Seit Jahren fordern nicht nur Kinderschutzorganisationen, dass die Kinderrechte explizit ins Grundgesetz geschrieben werden – genauso lang hinkt Deutschland bei der Umsetzung der entsprechenden UN-Kinderrechtskonvention hinterher. Jetzt hat das Bundesjustizministerium einen ersten Referentenentwurf vorgestellt, um diese Lücke zu schließen: Durch eine Ergänzung von Art. 6 GG (Schutz von Ehe, Familie und Elternrecht) mit einem neuen Absatz 1a soll festgehalten werden, dass jedes Kind „das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte“ hat. Außerdem sollen Kinder bei staatlichen Entscheidungen, die ihre Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör haben. Bremens Senatorin für Justiz und Verfassung, Claudia Schilling, und Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Jugend und Integration, begrüßen den vorliegenden Vorschlag als Auftakt zur politischen Debatte, formulieren aber auch weitergehende Vorstellungen.
„Der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf ist der Startschuss für die Verankerung von Kinderrechten und ein richtiges Signal. Durch die Grundgesetzänderung wird dafür gesorgt, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen in vielen Bereichen verstärkt mit einbezogen werden. Kinder werden damit in Deutschland rechtlich deutlich bessergestellt“, betont die Senatorin für Justiz und Verfassung, Claudia Schilling.
Bremen werde sich in den nun anstehenden Diskussionen über das Thema weiterhin engagiert einbringen: „Der jetzt vorgelegte Referentenentwurf ist eine gute Basis. Wir hoffen allerdings, noch einen Schritt weiterzukommen“, so Schilling. Dafür hatte sich Bremen schon im Vorfeld in der eigens zum Thema eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe stark gemacht. Schilling: „Aus unserer Sicht ist es beispielsweise wichtig, dass das Kindeswohl mit einer noch deutlicheren Formulierung in den Fokus der Gesetzesänderung genommen wird. Wir wissen allerdings auch, dass bereits der vorliegende Entwurf Teilen der Regierungskoalition zu weit geht. Um es in diese Richtung noch einmal klar zu sagen: Es geht nicht darum Elternrechte zu beschneiden – niemand stellt das Erziehungsrecht der Eltern in Frage. Es geht vielmehr darum die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken.“
Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport begrüßt ebenfalls die Initiative der Bundesregierung, kritisiert aber deutlich die Zurückhaltung des vorliegenden Referentenentwurfs: „30 Jahre nach Verabschiedung der UN- Kinderrechtskonvention ist die Initiative ein richtiges Zeichen, aber die Formulierungsvorschläge bleiben hinter meinen Erwartungen zurück“, sagt sie. „Die Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention – das Recht auf Schutz, Förderung und Beteiligung sowie die Orientierung des Staates am Kindeswohl – werden zwar aufgegriffen, dies aber offenbar aufgrund der Vorbehalte von Teilen der Regierungskoalition nicht deutlich genug. Die Rechte der Kinder müssen stärker ausgestaltet werden.“ Nach dem vorliegenden Referentenentwurf sei das Kindeswohl bei staatlichem Handeln nur „angemessen“ zu berücksichtigen und nicht „wesentlich“ oder „vorrangig“. Das sei ein erheblicher Unterschied: „Die Grundgesetzänderung entfaltet spürbare Wirkung aber nur dann, wenn das Kindeswohl immer mit Priorität berücksichtigt wird und nicht als eines von vielen Entscheidungskriterien“, betont die Sozialsenatorin. „Wir müssen die Debatte in diese Richtung weiterentwickeln.“
Hintergrund
Der Textvorschlag im aktuellen Referentenentwurf lautet:
„Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.“
Ansprechpartner für die Medien:
Matthias Koch, Pressesprecher bei der Senatorin für Justiz und Verfassung, Tel.: (0421) 361-10425, E-Mail: matthias.koch@justiz.bremen.de