Die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen stellen ein länderübergreifend abgestimmtes 10-Punkte-Papier zur weiteren Steuervereinfachung vor.
Die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen haben heute (14.10.2011) in der Bundeshauptstadt einen gemeinsamen Vorschlag zur Vereinfachung des Steuerrechts vorgestellt. „Das Steuervereinfachungsgesetz, das gerade erst Bundestag und Bundesrat passiert hat, war ein wichtiger erster Schritt. Das Thema Steuervereinfachung ist und bleibt eine Daueraufgabe, an der wir kontinuierlich weiter arbeiten müssen“, erklärten die Ressortchefs in Berlin übereinstimmend. Auf Initiative Hessens hatte sich eine länderübergreifende Expertengruppe der beteiligten Finanzministerien zusammen gefunden. Ziel war es, weitere Ansätze zur Steuervereinfachung zu entwickeln.
„Das Ergebnis ist ein fiskalisch ausgewogenes Gesamtkonzept mit steuerentlastenden und gegenfinanzierenden Vereinfachungsmaßnahmen“, so die Ressortchefs. Man begreife Steuervereinfachung als einen Prozess, der für alle Beteiligten Vorteile bringen sollte – für die Steuerpflichtigen und ihre Berater, für die Arbeitgeber und vor allem auch für die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte. Das nun vorliegende 10-Punkte-Papier komme den Anforderungen einer offenen, modernen und bürgernahen Steuerverwaltung entgegen und sei auf ein effizientes Verwaltungshandeln ausgerichtet.
„Ein Weg entsteht, wenn man ihn geht“, unter dieses Motto stellte Finanzminister Dr. Carsten Kühl (Rheinland-Pfalz) die vorliegenden Vorschläge zur Steuervereinfachung. Man wolle damit dem bereits eingeleiteten Prozess einer Steuervereinfachung der kleinen – aber hochwirksamen – Schritte weitere Impulse geben. Die Vorschläge betreffen die Bereiche außergewöhnliche Belastungen, Arbeitnehmer, Steuervergünstigungen und Unternehmen. Im Kern gehe es darum, die Vereinfachungswirkung von Pauschbeträgen zu erhöhen, die Belegflut bei Einzelnachweisen zu reduzieren, prüfungsintensive Regelungen zu vereinfachen und Möglichkeiten des Steuermissbrauchs zu verhindern.
Bereich „Außergewöhnliche Belastungen“ (Vorschläge 1 - 3)
„Gerade im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen gibt es durchgreifende Ansätze zur Steuervereinfachung“, betonten Finanzminister Rainer Wiegard (Schleswig-Holstein) und Finanzminister Dr. Thomas Schäfer (Hessen). Eine wichtige Maßnahme sei daher die Erhöhung der Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung und eine gleichzeitige Neujustierung ihrer Abgeltungswirkung. Damit bräuchten künftig alle Menschen mit Behinderung, die den Pauschbetrag in Anspruch nehmen möchten, keinerlei Belege für krankheits- und behinderungsbedingte Aufwendungen mehr vorzulegen. Für die Betroffenen entfallen das Sammeln von Belegen sowie die schwierige Zuordnung zu krankheitsbedingten und behinderungsbedingten Aufwendungen und für die Finanzämter die Prüfung der Belege. Fehler bei der Abgrenzung der Kostenarten könnten von vornherein nicht mehr auftreten „Für die Erhöhung der Pauschbeträge wird es höchste Zeit. Sie wurden seit 32 Jahren nicht mehr der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst“, so Finanzminister Wiegard.
Ferner sollen zukünftig die Kosten für Pflegeleistungen und ärztliche Betreuung direkt aus der Rechnung der Pflegeeinrichtung in die Steuererklärung übernommen werden können und nicht mehr künstlich in die Bereiche Pflege, Unterkunft und Verpflegung nach steuerlichen Gesichtspunkten aufgesplittet werden müssen. Für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger und für die Pflegeeinrichtungen ist dies eine Vereinfachung. Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl von Pflegefällen führe dies auch für die Finanzverwaltung zu einer spürbaren Erleichterung.
Des Weiteren habe man auch den steuerlichen Abzug von Unterhaltsleistungen an bedürftige Personen angepackt. „Hier findet ein systematischer Steuermissbrauch durch Ausnutzen von Vollzugsdefiziten statt“, so Finanzminister Wiegard. „Das Bundesverfassungsgericht hat dazu einen wichtigen Lösungshinweis gegeben. Künftig sollen nur noch Unterhaltszahlungen an Bedürftige im Inland steuerlich abgezogen werden können.“ Zugleich würden steuer- und sozialrechtliche Regelungen in Einklang gebracht werden.
Bereich „Arbeitnehmer“ (Vorschläge 4 - 6)
„Viele Arbeitnehmer sind es leid, beispielsweise für Fortbildungskosten, Dienstreisen oder Gewerkschaftsbeiträge Belege zu sammeln. Für fünf bis sechs Millionen Arbeitnehmer soll das ein Ende haben“, so Finanzminister Dr. Schäfer. Hierzu wolle man sich eines technischen „Kniffs“ bedienen: Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag (durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 erhöht auf 1.000 Euro) solle in drei separate Pauschbeträge für Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (560 Euro), Aufwendungen für die berufliche Nutzung privater Computer sowie Kontoführungsgebühren (140 Euro) und in Aufwendungen für übrige Werbungskosten (300 Euro) aufgeteilt werden Das vermeide den bisherigen Einzelnachweis von ‚Bagatell-Werbungskosten‘. „Wir erzielen damit einen Vereinfachungseffekt, der zugleich für die Arbeitnehmer eine finanzielle Entlastung in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro bringt“, sagten Finanzminister Dr. Schäfer und Finanzsenatorin Karoline Linnert (Bremen).
Um dies haushaltsverträglich zu ermöglichen, müssten auch gegenfinanzierende Vereinfachungsmaßnahmen vorgesehen werden. Die Politik dürfe sich kein „Korsett“ wie beim Steuervereinfachungsgesetz 2011 anlegen, bei dem es aus prinzipiellen Überlegungen nur steuerentlastende Vereinfachungen gegeben habe. Im Steuerrecht gäbe es durchaus „Wohltaten“, die unter den Blickwinkeln „Vereinfachung und Steuergerechtigkeit“ auf den Prüfstand gehörten, so Finanzminister Dr. Schäfer.
Im Arbeitnehmerbereich gibt es deshalb zwei weitere Vereinfachungsvorschläge. Mit der Angleichung der Steuerfreiheit von Arbeitgeberleistungen zur Kinderbetreuung an die steuerliche Behandlung der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben wolle man einen weiteren wichtigen Vereinfachungsschritt gehen und ungerechtfertigte Steuersparmöglichkeiten schließen. Weiterhin sorge die Abschaffung der 44-Euro-Freigrenze für Sachbezüge dafür, dass diese nicht mehr sachwidrig als Steuerbefreiung für Gutscheine genutzt werden könne. Dies leiste einen weiteren Beitrag zur mehr Steuergerechtigkeit und zur Steuervereinfachung.
Bereich „Steuervergünstigungen“ (Vorschläge 7 - 9)
„Die Fallzahlen für die Steuerermäßigung bei Handwerkerrechnungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen“, erklärten Finanzsenatorin Linnert und Finanzminister Wiegard. Das sei auf der einen Seite so gewollt, weil der Steuerabzug schließlich Schwarzarbeit zurückdrängen sollte. Auf der anderen Seite müssten Bürgerinnen und Bürger, Steuerberatung, Lohnsteuerhilfevereine und die Finanzverwaltung mit einer wahren Flut von Rechnungen umgehen – häufig mit vielen Kleinbeträgen. Aus diesem Grund sei es wichtig, einen Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro einzuführen, bis zu dem Rechnungsbeträge unberücksichtigt bleiben. „Dadurch würden die Fallzahlen ganz erheblich sinken und Mitnahmeeffekte minimiert werden“, erklärte Finanzminister Wiegard. „Außerdem ist es nicht nachzuvollziehen, dass wir unsere Steuerbeamten teuer ausbilden, damit sie am Ende Schornsteinfegerrechnungen auf ihre Richtigkeit prüfen.“
Darüber hinaus werde das Steuerrecht durch die Abschaffung der teilweisen Steuerbefreiung des sogenannten Carried Interest (Initiatorenvergütungen) bei Private Equity-Fonds entschlackt. Eine große Weichenstellung sei zudem die Integration der Arbeitnehmer-Sparzulage in die Altersvorsorgezulage: Das beliebte Instrument der vermögenswirksamen Anlage soll nach dem Willen der vier Ressortchefs erstmals zugunsten des Altersvermögensaufbaus beim „Riestersparen“ eingesetzt werden können.
Bereich „Unternehmen“ (Vorschlag 10)
„Die Vereinfachung des Verlustabzuges bei beschränkter Haftung ist seit längerem ein zentrales Anliegen bei vielen Diskussionen zur Steuervereinfachung bei Personengesellschaftern“, betonten die Finanzminister Dr. Kühl und Dr. Schäfer. Der bei Praktikern fast schon „berüchtigt komplizierte“ § 15a EStG solle nun umgestaltet werden, indem man die Verquickung von Handelsrecht und Steuerrecht innerhalb dieser Vorschrift löse. Das bislang für den Verlustabzug maßgebende Handelsrecht werde durch bekannte steuerliche Ansätze ersetzt.
„Der besondere Charme unserer Vorschläge ist, dass wir entstehende Einnahmeausfälle mit Maßnahmen gegenfinanzieren, die ebenfalls der Steuervereinfachung dienen“, so Finanzminister Dr. Kühl abschließend. Daher sei es das erklärte Ziel, die Vorschläge mit den Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern zu diskutieren. Am Ende sollte möglichst ein einvernehmlicher Beschluss der Finanzministerkonferenz stehen. Auf dieser Basis könne dann ein Gesetzesvorschlag als Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht werden.
Broschüre zu den Ländervorschlägen können Sie der angehängten PDF-Datei entnehmen (pdf, 685.7 KB)