Der neue Band des Bremischen Jahrbuchs (Band 90, 2011), herausgegeben vom Staatsarchiv Bremen in Verbindung mit der Historischen Gesellschaft Bremen, ist soeben erschienen. Als Titelbild des Bandes stellt Thomas Elsmann Zeichnungen aus bislang unpublizierten Handschriften vor, die der Staats-und Universitätsbibliothek Bremen von den Kunstsammlungen der Böttcherstraße zugingen. Der Aufsatzteil vereint neueste Forschungen zur bremischen Geschichte aus verschiedenen Epochen und Disziplinen der Geschichtswissenschaft.
Der geographische Bogen reicht dabei bis nach Übersee, im Jahr 2011 mit zwei umfangreichen Beiträgen in die USA. Michael Rüppel hat intensiv die Verbindungen des in Bremen tätigen hannoverschen Beamten Adolph Freiherr Knigge mit einem Auswanderungsprojekt von William Berczy in die Vereinigten Staaten untersucht. Der Beitrag beleuchtet dabei das Verhältnis des berühmte Bremer Freiherrn und Aufklärers zu der jungen amerikanischen Republik.
Einem sehr dramatischen Ereignis in der wechselvollen Geschichte der Beziehungen Bremens mit den USA ist Christian Ostersehlte in einer grundlegenden Untersuchung nachgegangen. Die Brandkatastrophe im Terminal des Norddeutschen Lloyd in Hoboken bei New York steht im Zentrum seiner Arbeit zu dem von 1863-1917 genutzten Passagierterminal. Am 30. Juni 1900 kam es am Lloyd-Terminal zu einer der größten Brandkatstrophen New Yorks mit mehreren Hundert Todesopfern. Ursache, Hergang und Folgen des Unglücks werden detailliert untersucht.
Eine wichtige Bremer Genussmittelbranche des 19. Jahrhunderts hat Horst Rössler erforscht. Sein Beitrag stellt unter dem Titel „Vom Zuckerrohr zum Zuckerhut“ nicht nur die Anfänge der Bremer Zuckerindustrie vor, sondern auch die Vita eines wichtigen Bremer Unternehmers und seine weitverzweigte Familie, den Zuckerfabrikanten Johann Böse.
Einer weiteren wichtigen Bremer Unternehmerpersönlichkeit verdanken Peterswerder, der Osterdeich und das Gebiet um das heutige Weserstadion ihre städtebauliche Erschließung: Franz Ernst Schütte starb vor 100 Jahren. Seine wichtige Rolle bei der Entwicklung dieses Gebietes der Freien Hansestadt zeichnet Harald Klingebiel in seiner Untersuchung nach.
Der Zeitgeschichte und den dunklen Seiten des 20. Jahrhunderts sind zwei Beiträge gewidmet. Jörg Wollenberg schildert kenntnisreich die Einrichtung der ersten Konzentrationslager Mißler und Ochtumsand 1933/34 in Bremen und das System der Einschüchterung und Drangsalierung von Gegnern des NS-Systems. Eine Miszelle von Wiltrud Ulrike Drechsel erinnert an Beispiel eines jüdischen Mitarbeiters des Norddeutschen Lloyd an ein Einzelschicksal der Vertreibung aus Bremen.
Nachrufe sind dem 2011 verstorbenen Bremen-Historiker Herbert Schwarzwälder und der ebenfalls 2011 verstorbenen Historikerin Sylvelin Wissmann gewidmet. Im Rezensionsteil wird wie immer über wichtige Neuerscheinungen zur bremischen Landesgeschichte informiert, weitere Titel und aktuelle Forschungen werden angezeigt.
Das Bremische Jahrbuch (Band 90) ist im Selbstverlag des Staatsarchivs Bremen erschienen und kostet 25 Euro. ISBN 978-3-925729-67-6