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Senatskanzlei

Senat beantwortet Schreiben der Vorsitzenden von SPD und Grünen – Abwasser GmbH wird nicht verwirklicht

09.11.2010

Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat in seiner heutigen Sitzung (09.11.2010) den Bremer Parteivorsitzenden von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf ihr Schreiben vom 16.08.2010 zur Umstrukturierung der kommunalen Abwasserbeseitigung geantwortet. Den Brief des Senates, aus dem die Nichtrealisierung des Projektes einer kommunalen Abwasser GmbH hervorgeht, geben wir zur Kenntnis:

„Sehr geehrte Frau Dr. Mathes,
sehr geehrte Frau Mittrenga,
sehr geehrter Herr Bovenschulte,

der Senat hat mich auf seiner Sitzung am 9. November 2010 gebeten, Ihr Schreiben vom 16. August 2010, mit dem Sie Stellung zur Umstrukturierung der kommunalen Abwasserbeseitigung in der Stadtgemeinde Bremen genommen haben, für den Senat wie folgt zu beantworten:

Zu dem Vorhaben hatten Sie Erörterungs- und Prüfungsbedarf zu den Auswirkungen der Umstrukturierung

  1. auf die öffentlich-rechtlich organisierte Abwasserbeseitigung im übrigen Bundesgebiet und
  2. auf das - insbesondere kartellrechtlich bedingte - Risiko der finanziellen Mehrbelastung des Haushalts der Stadtgemeinde Bremen gesehen.

Dazu berichte ich, wie folgt:

Zu 1.
Zu den möglichen Auswirkungen der Umstrukturierung auf die öffentlich-rechtlich organisierte Abwasserbeseitigung im übrigen Bundesgebiet gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Im Rahmen der Vorbereitungen der Umstrukturierungen haben insbesondere nach Bekanntgabe der Änderungsabsicht des Bremischen Wassergesetzes verschiedene Organisationen und Verbände Stellungnahmen zu dem Projekt abgegeben. Diese wurden zur Erörterung des Umstrukturierungsvorhabens und der Stellungnahmen von den drei am Projekt beteiligten Senatsressorts und der Senatskanzlei eingeladen.

Es haben zwei Erörterungen stattgefunden mit Vertretern/-innen der Handelskammer Bremen, der Verbraucherzentrale Bremen, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, Wasserverbandstag e.V., Deutschen Bund der verbandlichen Wasserwirtschaft (DBVW), Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft, Wasser in Bürgerhand sowie regio Wasser e.V. sowie des Städte- und Gemeindebundes.

Zentrales Thema in den Erörterungen war die Sorge der Verbände und Organisationen, dass die vom Land Bremen beabsichtigte Änderung des Bremischen Wassergesetzes (§ 47 Abs. 1 Sätze 3 und 4) dazu führen werde, dass die gesamte Abwasserbeseitigung in Deutschland im Gegensatz zum jetzigen Zustand nicht mehr als hoheitliche Tätigkeit der öffentlichen Hand, sondern als dem Wettbewerb unterliegende gewerbliche Betätigung eingestuft werde und damit insbesondere die Mehrwertsteuerfreiheit entfiele.

Die Senatorin für Finanzen hatte zudem dazu auch das Bundesministerium für Finanzen um eine Stellungnahme gebeten.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es in dieser Frage keine Annäherung der unterschiedlichen Positionen gab. Während das Bundesministerium für Finanzen der Einschätzung der Stadtgemeinde Bremen zustimmt, wonach die geplanten Änderungen des Bremischen Wassergesetzes keinen Einfluss auf die Besteuerung der öffentlich-rechtlichen Abwasserentsorgung im übrigen Bundesgebiet haben würde, halten die genannten Verbände – mit Ausnahme der Handelskammer Bremen, die das Vorhaben von Anfang an unterstützt hat – ihre Kritik aufrecht.

Grundlage für die Einschätzung des BMF und der Stadtgemeinde Bremen in dieser Frage ist, dass durch die Einführung der neuen Gestaltungsvariante für die Gemeinden im Bereich der Abwasserbeseitigung keine Vollprivatisierung oder materielle Privatisierung ermöglicht würde, sondern eine Organisationsprivatisierung oder "formelle" Privatisierung, die nichts an dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Abwasserbeseitigungspflicht ändert. Die Aufgabenwahrnehmung bliebe in dem vorgesehenen Modell im Zugriffsbereich der Verwaltung, weil sie mittels Gesellschafterstellung und der damit verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten die juristische Person des Privatrechts steuern würde. Somit bestünde kein Widerspruch zur allgemeinen Einschätzung, dass die Abwasserbeseitigung zum Kern der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge gehört und die Abwasserbeseitigungspflicht in öffentlich-rechtlicher Verantwortung bleiben soll.

Zu 2.
Zur Klärung der kartellrechtlichen und er sich daraus ggf. ergebenden finanziellen Risiken wurden parallel Gespräche mit dem Bundeskartellamt und mit hanseWasser geführt:

Die Stadtgemeinde Bremen hat sich an das Bundeskartellamt gewandt, um u.a. zu erfahren,

  • ob es nach vorgesehener Umstrukturierung der hiesigen kommunalen Abwasserbeseitigung Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit der Einleitung eines kartellrechtlichen Preisüberprüfungsverfahrens gegenüber der Stadtgemeinde Bremen sieht,
  • falls dieses Risiko gesehen würde, wie groß das Risiko einer Entscheidung zur Absenkung der vorgenannten voraussichtlichen Entgelthöhen zu bewerten sei.

Nach Konsultation des Bundeskartellamtes zur Schilderung des Sachverhaltes am 16.09.2010 erklärte sich die dortig zuständige 8. Beschlussabteilung zur Abgabe einer vorläufigen Einschätzung bereit. Grundlage für diese Einschätzung ist ein vom Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa nach den Vorgaben des Bundeskartellamtes erstellter Vergleichsmarkt für Abwassergebühren bzw. -preisen.

Das Bundeskartellamt hat dazu mit Schreiben vom 26.10.2010 mitgeteilt, dass „nahezu ausgeschlossen werden (kann), dass die Stadt Bremen wegen der Höhe der Abwasserabgaben als erstes Unternehmen zur Adressatin eines Preismissbrauchsverfahrens wird. Allerdings kann die Beschlussabteilung nach den ihr vorliegenden Daten nicht ausschließen, dass die Abwasserpreise der Stadt Bremen nach einer ausführlichen Datenerhebung möglicherweise in einem späteren Stadium überprüft werden. Diese Einschränkung muss die Beschlussabteilung machen, da bei den von Ihnen vorgenommenen Formen des Vergleichs Bremen in keinem einzigen Fall in der oberen preisgünstigeren Hälfte, sondern nach einem Abwasser-Monitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für 2008 sogar nur im unteren Viertel liegt.“

Mit dem Ziel einer angemessenen Risikobeteiligung wurde die hanseWasser Bremen GmbH in einem ersten Auftaktgespräch mit dem Wunsch der Stadtgemeinde konfrontiert, die Vertragsgrundlagen so abzuändern, dass auch die hanseWasser GmbH etwaige kartellrechtliche Risiken tragen müsse. In einer zweiten Verhandlungsrunde hat die Geschäftsführung der hanseWasser Bremen GmbH zunächst erklärt, dass sie sich vorbehaltlich der Zustimmung ihrer privaten Gesellschafter vorstellen könne, im Rahmen einer Gesamtlösung einer anteiligen Übernahme des kartellrechtlichen Risikos möglicherweise zuzustimmen.

Nach einer Erörterung dieser Angelegenheit mit den privaten Gesellschaftern hat die Geschäftsführung der hanseWasserBremen GmbH dann jedoch ausdrücklich erklärt, dass sie keinerlei Risiko der Entgeltreduzierung der Stadtgemeinde gegenüber der hWB hinnehmen würde, falls durch letztinstanzliche Entscheidung in einem preisrechtlichen oder kartellrechtlichen Verfahren eine Entgeltreduzierung gegenüber den Abwasserkunden vorzunehmen sei und der Stadtgemeinde Bremen dadurch Einnahmeausfälle entstünden. Unmittelbar nach dieser grundsätzlichen Entscheidung hat die Geschäftsführung der hWB dies in der Mitarbeiterzeitung des Unternehmens bekanntgegeben und über ihren Anwalt der FHB mitteilen lassen. Das Risiko – nach Äußerung des Kartellamtes nicht auszuschließender - möglicher preis- oder kartellrechtlicher Verfahren verbliebe somit ausschließlich bei der Stadtgemeinde Bremen.

Insofern ist zusammenfassend festzustellen, dass zumindest mittelfristig nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu einer kartellrechtlichen Überprüfung der Abwasserpreise in Bremen durch das Bundeskartellamt kommt. Somit kann auch ein daraus resultierendes finanzielles Risiko für den bremischen Haushalt keinesfalls ausgeschlossen werden, da die hWB jede Risikoübernahme strikt ablehnt.

Da die alleinige Übernahme eines solchen Risikos durch die Stadtgemeinde Bremen nicht zu verantworten ist, wird der Senat das verfolgte Konzept zur Gründung einer kommunalen Abwasser GmbH nicht realisieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Reinhard Loske“