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Landestierschutzbeauftragte: "Menschen sind für das Elend der Stadttauben verantwortlich"

Prof. Dr. Sibylle Wenzel äußert sich zum Tag der Tauben am 13. Juni 2023

12.06.2023

Pressemitteilung der Landestierschutzbeauftragten

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Kaum ein Tier spaltet die Gemüter in deutschen Städten mehr als die Stadttaube. Von den einen geliebt und versorgt, von den anderen gehasst und misshandelt. Zum Tag der Taube am 13. Juni 2023 klärt die Landestierschutzbeauftragte des Landes Bremen, Prof. Dr. Sibylle Wenzel auf: "Stadttauben führen in den allermeisten Städten in Deutschland ein erbarmungswürdiges Leben, für das wir Menschen verantwortlich sind. Seit Jahrtausenden sind Wildtauben für unsere Zwecke gezüchtet worden. Wichtig in früheren Jahren waren eine enorme Standorttreue, hohe Reproduktionsraten und ein insgesamt friedfertiges Wesen bei geringer Scheu vor dem Menschen. Eigenschaften, die den Tauben in den Städten heute zum bitteren Verhängnis werden."

Die enorme Standorttreue führt dazu, dass ein einmal auserkorener Brutplatz immer wieder genutzt wird. Häufig brüten Tauben zwischen, hinter oder auf angebrachter Taubenabwehr. Überleben die Elterntiere, werden Jungtauben in vielen Fällen Opfer, indem sie sich auf sogenannten Spikes aufspießen, sich in Netzen verfangen und den Ausgang nicht finden. Zu beachten ist, dass viele kommerziell erhältliche Taubenabwehrsysteme nicht tierschutzkonform und damit nach Tierschutzgesetz verboten sind. Es ist der Grundsatz zu beachten, dass es zu keinen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei den Tieren kommen darf, auch nicht bei allen anderen Tieren, die in Kontakt mit den Abwehrsystemen kommen können.

Viele Jungtauben verhungern oder sterben bereits im Nest oder in unmittelbarer Nähe. Da Tauben im Laufe der Domestikation ihre Bruthygiene verloren haben, werden die neuen Eier auch auf den verendeten Jungtieren abgelegt; ein hygienisches Desaster – nicht nur für die Tiere selbst. Trotz dieser hohen Sterberate vermehren sich die Tauben in deutschen Städten rasant. Und eine unkomplizierte Lösung ist nicht in Sicht, da Städte für den ursprünglichen Felsenbrüter grundsätzlich perfekte Optionen bieten.

"Das Problem an tierschutzkonformen Lösungen ist, dass sie sehr teuer sind und ein Erfolg nicht garantiert ist. So streiten sich Städte und Kommunen häufig mit Tierschutz- oder Taubenvereinen, wer für die Kosten aufkommt", so Sibylle Wenzel. Die einen sagen, dass es sich bei Stadttauben eindeutig um herrenlose Haustiere handelt und die anderen, dass es verwilderte Haustiere sind. Abhängig von der Einstufung sind laut Gesetz die Städte oder Kommunen für die Tiere verantwortlich oder die Person, die einem Tier helfen möchte und es in seine Obhut nimmt. "Grundsätzlich ist es aus Sicht des Tierschutzes völlig unerheblich, wie ein Tier eingestuft wird und es spielt keine Rolle, ob es ein herrenloses oder verwildertes Haustier ist. Fakt ist, dass die Tauben in vielen deutschen Städten ein Leben in unerträglichem Elend führen, für das entweder der Taubenzüchter oder eben wir gesamtgesellschaftlich verantwortlich sind. Die Hauptlast tragen in vielen Fällen jedoch nach wie vor Privatpersonen, die nicht (mehr) wegschauen können. Dies ist weder fair den helfenden Menschen noch den Tieren gegenüber. Deswegen ist es dringend geboten, konsequent tierschutzkonforme Lösungen umzusetzen", so Sibylle Wenzel. Je länger damit gewartet wird, desto unlösbarer wird die Situation sowohl für die Tauben selbst, aber auch für die Menschen, die helfen oder unter den Massen an Tauben zum Beispiel in ihrem Arbeitsumfeld leiden. "Ist man einmal sensibilisiert für die Thematik, bleiben häufig nur zwei Optionen: Entweder mit Scheuklappen durch Innenstädte zu laufen oder diese komplett zu meiden. Ansonsten müsste man täglich kranken, verletzten oder in Not geratenen Tieren helfen", sagt Sibylle Wenzel.

Um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen bedarf es unter anderem folgender, tierschutzkonformer Lösungen:

  • Schaffung einer zentralen Stelle für die Koordinierung der einzelnen Projekte. Dies sollte gekoppelt sein an bestimmte Befugnisse der Personen, zum Beispiel bezüglich der Anordnung bestimmter Maßnahmen,
  • Parallele Durchführung aller notwendiger Projekte, wie zum Beispiel der Errichtung von betreuten Taubenhäusern, Sanierung bestehender, wilder Brutstätten und Beseitigung nicht tierschutzkonformer Taubenabwehrsysteme,
  • Schaffung der Möglichkeit zur Versorgung und Aufnahme verletzter und kranker Tiere,
  • Zusammenarbeit aller zuständigen Behörden und der Tauben- und Tierschutzvereine,
  • Hilfestellung für betroffene Firmen sowie Bürgerinnen und Bürger,
  • Konsequente Populationsregulierung, entweder über Eiertausch in den betreuten Schlägen und wilden Brutplätzen oder über chirurgische Sterilisation männlicher Tiere (ähnlich wie bei verwilderten Hauskatzen).

Ansprechpartnerin für die Medien:
Prof. Dr. Sibylle Wenzel, Landestierschutzbeauftragte Bremen, Tel.: (0421) 361-92030, E-Mail: sibylle.wenzel@landestierschutz.bremen.de