungen der "Alternative für Deutschland", der "Jungen Alternative Bremen" (JAHB) oder dem "Flügel" beizumessen. Anhänger dieser Personenzusammenschlüsse propagierten politische Konzepte, die auf Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen und politisch Andersdenkenden, gerichtet seien. Zugleich verletzen sie damit die Menschenwürde sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip.
Die feststellbare Erosion der Abgrenzbarkeit rechtsextremistischer Strukturen und die hiermit verbundene Diskursverschiebung nach rechts brächten ein wachsendes Radikalisierungspotential von Einzeltätern und Kleinstgruppen innerhalb dieses Phänomenbereiches mit sich. Mäurer: "Wir müssen feststellen, dass sich im vergangenen Jahr die Grenzen des Sagbaren schleichend weiter nach rechts verschoben haben. Der Ton in politischen Auseinandersetzungen wird härter. Dabei werden Tabubrüche systematisch eingesetzt, mit dem Ziel, die öffentliche Meinung an hanebüchene Thesen zu gewöhnen."
Auch in der linksextremistischen Szene zeigten sich Wechselwirkungseffekte, die sich anlassbezogen in Form von konfrontativer Gewalt mit den politischen Gegnern entlüden, betont Dierk Schittkowski. Die hohe Anziehungskraft, die mit dem Betätigungsfeld "Antifaschismus" verbunden ist, werde unter anderem daran deutlich, dass sich neben Linksextremisten auch "anpolitisierte" oder gänzlich unpolitische, erlebnisorientierte Jugendliche hieran beteiligen.
Innensenator Mäurer: "Um die genannten Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen rechtzeitig zu erkennen, ist die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz unverzichtbar. Eine ausreichende personelle Ausstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz ist unabdingbar, um der immer größer werdenden Gefahr vor allem durch den islamistischen Terrorismus etwas entgegensetzen zu können."
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In Bremen gab es im vergangenen Jahr insgesamt 152 Straftaten (2017: 110, 2016: 122, 2015: 126 und 2014: 142) politisch motivierter Kriminalität von rechts, davon 4 Gewalttaten. (2017: 4 2016: 13, 2015: 6 und 2014: 4).
Die politisch motivierte Kriminalität von links zählte in Bremen 119 Straftaten in 2018 (2017: 126, 2016: 70, 2015: 88 und 2014: 77). Darunter waren 15 Gewaltdelikte (2017: 11, 2016: 14, 2015: 7 und 2014: 8).
Die politisch motivierte Ausländerkriminalität zählte 29 Straftaten in 2018 (2017: 23, 2016: 52, 2015: 34, 2014 44) darunter 5 Gewaltdelikte (2017: 1, 2016: 13, 2015: 2, 2014: 9).
In Bremen wurden im vergangenen Jahr 15 antisemitische Straftaten verübt (2017: 17, 2016: 6, 2015: 8, 2014: 15)
(Nachzulesen im Bericht Seite 105)
Verfassungsschutzbericht 2018: Bericht-Download (pdf, 2.4 MB)
Foto: Der Senator für Inneres
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