Trauma-Ambulanzen als neues Angebot im Land Bremen
07.03.2013Opfer von Gewalttaten sollen künftig schneller als bisher eine notwendige psychotherapeutische Hilfe erhalten. Das Amt für Versorgung und Integration Bremen hat dafür mit mehreren Institutionen in Bremen und Bremerhaven Verträge abgeschlossen. Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Martin Günthner, hob die Bedeutung einer schnellen Hilfe nach einer Gewalttat hervor: „Gerade die Zeit unmittelbar nach einer Gewalterfahrung ist für Betroffene sehr belastend. Wir wollen mit dem Angebot der Trauma-Ambulanzen erreichen, dass schnell und unbürokratisch geholfen wird. Dem Amt für Versorgung und Integration ist es gelungen, hierfür ein qualifiziertes Netzwerk zu schaffen.“
Nach einer Gewalterfahrung können sich Belastungen in verschiedenen Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Alpträumen, Ängsten oder Unruhe äußern. Auch sogenannte Flashbacks können auftreten. All diese Symptome gehören zunächst zu einer ganz normalen Stressreaktion und können innerhalb weniger Tage nachlassen auch wieder verschwinden. Manchmal halten diese Symptome aber länger an und können im schlimmsten Fall zu Folgeerkrankungen wie z. B. einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder Depressionen führen. Mit diesen Folgen sind Menschen dann oft Jahre lang, wenn nicht für ihr ganzes Leben belastet.
Das Hilfsangebot der Traumaambulanzen ist vor allem auch präventiv zu verstehen. Es soll einen Beitrag leisten, die genannten Folgeerkrankungen zu vermeiden. Nachgewiesenermaßen ist eine möglichst frühe Unterstützung betroffener Menschen auch besonders hilfreich. Im Einzelnen umfasst das Angebot der Trauma-Ambulanzen für die Gewaltopfer eine Aufklärung und Beratung über den Umgang mit der Gewalterfahrung und weist auf mögliche Traumafolgen hin. Sie bieten Hilfe im Umgang mit dieser besonderen Lebenssituation an. Im Weiteren findet eine genaue Diagnostik vorhandener Symptome statt und es den Betroffenen wird eine weitergehende Empfehlung gegeben. Bei einer bereits ausgeprägten Symptomatik leisten die Trauma-Ambulanzen eine Krisenintervention und Akutmaßnahmen zur psychischen Stabilisierung. Bei Bedarf kommt es zu einer psychotherapeutischen Akut-Behandlung oder es wird in weitere Hilfsangebote vermittelt.
Das gesamte Verfahren soll für die betroffenen Menschen möglichst unbürokratisch verlaufen. Opfer von Gewalttaten können sich direkt an eine der Trauma-Ambulanzen wenden und erhalten dort innerhalb weniger Tage die nötige Unterstützung. Das Amt für Versorgung und Integration Bremen hat in Abstimmung mit den Trägern der Trauma-Ambulanzen Merkblätter entwickelt, auf denen alle notwendigen Informationen zusammengestellt sind. Diese Merkblätter erhalten die Betroffenen z. B. von der Polizei direkt am Tatort oder dem Weißen Ring.
Wenn sich Gewaltopfer an eine der Trauma-Ambulanzen wenden, erhalten sie in jedem Fall auf Kosten des Landes Bremen zunächst bis zu fünf Behandlungsstunden. Dafür genügt ein Kurzantrag an das Amt für Versorgung und Integration, der direkt bei der Trauma-Ambulanz ausgefüllt wird. Das beinhaltet aber gleichzeitig, dass eine anonyme Beratung oder Behandlung durch die Trauma-Ambulanz nicht möglich ist. Wird im Rahmen dieser ersten fünf Stunden festgestellt, dass ein weiterer Behandlungsbedarf vorliegt, ist nach Antragstellung eine Verlängerung der Behandlung um bis zu weitere zehn Stunden möglich. Diese können dann entweder bei der Trauma-Ambulanz selbst stattfinden oder auch bei speziell dafür qualifizierten Psychotherapeuten/innen. In Fällen, bei denen bereits eine ausgeprägte Symptomatik vorliegt, wird dieser Zeitraum von insgesamt 15 Stunden oft nicht ausreichen. Hier können diese Stunden aber dazu dienen, die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Behandlung zu Lasten der Krankenversicherungen zu überbrücken.
Die Träger der Trauma-Ambulanzen für Erwachsene sind in Stadt Bremen das AMEOS Klinikum Dr. Heines und das Klinikum Bremen-Ost. Die Trägerschaft für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Stadt Bremen wird noch geklärt.
In Bremerhaven gibt es ein Angebot sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche. Für Erwachsene wurde das Klinikum Bremerhaven Reinkenheide und für Kinder und Jugendliche die Initiative Jugendhilfe e.V. beauftragt.
Die Trauma-Ambulanzen handeln im Auftrag des Amtes für Versorgung und Integration Bremen. Dieses ist im Land Bremen zuständig für die Umsetzung des Opferentschädigungsgesetzes. Von daher richtet sich das Angebot an Menschen, die im Land Bremen Opfer einer Gewalttat geworden sind. Unter eine Gewalttat im Sinn des Gesetzes versteht man vor allem Fälle von schwerer Körperverletzung, Menschenraub, Verschleppung oder Geiselnahme. Darunter fällt auch sexualisierte Gewalt wie sexuelle Nötigung, Missbrauch und Vergewaltigung. Bei Kindern und Jugendlichen geht es darüber hinaus z. B. auch um Fälle von schwerwiegender Vernachlässigung mit körperlichen Folgen. Weiter richtet sich das Gesetz auch an Menschen, die Zeuge einer solchen Tat geworden sind, z.B. auch von Mord oder Totschlag, und durch diese Zeugenschaft einen sogenannten Schockschaden erlitten haben.
Die Trauma-Ambulanzen sollen sich in das bereits bestehende Versorgungsnetz beratender, psychologischer und psychotherapeutischer Hilfen einfügen, mit diesem zusammenarbeiten und dieses ergänzen. Denn im Land Bremen existieren ja bereits seit vielen Jahren verschiedene Anlaufstellen, die ebenfalls für Opfern von Gewalt zur Verfügung stehen. Nur exemplarisch und nicht abschließend seien hier Stellen wie der Notruf für vergewaltigte Frauen, der Weiße Ring, Schattenriss, Kinderschutzbund, Täter-Opfer Ausgleich und die niedergelassenen Psychotherapeuten/innen genannt. All diese Stellen wurden im Vorfeld über die Planung der Trauma-Ambulanzen informiert. Eine Zusammenarbeit mit diesen Stellen ist insbesondere dann wichtig, wenn es infolge der Gewalterfahrung um einen längeren psychotherapeutischen oder beratenden Bedarf geht. Diesen kann und soll die Trauma-Ambulanz nicht abdecken.
Trauma-Ambulanzen sind zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen mittlerweile flächendeckend eingeführt und arbeiten seit mehreren Jahren erfolgreich. In Niedersachsen wird nach modellhafter Erprobung die flächendeckende Einführung vorangetrieben. Die meisten anderen Bundesländer planen und führen Trauma-Ambulanzen ein. Zuletzt haben Trauma-Ambulanzen auch in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg die Arbeit aufgenommen.
Wieviele Menschen das Angebot der Trauma-Ambulanzen in Bremen in Anspruch nehmen werden, ist derzeit selbstverständlich noch völlig unklar. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist pro Jahr im Land Bremen ca. 3000 Gewalttaten aus.