Bürgermeister Sieling: Junge Menschen erreichen und die Erinnerung wach halten
13.12.2018Ruth Bahar ist die Enkelin des ehemaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Bremen, Carl Katz (*1899 +1972). Ihre Tochter Elise Garibaldi hat ein Buch über die „Holocaust Love Story“ ihrer Großeltern Inge (geb. Katz) und Schmuel Berger geschrieben und produziert. Ruth Bahar und Elise Garibaldi waren 2015 als Ehrengäste zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Bremen. Auf Anregung der Bremer Gastgeber, insbesondere des damaligen Bürgermeisters Jens Böhrnsen, haben die beiden eine deutsche Übersetzung des Buches veranlasst. Elise Garibaldi hat den Bestseller über Inge und Schmuel Berger „Roses in a Forbidden Garden“ gemeinsam mit dem Musiker Johnny Andriani zu einem Rockmusical weiterverarbeitet, das Anfang Dezember in New York Vorpremiere hatte. Die Familie und ihre Geschichte sind tief mit Bremen verbunden: durch die Herkunft der Familie Katz aus Bremen, die Geschichte ihrer Deportation nach Theresienstadt und ihre Rückkehr in die Hansestadt. Daher war es Ruth Bahar und Elise Garibaldi ein Herzensanliegen, dass die erste Präsentation der deutschen Übersetzung ihres Buches (Rosen in einem verbotenen Garten, Verlag Hentrich & Hentrich) in Bremen stattfinden konnte. Ausgewählte Familienfotos sowie einige der Musikstücke und Choreographien des Rockmusicals wurden während der Vorstellung am 12. Dezember 2018 in der Oberen Halle des Rathauses gezeigt. Zuvor trugen sich Ruth Bahar und Elise Garibaldi im Kaminsaal in das Goldene Buch der Freien Hansestadt Bremen ein.
In seiner Begrüßungsrede stellte Bürgermeister Dr. Carsten Sieling fest: „Weltweit – und auch hier in Bremen wird in diesen Tagen die Verkündung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen vor 70 Jahren erinnert und gefeiert. Sie sind ein Resultat und eine moralische, ethische und völkerrechtliche Konsequenz aus den Gräuel und den Erfahrungen des 2. Weltkriegs und der bis heute unvorstellbaren Gewalt, die Menschen ihren Mitmenschen angetan haben.
Schuld und der Wille zu Versöhnung prägten auch die Mütter und Väter unserer Verfassung und den Geist des Grundgesetzes von 1949, den wir im nächsten Jahr feiern werden. Auch wir in Bremen sind diesen Prinzipien aufrichtig verbunden und verpflichtet.
Wenn ich Sie, sehr geehrte Frau Bahar, sehr geehrte Frau Garibaldi und Herrn Weinberg, heute im Rathaus als Ehrengäste begrüßen darf, dann ist das der Höhepunkt einer langen tragischen, schmerzhaften und trotzdem letztlich auch versöhnlichen Geschichte: Die Geschichte Ihrer Familie ist aufs Engste mit Bremen verbunden. Ihre Familie wurde enteignet, entwürdigt, nach Auschwitz und Theresienstadt deportiert. Nur wenige haben die Shoah überlebt, so wie Sie Herr Weinberg, der Cousin, und so wie Ihre Mutter und Großmutter Inge Berger, die mit Ihnen in New York lebt. Sie haben am Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust vor knapp vier Jahren hier im Rathaus von der Geschichte Ihrer Eltern berichtet. Es ist eine ganz unglaubliche Liebesgeschichte, die sie in Theresienstadt erlebt haben und die nach Ende des Krieges und der Befreiung hier in Bremen zu einem wirklichen Happy End und einer Hochzeit und Familiengründung führen konnte.
All dies haben Sie, Frau Garibaldi, gemeinsam mit Ihrer Großmutter dokumentarisch aufgeschrieben und zu einem Musical weiterverarbeitet. Ich bin wirklich gespannt auf das, was Sie uns aus Amerika mitgebracht haben und präsentieren werden. Es ist für uns in Deutschland nicht alltäglich, sich ein Rockmusical zu einem solch schweren Thema vorzustellen. Sie haben diese große Anstrengung aber voller Überzeugung unternommen, um in den USA, und vor allem auch hier in Bremen, junge Menschen zu erreichen und ihnen beide Seiten nahe zu bringen: Die Gräuel und Qualen von Verfolgung und Entmenschlichung des Naziterrors genauso wie die Kraft von Humanität, Menschlichkeit und Liebe, die es Ihren Lieben überhaupt nur ermöglicht hat, mit dem Leben davonzukommen und an eine Zukunft in Frieden und Respekt und menschlichem Miteinander zu glauben.
Ihr Groß- und Urgroßvater Carl Katz hat sein unternehmerisches Wissen und Talent trotz aller Demütigungen und Zwangsmaßnahmen der Naziherrschaft hier in Bremen vor, während und nach dem Krieg zum Wohle seiner Familie und seiner Glaubensgemeinschaft genutzt. Er ist aus Theresienstadt in das zerstörte Bremen zurückgekehrt, er hat die kleine, geschundene jüdische Gemeinde unterstützt, zusammengehalten und wiederaufgebaut. Carl Katz hat sich mit den Behörden auseinandergesetzt, obwohl man doch meinen müsste, dass er zu den Strukturen deutscher Behördlichkeit und Amtsstuben nie wieder Vertrauen haben könnte….
Bis zu seinem Tode 1972 hat er sich erneut große Verdienste erworben, wurde mehrfach ausgezeichnet und es wurde ihm ein Gedenkstein an der neuen Synagoge in der Schwachhauser Heerstraße gewidmet, deren Bau er selbst mit initiiert hatte.“
Und weiter: „Ich möchte Ihnen und allen Beteiligten vor allen Dingen für Ihr außerordentliches Engagement danken. Sie haben schon einige Schulen besucht, vor allem die Schule am Barkhof, die für die Deportationen aus Bremen und für Ihre Familie eine besondere Rolle spielte. Zwei weitere Tage mit Schulbesuchen haben Sie sich vorgenommen, hunderte Schülerinnen und Schüler erhalten damit die Gelegenheit, Sie zu treffen und diese besondere Bremer Geschichte kennen zu lernen. Danke sehr dafür! Es ist uns eine Ehre und Freude, Ihr Lebensprojekt „Roses in a forbidden garden“ in Bremen vorzustellen.“
Mehr Fotos und Hintergrundinformationen zur bewegten Familiengeschichte gibt es in der PDF Photo Gallery (pdf, 5.2 MB)
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