28.02.2000
Eine Ermittlungsgruppe der Polizei Bremen in Kooperation mit der Ausländerbehörde hat festgestellt, dass sich über 500 Personen unter Angabe einer falschen Nationalität in Bremen aufhalten. Die Personen hatten angegeben, libanesische Staatsbürger zu sein. Auf dieser Angabe haben die Personen vor mehreren Jahren Antrag auf Asyl gestellt. Laufende Ermittlungen haben nun ergeben, dass diese Personen Staatsangehörige der Türkei sind.
"Das ist der größte Ermittlungserfolg der letzten Jahre. Wir vermuteten bereits seit längerer Zeit, dass hinsichtlich der Nationalität falsche Angaben mit einer hohen Dunkelziffer gemacht werden. Dass inzwischen allein in Bremen über 500 Personen die falsche Angabe nachgewiesen werden konnte, weist auf den enormen Umfang des Problems hin, das sämtliche deutschen Länder kennen“, erläutert Senator Dr. Bernt Schulte. „Die ermittelten Personen handeln nicht nur rechtswidrig, sie kosten die Steuerzahler Unsummen und schüren Vorbehalte denjenigen gegenüber, die sich in Deutschland legal aufhalten."
Falsche Angaben zur Staatsangehörigkeit werden von den entsprechenden Personen gemacht, um sich einen längeren Aufenthalt in Deutschland zu erschleichen. Der Rechtsweg wird in der Regel voll ausgeschöpft: beginnend beim zuständigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BaFl) über das Verwaltungsgericht – gegebenenfalls in zwei Instanzen -, ein Asylfolgeverfahren (also ein erneuter Asylantrag) wiederum mit dem sich anschließenden Klageweg.
In den in Bremen inzwischen ermittelten Fällen reisten die Personen, in der Mehrheit mit echten türkischen Personaldokumenten ausgestattet, überwiegend über den Flughafen Frankfurt/Main in das Bundesgebiet ein und stellten beim Grenzschutzamt einen Asylerstantrag. Im Rahmen des Asylverfahrens wurden die türkischen Dokumente beim ersten Kontakt mit deutschen Behörden einbehalten und von der zuständigen Ausländerbehörde archiviert, der der Antragsteller zugewiesen wird.
Die Antragsteller missachteten jedoch diese Zuweisung. Anstatt sich bei der zugewiesenen Ausländerbehörde zu melden, tauchten sie unter und suchten wenige Tage später eine andere Ausländerbehörde im Bundesgebiet auf (z. B. in Bremen). Dort stellten sie unter Angabe einer falschen libanesischen Personalie oder mit dem Hinweis auf eine fehlende Nationalität bzw. ungeklärte Staatsangehörigkeit einen weiteren Asylerstantrag, wobei das bereits anhängige Asylerstverfahren unter der türkischen Identität bewusst verschwiegen wurde.
Die falsche libanesische Identität hatte die Folge, dass nach einem negativ beschiedenen Asylverfahren eine Abschiebung der Familie aus Deutschland unmöglich gemacht wird. Der Staat Libanon verweigerte die Aufnahme dieser Personen, weil sie keine Staatsangehörigen des Libanons gewesen sind. Wären die tatsächlichen türkischen Personalien bekannt gewesen, hätte ein Abschiebung in die Türkei erfolgen können.
Da aus dem ersten Verfahren keine Fingerabdrücke vorlagen, die hätten verglichen werden können, andere Vergleichs- und Identifizierungsmöglichkeiten den jeweiligen Ausländerbehörden bislang nicht zur Verfügung standen und die Personen überwiegend arabisch sprechen, wurde die Doppelantragstellung über Jahre hinweg nicht erkannt.
Auf diese Weise gelang es beispielsweise einer Familie, im September 1988 mit damals 9 Kindern nach Deutschland einzureisen. 1990 wurde das Asylbegehren abgelehnt und die Abschiebung angedroht, die jedoch aufgrund der oben angeführten Umstände nicht vollzogen werden konnte. Bis November 1999 lebte die Familie in Bremen und bezog während ihres Aufenthaltes mindestens DM 683.000,- Sozialhilfe. Am 24.11.1999 wurde die Familie nach ermittelter Falschidentität und Erlangung korrekter türkischer Personaldokumente in die Türkei abgeschoben.
Die bisher ermittelten über 500 Personen sind zum größten Teil zwischen den Jahren 1986 und 1992 nach Bremen eingereist. Die bezogene Sozialhilfe (bzw. Unterstützung nach Asyl-bewerberleistungsgesetz) einschließlich der Kosten für Unterbringung kann zur Zeit nicht präzise angegeben werden und wird auf ca. 3 bis 5 Mio. DM im Jahr geschätzt. Für 181 Personen wurde die Summe bereits ermittelt und lautet für die Zeit des Aufenthalts in Bremen (ohne Berücksichtigung der Zeiten aus früheren Asylverfahren) ca. 8,9 Mio. DM. Allein im Stadtteil Kattenturm sind 10 Familien mit über 100 Personen untergebracht, darunter viele Kinder.
Senator Dr. Bernt Schulte dankt Ermittlern für erfolgreiche Arbeit
Der Ermittlungserfolg wurde möglich durch die neue Ermittlungsgruppe (EG 19) der Bremer Polizei. Sie ist eine der ersten Gruppen in Deutschland, die Mittel der Familienforschung für ihre Zwecke nutzt. Die Arbeit funktioniert in enger Kooperation mit der Ausländerbehörde, der Staatsanwaltschaft und dem Amt für Soziale Dienste. "Ich danke allen Beamten für die hervorragende Arbeit."
Um die ermittelten Personen zügig abschieben zu können, will Innensenator Dr. Bernt Schulte, dass die Abschiebegruppe im Stadtamt personell verstärkt wird: "Wir müssen alles tun, damit Menschen, die das deutsche Asylrecht missbraucht und die Behörden belogen haben, nun schnellstmöglich wieder dahin zurückkommen, wo sie hingehören. Darauf haben unsere Bürger einen Anspruch!" Die ersten 24 Personen sind bereits aus Deutschland abgeschoben worden.
Der Bremer Innensenator fordert Konsequenzen aus diesem ermittlungsergebnis: