Am Mittwochabend (07.11.2012) begrüßte Bürgermeister Jens Böhrnsen im Bremer Rathaus rund 170 Gäste im Rahmen des traditionellen Willehad-Empfangs, der immer Anfang November von der Katholischen Gemeinde in Bremen ausgerichtet wird.
Zuvor hatte sich der Osnabrücker Weihbischof Theodor Kettmann bei der Vesper im Bremer St. Petri Dom von der Hansestadt verabschiedet. Der Osnabrücker Weihbischof, dessen Rücktritt Papst Benedikt XVI. bereits am 30. November letzten Jahres angenommen hat, wird seinen aktiven Dienst nach über 33 Amtsjahren bald beenden.
Bischof Kettmann rief die Zuhörer dazu auf, als Christen anderen Menschen Rede und Antwort zu stehen und sich nicht in die kirchliche Isolation zurückziehen. Denn christliches Handeln habe immer auch eine gesellschaftlich-politische Dimension und den anderen Menschen im Blick. die Kirchen rief er dazu auf, ihre Zusammenarbeit zu verstärken.
Bürgermeister Jens Böhrnsen dankte den Bremer Katholiken, dass sie nicht mit dem „Rücken zur Welt“ lebten, sondern sich in ihren caritativen Einrichtungen, Gemeinden, Schulen und Kindertagesstätten für das Wohl der Stadt und der Menschen einsetzten. Insbesondere im Bereich der Integration nehme die katholische Kirche soziale Verantwortung wahr, „wie man es nicht besser machen kann“. Das Wohl der Stadt lasse sich nicht am Bruttosozialprodukt oder an der Schönheit der Gebäude messen. Eine Stadt brauche gleichsam eine „Seele“ und ein „ethisches Fundament“. „Dafür brauchen wir Religionen, die in der Öffentlichkeit sichtbar sind und unser Wertegefüge prägen“, so Böhrnsen. Der Bremer Bürgermeister unterstrich, dass der säkulare Staat der Bundesrepublik kein laizistischer Staat sei. Religion trage vielmehr konstitutiv zu einer menschenwürdigen Gesellschaft bei. „In Bremen haben die Religionen auch im Rathaus, in der Mitte der Stadt, ihren festen Platz“, sagte Böhrnsen.
Beim Ausbau der Kitaplätze gehe es nicht nur um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ebenso wichtig sei eine bessere Teilhabe aller Kinder an Bildung und Sprachförderung. „Ohne deutsche Sprache wird Integration nicht gelingen“, so Böhrnsen. Bei der Erteilung von Biblischem Geschichtsunterricht (BGU) an Bremer Schulen räumte der Bürgermeister Versäumnisse ein. Es müsse etwas getan werden, damit der Unterricht auch bei den Kindern ankomme und nicht mehr so häufig ausfalle. „Biblischer Geschichtsunterricht auf allgemein christlicher Grundlage ist ein Schatz der Bremischen Landesverfassung, den wir bewahren müssen“, sagte Böhrnsen.
Er dankte den Kirchen für ihre klaren Worte zum Asylrecht, das auch aus seiner Sicht keinesfalls ausgehöhlt werden dürfe. Der Friedensnobelpreisträger Europäische Union müsse sich dafür einsetzten, dass in allen Teilen Europas Frieden und Wohlstand wachsen können.
Propst Dr. Martin Schomaker hatte sich als Leiter des Katholischen Büros Bremen zuvor dafür ausgesprochen, dass jedem Asylbewerber das Recht auf eine angemessene Prüfung seines Asylantrages zustehe. Das gelte auch für Menschen aus Mazedonien und Serbien.
Für Bremer Schülerinnen und Schüler sei es ein Bildungsnachteil, wenn Religionsunterricht nicht oder nur selten erteilt werde mahnte Schomaker. Deshalb sei er froh über die aktuellen Gespräche zum Religionsunterricht an Bremer Schulen, an denen sich beide Kirchen beteiligten. Im Blick auf den Ausbau der Kindertagesstätten unterstrich er die Bedeutung der Wahlfreiheit der Eltern, die jedoch erst eintrete, wenn ausreichend Krippenplätze zur Verfügung stehen. „Es kann nicht um die Bevormundung der Eltern gehen, wie sie ihre Kinder erziehen“, sagte Schomaker.
Prof. Dr. Jürgen Manemann, Leiter des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover, sprach zum Thema „Kultur ist der neue Name für Politik – Plädoyer für eine neue Verhältnisbestimmung von Kultur und Politik“. Er plädierte für ein weniger realpolitisches Verständnis von Politik und für eine „Politik der Umkehr“, die sich am Gemeinwohl und an kulturellen Werten orientiere. Werte, die sich nicht an Marktwerten orientierten, müssten wieder stärkere Bedeutung erhalten. Wesentlich sei eine „Kultur der Anerkennung des Anderen in seinem Anderssein“.
Die gegenwärtige Politikverdrossenheit sei häufiger eine Politikerverdrossenheit. Politiker stünden unter Verdacht, immer technokratischer zu werden und immer mehr Macht an sich zu ziehen. Der Sinn für die Realität dürfe aber den Sinn für das Mögliche nicht verdrängen.
Fotos: Suzana Muthreich