DFL muss Mehrkosten für Fußballeinsätze zahlen / Innensenator Ulrich Mäurer: „Ein guter Tag für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland“
29.03.2019Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat heute im Rechtsstreit um den ersten Gebührenbescheid an die Deutsche Fußball Liga (DFL) im Zusammenhang mit dem so genannten „Nordderby“ am 19. April 2015 die bremische Gebührenregelung als rechtmäßig bewertet. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer: „Nach dem Oberverwaltungsgericht in Bremen hat uns nun heute auch das Bundesverwaltungsgericht als oberste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit darin bestätigt, dass die Mehrkosten für Polizeieinsätze für Hochrisikospiele den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden dürfen. Damit schreibt Bremen Rechtsgeschichte. Ich hoffe, dass die DFL ihre Niederlage akzeptiert und nun eine bundesweite Finanzierungslösung auf den Weg bringt. Unabhängig davon werde ich meine Kollegen Innenminister zeitnah nach Bremen einladen, um mit ihnen gemeinsam die Konsequenzen des Urteils zu beraten. Falls sich keine gemeinsame Finanzierungslösung abzeichnet, werden wir die weiteren Kostenbescheide alsbald der DFL zustellen. Ich halte es für richtig, die ausstehenden 2,3 Millionen Euro für die Auszahlung von Überstunden zu nutzen, die bei der Polizei in der Vergangenheit im großen Umfang im Zusammenhang mit Fußballeinsätzen angefallen sind.“
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) wird sich hinsichtlich einer Detailfrage noch einmal mit dem Verfahren befassen: Hier geht es aber lediglich um die Frage, wie mit den Kosten, die bei der Ingewahrsamnahme von Störern entstehen, umzugehen ist.
Im Gegensatz zu der Verhandlung vor dem OVG Bremen im Februar 2018 ging es heute vor dem BVerwG nicht mehr um Tatsachenfeststellungen, also z.B. wie viele Polizeibeamte am 19. April 2015 im Einsatz waren etc., sondern ausschließlich um Rechtsfragen. Diese drehten sich im Kern darum, ob das Bremische Gebühren- und Beitragsrecht gegen Bundesrecht verstößt. Dies ist nicht der Fall. Die Gegenseite hatte argumentiert, dass Kostenrechnungen sowohl einen Verstoß gegen die „Finanzverfassung“, gegen das „Bestimmtheitsgebot“ als auch gegen die Grundrechte darstellten.
Dem hatte der Bremer Vertreter, Prof. Dr. Joachim Wieland, entgegengehalten, dass es zwar richtig sei, dass Aufgaben von Polizei und Feuerwehr grundsätzlich über Steuern finanziert würden, diese Tatsache aber nicht ausschließe, dass der Gesetzgeber auch Gebühren erheben dürfe, wie etwa für die polizeiliche Begleitung von Schwerlasttransporten. Das Argument der Gegenseite hinsichtlich des „Bestimmtheitsgebotes“ bezog sich auf unbestimmte Rechtsbegriffe in dem Bremischen Gebührenrecht wie „erfahrungsgemäß“ oder „zu erwartende Gewalthandlungen“ (s.u.). Der Veranstalter könne somit, so die Vertreter der DFL, im Vorfeld nicht nachvollziehen, was der Gesetzgeber von ihm verlange. Die Bremer Seite hielt dem entgegen, dass die Rechtsbegriffe zwar auslegungsbedürftig, aber auch auslegungsfähig seien. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich bestätigt. Unbestimmte Rechtsbegriffe seien Gesetzestexten zudem nichts Ungewöhnliches, so Prof. Wieland. Diesem Argument folgte das BVerwG ebenso wie der Position Bremens zu einem vermeintlichen Eingriff in die Berufsfreiheit. Der Senat in Leipzig unterstrich, dass der Gesetzgeber auch solche Regelungen treffen dürfe, die in das Grundrecht eingriffen. Dies dürfe nur nicht in „unzulässiger Weise“ geschehen. Das BVerwG dazu: „Eine Gebühr bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung. Diese liegt hier darin, dass die Polizei einen erheblichen Mehraufwand gerade aus Anlass einer kommerziellen Hochrisikoveranstaltung betreiben muss. Dieser zusätzliche Aufwand darf dem Veranstalter zugerechnet werden.“ Die DFL als Veranstalter sei „Nutznießer einer besonders aufwendigen polizeilichen Sicherheitsvorsorge“.
Innensenator Ulrich Mäurer dazu: „Wir haben zu Beginn unseres Weges neben Zustimmung auch viel Zweifel und sogar Spott geerntet. Aber es zeigt sich, dass es sich lohnt, auch scheinbar unverrückbare Positionen im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Frage zu stellen und neu zu diskutieren.“ Schließlich sei es der Öffentlichkeit nur schwer zu erklären, dass sogenannte Rotspiele in der Bundesliga jährlich hohe Einsatzkosten und Tausende von Überstunden für die Polizei verursachten, während die DFL für die Saison 2017/2018 einen erneuten Rekordumsatz in Höhe von 4,42 Milliarden Euro öffentlich bejubelt.
Wie auch das OVG in Bremen zeigte sich der Senat des BVerwG überzeugt, dass die DFL als Gesamtveranstalterin das Fußballgeschehen der 1. und 2. Bundesliga in Deutschland organisiere. Sie lege den Spielplan fest und regele beispielsweise, wie viele Gästekarten verkauft werden müssen. Bremens Innensenator Mäurer: „Die Bundesrichter haben uns in unserer Haltung bestärkt, dass es nicht angehen kann, dass der Profifußball zum 14. Mal in Folge seinen Umsatz steigert, während die Kosten für die Fußballereignisse komplett bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern hängen bleiben, gleichgültig, ob es sich um Fußballfans handelt oder nicht.“
Anmerkung
Bei dem Rechtsstreit vor dem BVerwG ging es am heutigen Tag nur um den ersten Gebührenbescheid Bremens an die DFL. Die Polizei Bremen hatte der DFL nach der Begegnung der beiden Fußballprofi-Mannschaften, HSV gegen SV Werder Bremen am 19. April 2015, einen Gebührenbescheid in Höhe von 425.718,22 Euro zugestellt. Die Höhe des Gebührenbescheides wurde während des Verfahrens inzwischen auf rund 400.000 Euro angepasst. Grund: Detailfragen bei dieser Grundsatzfrage mussten damit nicht weiter erörtert werden. Da die DFL gegen den Gebührenbescheid Rechtsmittel eingelegt hat, wurde die Zahlung bis zur endgültigen rechtlichen Klärung ausgesetzt. Zusätzlich sind seit April 2015 drei weitere Bescheide nach Rotspielen an die DFL zugestellt worden bzw. sind der DFL gegenüber bereits angekündigt worden. Insgesamt geht es inzwischen um eine Summe von rund 2,3 Millionen Euro.
Die gebetsmühlenartig wiederholten Behauptungen der DFL, Bremen schade damit vor allem dem Verein Werder Bremen, stellten eine Verdrehung der Tatsachen dar, so Mäurer am Rande der Verhandlung in Leipzig. „Wenn die DFL von Werder Bremen die Gebührenübernahme einfordert, geschieht dies ausschließlich auf Betreiben der DFL“, so Mäurer. „Es gibt keinerlei gesetzliche Verpflichtung seitens der DFL, die ihr auferlegten Kosten an Werder Bremen weiterzugeben. Ich unterstütze den SV Werder Bremen gerne dabei, gegen die DFL ihre berechtigten Interessen durchzusetzen“, betonte Mäurer.
Weitere Erläuterungen zur Historie des Rechtsstreits
Die Heranziehung der DFL erfolgt auf Grundlage des § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes in Verbindung mit § 1 der allgemeinen Kostenverordnung für die innere Verwaltung. Hiernach wird bei einer gewinnorientierten Veranstaltung, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen teilnehmen werden, eine Gebühr vom Veranstalter erhoben. Die entscheidende Voraussetzung ist jedoch der zusätzliche Einsatz von Polizeikräften im Umfeld des Veranstaltungsortes, wenn erfahrungsgemäß Gewalthandlungen zu erwarten sind.
Wichtig zu wissen: Für Fußballspiele, die nicht in die Kategorie der Rotspiele fallen, werden jeweils bis zu 600 Beamtinnen und Beamte eingesetzt, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Diese Kosten gehen nicht zu Lasten des Veranstalters.
Die Polizei Bremen rechnete beim Nordderby am 19. April 2015 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Mannschaften. Bei vorausgegangenen Begegnungen konnten schwere Auseinandersetzungen nur durch starke Polizeipräsenz verhindert werden. An dem Spieltag im April 2015 waren 969 Beamtinnen und Beamte unter anderen aus Hamburg, Hessen, Schleswig-Holstein und aus Bremen im Einsatz. Auch die Bundespolizei stellte Kräfte. Bremen musste deshalb insgesamt rund 200.000 Euro an die beteiligten Polizeien überweisen und kam zusätzlich für Übernachtungskosten in Höhe von etwa 15.000 Euro auf. Die restlichen rund 210.000 Euro fielen als Mehrkosten bei der Polizei Bremen an.
Die von der Bürgerschaft beschlossene Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes trat am 8. November 2014 in Kraft. Nach Erhalt des ersten Gebührenbescheides legte die DFL Widerspruch ein. Das Verfahren wurde von der DFL vor Gericht gebracht. Im Mai 2017 zog Bremen noch den Kürzeren, da das Bremer Verwaltungsgericht eine pauschale Gebühr und keine präzise Abrechnung der tatsächlich eingesetzten Kräfte für angezeigt hielt. Das Gericht begründete dies damit, dass ein Veranstalter im Vorfeld wissen müsse, welche Höhe an Gebühren auf ihn zukomme.
Zugleich wertete das Verwaltungsgericht die gesetzliche Regelung im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz in seiner mündlichen Verhandlung aber – ebenso wie später das OVG und nun das BVerwG – als verfassungskonform. Nach dem erstinstanzlichen Urteil hätte Bremen seine künftigen Gebührenbescheide auf Pauschalberechnungen umstellen müssen. Dies hätte aber zur Folge gehabt, dass die bereits versandten Gebührenbescheide hinfällig geworden wären. Aus diesem Grund legte die Bremer Innen-behörde erfolgreich Berufung beim OVG ein.
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