Zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit ist soeben eine Publikation zur Städtepartnerschaft Bremen-Postock erschienen. Sie beleuchtet in einem kleinen Ausschnitt ein Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte, das noch wenig aufgearbeitet ist. Umso bemerkenswerter ist diese Schrift, für die Prof. Dr. Lothar Probst von der Universität Bremen und Johann Saalfeld als Lehrbeauftragter an der Uni Rostock gemeinsam umfangreiches Material ausgewertet haben. Nachgezeichnet werden die Entstehungsgeschichte und der Verlauf der partnerschaftlichen Beziehungen, die im Jahr 1987 von beiden Hansestädten in einer Rahmenvereinbarung besiegelt wurden. Die Autoren machen deutlich, dass die Aktivitäten, die im Rahmen der Städtepartnerschaft Bremen-Rostock in den Jahren 1990-1992 entfaltet wurden, als vorbildlich gelten können. Ein besonders spannendes Kapitel befasst sich mit dem Einfluss der Stasi auf das Zustandekommen der Vereinbarung und deren Überwachung bis zur Wende.
Die Untersuchung zeigt u.a. auf, wie damals die Städtepartnerschaften von der obersten Entscheidungsinstanz der DDR strategisch geplant waren und nicht etwa der Eigeninitiative von Kommunen überlassen war. Dabei ging es der DDR vor allem darum, „ihren souveränen und gleichberechtigten Status nach außen und insbesondere gegenüber der Bundesrepublik zu inszenieren“. Bei den Verhandlungen zwischen der Bremer und Rostocker Delegation habe es für die Rostocker kaum eigenen Spielraum gegeben. Die Auswertung der Stasi-Akten gibt zudem einen Eindruck davon, wie sehr von Beginn an sogenannte IMs (informelle Mitarbeiter) – in die Planung und Umsetzung der Partnerschaft einbezogen waren. Kein Wunder - denn für die DDR-Spitzenfunktionäre waren Städtepartnerschaften durchaus bedrohlich. Schließlich war mit Kontakten zwischen den Bürgern beider Staaten zu rechnen. Und so war es ja auch: Bremens Bürgerinnen und Bürger machten sich die Vereinbarung zunutze und knüpften auf eigene Faust Beziehungen zu den Menschen in Rostock. Aus der Lektüre der Publikation wird deutlich, dass die Städtepartnerschaftliche Vereinbarung wie eine Initialzündung für vielfältigste zwischenmenschliche Kontakte wirkte. „Die offizielle Städtepartnerschaft war ein Türöffner für die deutsch-deutsche Zwischenmenschlichkeit, die sich dynamisch über alle Grenzen hinweg entwickelte“.
Die Publikation versteht sich auch als ein Beitrag zum Verständnis der Triebkräfte, die zur Überwindung der Deutschen Teilung und schließlich zur Deutschen Einheit geführt haben. „Auch wenn die Städtepartnerschaften im großen Drehbuch der Deutschen Einheit nur eine untergeordnete Rolle spielten, waren sie auf kommunaler Ebene ein wichtiges und unersetzliches Element der Aufbaus neuer Strukturen in Ostdeutschland“, schreiben die Autoren. Und sie zeichnen nach, wie kurz nach Öffnung der Mauer eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft auf Rostock zulief. So beschloss der Senat für die Jahre 1990-92 ein Hilfsprogramm über mehr als acht Millionen DM und half beim Aufbau neuer kommunaler Strukturen. Groß war auch die zivilgesellschaftliche Unterstützung, die von Bremer Vereinen, Organisationen, Unternehmen und einzelnen Bürgerinnen und Bürgern getragen wurde. „Der Neustart in die kommunale Selbstverwaltung Rostock wäre ohne bremische Hilfe kaum denkbar gewesen“, bilanziert der Oberbürgermeister von Rostock, Roland Methling.
Das Buch (gedruckt in der Universitätsdruckerei) kann gegen eine Schutzgebühr von 5 Euro bestellt werden bei der Universitätsbuchhandlung Bremen, Bibliotheksstraße 3, 2835 Bremen, Tel: 0421 211878