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Die Senatorin für Justiz und Verfassung

Schutz für das Bundesverfassungsgericht

Justizsenatorin Schilling: "Einigung begrüßenswert, aber nur ein guter erster Schritt"

23.07.2024

Am heutigen Dienstag (23. Juli 2024) haben Vertreterinnen und Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP, der Union sowie der Bundesjustizminister Marco Buschmann in Berlin einen gemeinsamen Entwurf für den Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor politisch motivierter Entmachtung vorgestellt. Grundlegende Regelungen zur Wahl, zur Amtszeit der Richterinnen und Richter sowie zur Struktur des Gerichts sollen danach nicht nur in einem einfachen Gesetz, sondern im Grundgesetz festgeschrieben werden. Im Fall einer Blockade der Verfassungsrichterwahl in Bundestag oder Bundesrat soll das Wahlrecht auf das jeweils andere Verfassungsorgan übergehen dürfen. Keine Vorgaben enthält der Gesetzentwurf demgegenüber zur bislang üblichen Wahl der Richterinnen und Richter mit einer Mehrheit von 2/3 im Bundestag oder im Bundesrat. Ebenso fehlt es an einer Festschreibung der notwendigen Zustimmung des Bundesrates bei zukünftigen Änderungen von Verfassung und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts im Bundesverfassungsgerichtsgesetz.

"Die Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts ist ein zentrales Anliegen über alle Parteigrenzen hinweg. Dass die Ampel-Fraktionen und die Union, nachdem diese kurzzeitig das Interesse an dem Thema verloren zu haben schien, nun eine Einigung gefunden haben, ist sehr begrüßenswert und stimmt uns zunächst freudig", so Justizsenatorin Schilling.

Zentrale Punkte der Einigung sind Verankerung des Status des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan im Grundgesetz. Dasselbe gilt für die unmittelbare Bindung von Behörden und Gerichten an die Entscheidungen des Verfassungsgerichts. Dass sich das Bundesverfassungsgericht eigenständig eine Geschäftsordnung gibt, die verfassungsrechtliche Festlegung des Gerichts auf zwei Senate, ihre Besetzung mit jeweils acht Richterinnen und Richtern, die grundgesetzliche Festschreibung der richterlichen Amtszeit auf zwölf Jahre, die Festlegung einer Altersgrenze von 68 Jahren sowie der zukünftig im Grundgesetz verankerte Ausschluss der erneuten Wählbarkeit sollen das Gericht nachhaltig vor politischer Einflussnahme und politisch motivierter Entmachtung schützen. Zusätzlich soll der Gesetzgeber ermächtigt werden, bei einer Blockade der Verfassungsrichterwahl eine Wahl durch das jeweils andere Wahlorgan vorzusehen.

"Es ist gut und richtig, dass sich wesentliche Elemente des von den Justizministerinnen und Justizministern der Länder unlängst vorgestellten Gesetzentwurfs nebst Bericht im heutigen Einigungspapier wiederfinden", so Justizsenatorin Schilling. "Leider fehlt aber die Festschreibung der Verfassungsrichterwahl mit 2/3-Mehrheit, wie sie bislang bereits üblich ist. Gerade die Wahl der Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter mit einer breiten parlamentarischen und vor allem parteiübergreifenden Mehrheit hat sich in der Vergangenheit aber bewährt. Die Wahl der Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter über Parteigrenzen hinweg hat einseitige parteipolitische Ausschläge des Gerichts verhindert, dessen Unabhängigkeit ganz wesentlich gestärkt und ist ein Garant für seine breite Akzeptanz und Anerkennung in der Bevölkerung und über die Landesgrenzen hinweg. Dass es hier möglich bleiben soll, zukünftig mit einfacher Gesetzesänderung und damit letztlich nach Belieben eine Richterwahl mit einfacher Mehrheit einzuführen, kann nicht zuletzt mit Blick auf die Geschehnisse in einigen europäischen Ländern und in den USA nicht zufriedenstellen", so die Justizsenatorin.

Und Schilling weiter: "Unverständlich ist auch das Fehlen einer Regelung, wonach jede zukünftige Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, hier das Gericht durch gezielte Eingriffe in seinem Verfahrensrecht und seiner Struktur lahmzulegen. Das Bundesverfassungsgericht als Verfassungsorgan ist für die Länder nicht weniger wichtig als für den Bundestag. Daher wäre eine notwendige Zustimmung der Länder zu zukünftigen Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nur konsequent."

Hintergrund:

Als das Grundgesetz am 24. Mai 1949 in Kraft trat, war die neuartige Institution "Bundesverfassungsgericht" nur teilweise näher geregelt. Stellung und Struktur des Gerichts wurden stattdessen ganz wesentlich im Bundesverfassungsgerichtsgesetz von 1951 normiert. Es legt die Amtszeit sowie die Wahl der Mitglieder des Gerichts mit Zweidrittelmehrheit fest, schließt deren Wiederwahl nach ihrer 12-jährigen Amtszeit aus und enthält das Prozessrecht des Gerichts. Weil das Bundesverfassungsgerichtsgesetz aber ein Gesetz ist, das mit einfacher Mehrheit im Parlament geändert werden kann, entsteht für das Gericht ein Risiko: Es soll über Gesetze und Verfassungsorgane richten, Bundestag und Bundesrat können aber seinen Status und sein Verfahren nach ihrem Willen ändern. Mit Beschluss vom 10. November 2023 haben die Justizministerinnen und Justizminister der Länder vor dem Hintergrund rechtsstaatlich bedenklicher Entwicklungen in europäischen Partnerländern besorgt zur Kenntnis genommen, dass auch die Verfahren und Institutionen des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats auf unterschiedlichen Ebenen zunehmendem Druck ausgesetzt werden können. Zum Schutz der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts wurde unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz im Rahmen der Justizministerkonferenz am 5. und 6. Juni 2024 in Hannover und im Konsens aller Länder ein Gesetzentwurf nebst Bericht vorgelegt. Darin werden unter anderem die Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts mit 2/3-Merheit, ein Übergang des Wahlrechts auf das jeweils andere Wahlorgan im Falle einer Blockade und die notwendige Zustimmung der Länder bei zukünftigen Änderungen von Struktur und Verfahren des Gerichts als wesentliche Elemente zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts benannt.

Ansprechpartnerin für die Medien:
Stephanie Dehne, Pressesprecherin bei der Senatorin für Justiz und Verfassung, Tel.: (0421) 361-2344, E-Mail: stephanie.dehne@justiz.bremen.de