Mit einer gemeinsamen Erklärung verurteilen die norddeutschen Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Wir stehen gemeinsam mit der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft in Solidarität an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther nach Beratungen der Konferenz Norddeutschland (KND) heute (21. April 2022) in Kiel. Die norddeutschen Länder würden weiterhin ihren Beitrag leisten, Schutzsuchende aufzunehmen, unterzubringen und zu versorgen. Besonders wichtig sei es, ankommende Kinder, Jugendliche und Familien zu unterstützen. Die Länder wollen zudem alles unternehmen, damit der Konflikt zwischen Russen und Ukrainern nicht nach Deutschland getragen wird. Bürgermeister Andreas Bovenschulte: "Beleidigungen, Übergriffe und Gewalttaten werden wir nicht akzeptieren. Das staatliche Sicherheitsversprechen gilt für alle Menschen in Deutschland."
Übergabe des KND-Vorsitzes an Bremen
Ein Jahr lang hat Schleswig-Holstein als Vorsitzland die Interessen der norddeutschen Länder koordiniert. Ministerpräsident Daniel Günther gab den Vorsitz heute turnusmäßig weiter an Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Dort findet in einem Jahr die nächste Konferenz Norddeutschland statt.
"Blaue Wirtschaft" als Alleinstellungsmerkmal der Nordländer
Im Mittelpunkt der politischen Gespräche stand neben den aktuellen Ereignissen in der Ukraine die Zusammenarbeit der norddeutschen Länder im Bereich der "Blauen Wirtschaft." An den Beratungen unter Vorsitz von Günther nahmen neben Bürgermeister Andreas Bovenschulte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher teil. Gemeinsames Ziel sei es, Norddeutschland als Region modern, innovativ und krisenfest aufzustellen, heißt es in einem zur "Blauen Wirtschaft" beschlossenen Papier der KND. Das betreffe nicht nur Schifffahrt und Häfen, Schiffbau und die maritimen Technologien, sondern auch den Bereich der sektorenübergreifenden Energiewende. "Hier haben wir als Nordländer ein echtes Pfund und ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem wir wuchern können", sagte Günther.
Gemeinsame norddeutsche Perspektiven in der Energiewende
Zahlreiche renommierte Hochschulen sowie maritime wissenschaftliche Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen in Norddeutschland könnten dazu beitragen, auf wichtige Fragen der Energiewende, des Klima- und Umweltschutzes sowie der Rohstoffversorgung Antworten zu geben, heißt es in dem Papier weiter. "Der Krieg in der Ukraine verschärft mit Blick auf die Energieversorgung den Druck auf Wirtschaft und Gesellschaft. Auch die klimapolitischen Ziele der Europäischen Union verlangen von uns alle Anstrengungen. Die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinaus ist daher wichtiger denn je", sagte Günther. Norddeutschland müsse daher seine Chancen in den Bereichen Windenergie an Land und auf See sowie Wasserstoff noch stärker als bisher nutzen.
Voraussetzungen für nationalen Schiffbau verbessern
Bei einem Besuch der Werft German Naval Yards hatten sich die Regierungschefin und die Regierungschefs am Vormittag über die aktuelle Situation in der Schiffbauindustrie informiert. Aktuell entstehe weltweit ein milliardenschwerer Markt mit einem enormen Bedarf der Industrie an Spezialschiffen für Installation, Bau, Betrieb und Wartung etwa von Windparks. Zudem werde die Ankündigung der Bundesregierung, die Verteidigungsausgaben deutlich zu steigern, Auswirkungen auf den Marineschiffbau in Norddeutschland haben. "Schiffbau und Schiffszulieferindustrie müssten deshalb gestärkt werden", heißt es dazu in einem Beschluss der KND.
Für eine faire Verteilung der Netzentgelte
Die norddeutschen Regierungschefs machen sich dafür stark, die regionale Verteilung der Netzentgelte fair auszugestalten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Norddeutschland diene zunehmend der Bereitstellung des Stroms für ganz Deutschland. Daher sei nicht gerechtfertigt, dass die Kosten überproportional von den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Norddeutschland getragen werden. Angesichts der aktuell hohen Energiepreise sei eine faire Verteilung der Netzentgelte eine wichtige Voraussetzung, um die Energiewende zu beschleunigen und die Klimaziele zu erreichen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich des damit verbundenen Netzausbaus sei eine gesamtstaatliche Aufgabe.
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte: "Die Umstellung unserer Industrie auf eine klimaneutrale Produktion ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zukunft. Das Land Bremen aber auch den Norden insgesamt sehe ich da gut aufgestellt. Wir gehen voran bei der Produktion und Anwendung von grünem Wasserstoff, wir gehen voran mit dem Ziel, unsere Industrie zukunftsfähig umzubauen. Die Nähe zu den Offshore- und den Onshore-Windparks ist dabei ein wichtiger Standort-Vorteil. Den gilt es zu nutzen und den Transformationsprozess entschlossen und schnell anzugehen."
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: "Wir fünf norddeutschen Länder sind hochmotiviert und sehr gut in der Lage, in den nächsten Jahren energiepolitisch noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Viel Wind, Speicherkapazitäten und Know How in Sachen Wasserstoff sowie Anlandemöglichkeiten für LNG-Frachter – all das hat vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges und der umweltpolitischen Herausforderungen eine enorme Bedeutung für ganz Deutschland."
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: "Die norddeutschen Länder sind gemeinsam der Auffassung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden muss. Wir sind dazu bereit. Es ist unser gemeinsames Anliegen, dass die Energiewende in Deutschland gelingt und unser Land unabhängiger von Energieimporten wird. Zugleich sind die erneuerbaren Energien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie sorgen auch für Arbeitsplätze in der maritimen Industrie, die wir gemeinsam mit der Branche weiterentwickeln wollen."
Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher: "Norddeutschland ist eine starke Region für die Wirtschaft und den Klimaschutz. Die Corona-Pandemie, die Blockade des Suez-Kanals und aktuell die Ukraine-Krise haben gezeigt, wie bedeutsam die internationalen Lieferketten und eine stabile Versorgung mit Rohstoffen und Produkten sind. Die norddeutschen Seehäfen und die maritime Logistik haben eine zentrale Funktion für die deutsche Wirtschaft, indem sie eine gute Anbindung an die internationalen Märkte sicherstellen. Sie ermöglichen uns derzeit auch, über den Import von LNG kurzfristig Alternativen zu russischen Erdgaslieferungen zu schaffen."
Beratungen mit dem Unternehmerkuratorium Nord
Im Anschluss an die Konferenz Norddeutschland tauschten sich die Regierungschefin und die Regierungschefs mit dem Unternehmerkuratorium Nord aus. "In den kommenden Jahren werden viele Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung Norddeutschlands gestellt. Daher ist es wichtig, dass wir uns regelmäßig vertrauensvoll auch in dieser Runde austauschen", so Ministerpräsident Günther.
Rolf Sörensen, Vizepräsident der IHK Schleswig-Holstein, sagte: "Das von der KND unter Federführung Schleswig-Holsteins vorgelegte Papier zur ‚Blauen Wirtschaft‘ bietet große Chancen, die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft im Norden weiter zu festigen. Der Wille ist auf beiden Seiten erkennbar, Norddeutschland einen auf seine Stärken und Potenziale zugeschnittenen Handlungsrahmen zu geben. Vor allem braucht es in der Energiepolitik schnellstens eine faire Neugestaltung der Netzentgelte. Dass die Unternehmen ausgerechnet in der Region, die die deutsche Energiewende maßgeblich voranbringt, die bundesweit höchsten Preise bezahlen, ist schlicht inakzeptabel."
Dr. Philipp Murmann, UV Nord-Präsident: "Die norddeutsche Wirtschaft ist mit der heutigen Zusammenkunft außerordentlich zufrieden. Es ist gelungen, die norddeutsche Zusammenarbeit auf ein noch höheres Niveau zu heben – ein Verdienst des gastgebenden Ministerpräsidenten Daniel Günther. Wie wichtig es ist, Regional-Egoismen zu überwinden, zeigt die geopolitische Lage in Europa. Die Themen sind gesetzt, auf denen wir eng zusammenarbeiten müssen, insbesondere in der Energiepolitik, im Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und das gemeinsame Nutzen aller Chancen im Bereich erneuerbarer Energien, insbesondere Wasserstoff. Der Norden hat viel Potenzial. Wir müssen dieses ausschöpfen. Die Basis ist und bleibt die Erreichbarkeit und eine exzellente Verkehrsinfrastruktur. Hier haben wir noch Nachholbedarf, den wir gemeinsam identifiziert haben. Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die zentralen norddeutschen Verkehrsprojekte in einen Bundesverkehrswegeplan 2040 und teils auch in die Transeuropäischen Verkehrsnetze aufgenommen und zügig umgesetzt werden."
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